Im Loh wird nicht gebaut
Die Pläne für eine Bebauung freier Grundstücke am südlichen Ortseingang von Litzelstetten sind ein weiteres Mal gescheitert. Der Konstanzer Gemeinderat lehnte gestern in einer Sondersitzung den Antrag einiger Grundstückseigentümer auf Errichtung einer Anschlussunterbringung für Flüchtlinge mit großer Mehrheit ab und erließ einstimmig eine Veränderungssperre. Damit hat sich der Konstanzer Gemeinderat gegen den Ortschaftsrat Litzelstetten gestellt, der eine Bebauung prinzipiell befürwortet.
Die Debatte im Rat folgte vertrauten Bahnen: Oberbürgermeister Uli Burchardt lobte die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Litzelstetter Ortschaftsrat in den vergangenen Wochen, nannte es aber die Pflicht der Verwaltung, die aktuelle Beschlusslage zu verwirklichen. Und die sei eindeutig: Seit 1999 ist diese Fläche Im Loh durch zahlreiche Beschlüsse des Konstanzer Gemeinde- wie auch des Litzelstetter Ortschaftsrates als Grünfläche ausgewiesen, und an diese Beschlusslage sieht sich die Verwaltung gebunden. Daraus ergibt sich auch die abschlägige Antwort auf die Bauvoranfrage, dies sei eine rein fachliche Frage. Zusätzlich gebe es aber die politische Frage, ob man den vorhandenen Flächennutzungsplan zugunsten einer Bebauung ändern wolle, wenn das denn juristisch überhaupt durchsetzbar sei.
Die Leiterin der Stadtplanung, Marion Klose, fasste den Stand noch einmal zusammen und verwies vor allem darauf, dass man diese Fläche im Rahmen des Handlungsprogramms Wohnen sowohl 2013 als auch 2016 überprüft und bewertet und gegen andere Flächen abgewogen habe. Das Ergebnis sei eindeutig gewesen: Die Fläche im Loh komme für eine Bebauung nicht in Frage.
Grüner fordert weiteren Vermittlungsausschuss
Der Grüne Peter Müller-Neff betonte den hohen landschaftlichen Wert der zum See hin abfallenden Grünfläche und verwies auf die vorhandenen, wesentlich größeren Flächen am Marienweg in Litzelstetten, die jetzt bebaut werden sollen. In Richtung der sich hinter dem Flüchtlingswohl verschanzenden Grundstückseigentümer ließ er beiläufig einfließen, „man merkt die Absicht und ist verstimmt“.
Ganz sachlich schlug er vor, in Litzelstetten einen weiteren Vermittlungsausschuss einzurichten, aber dieses Mal einen, der zwischen dem Ortschaftsrat und den LitzelstetterInnen vermittele. Damit wollte er vermutlich andeuten, dass die LitzelstetterInnen anders als der Ortschaftsrat eindeutig gegen eine Bebauung dieser Flächen seien.
Damit kam er bei der kommissarischen Ortsvorsteherin Irene Mohn gar nicht gut an. Ein Flächennutzungsplan sei schließlich nicht in Granit gemeißelt, sondern könne jederzeit auch wieder geändert werden, um doch irgendwann zu der seit zehn Jahren vom Ortschaftsrat anvisierten Bebauung zu kommen. Sie forderte außerdem, dass die fast vollzählig im Publikum versammelten OrtschaftsrätInnen das Recht erhalten sollten, aufzustehen und sich einzeln namentlich vorzustellen, damit die KonstanzerInnen auch mal die Gesichter zu den Namen sähen. Sitzungsleiter Uli Burchardt nannte dieses Ansinnen gnädig „etwas ungewöhnlich“ und ließ ihre Bitte dann stillschweigend unter den Tisch fallen – es war sicher keine schlechte Idee, die Menschelei nicht auf die Spitze zu treiben.
Mehrere RednerInnen, etwa Heinrich Fuchs (CDU) und Anke Schwede (LLK), verwiesen in der Aussprache darauf, dass Alternativstandorte für eine Bebauung geprüft werden müssten, und da habe sich bisher immer eindeutig ergeben, dass der Marienweg der geeignetere Standort sei, an dem ja bis 2020 auch etwa 80 Wohnungen entstehen sollen. Darum kündigten beide für ihre Fraktionen die Ablehnung einer jeglichen Bebauung an.
Dem See tut’s nicht weh
Wie oft in Bebauungsfragen stand Jürgen Faden (FWK) auf der anderen Seite und plädierte beherzt für einen Bebauungsplan mit klaren Regeln, was dort gebaut werden darf. „Dem See tut die Bebauung nicht weh“ rief er in lyrischer Emphase in den Saal. Währenddessen schaute sein Fraktionskollege Klaus-Peter Kossmehl versonnen an die Decke. Der liebenswürdig-kunstsinnige Fliesenhändler träumte vermutlich davon, wie sich die bonbonrote Morgensonne in den Außenkacheln künftiger Neubauten in Litzelstetten spiegelt, so wie die Abendsonne in Sydney Tag für Tag die 1,1 Millionen Fliesen am dortigen Opernhaus erröten lässt.
Sein Kollege Johann Hartwich (FDP) hält eine Bebauung für realistisch, weil rechtlich möglich, und lehnte eine Bevormundung des Litzelstetter Ortschaftsrates durch den Konstanzer Gemeinderat ab, „der Ortschaftsrat weiß besser als wir, was Litzelstetten braucht!“
Der Freiburger Rechtsanwalt Dr. Peter Neusüß, der die Verwaltung juristisch berät, führte aus, dass es fraglich sei, ob eine Bebauung in diesem Bereich vor Gericht Bestand haben werde: Die Fläche sei ein Außenbereich, der nicht umbaut sei und nur an zwei Seiten einen Siedlungszusammenhang habe. Die Rechtssprechung stehe in dieser Frage noch am Anfang und der Ausgang einer juristischen Prüfung sei ungewiss. Am Ende stimmte der Gemeinderat bei acht Gegenstimmen von FDP und FWK für die Aufstellung eines einfache Bebauungsplanes, der vorsieht, dass dort die Grünfläche erhalten bleibt. Einstimmig erließ er zudem eine Veränderungssperre.
Rassismus in Litzelstetten?
Kaum jemand im Rat setzt sich derart nachhaltig für Flüchtlinge und deren Integration ein und kann sich daher derart glaubhaft gegen die Diskriminierung und Ausbeutung von Ausländern wenden wie Zahide Sarikas (SPD). Sie beklagte, dass es in der Debatte um die Anschlussunterkünfte im Loh ausländerfeindliche und rassistische Äußerungen seitens Herrn Spickers gegeben habe (der als Anlieger natürlich gegen die Bebauung ist). Der Oberbürgermeister fuhr ihr schnell in die Parade, und so bleibt denn leider offen, welche Äußerungen die wackere Menschenfreundin konkret anprangern wollte.
Asisi-Podcast verspätet im Internet
Auf die Frage, weshalb der Podcast der letzten Gemeinderatssitzung ohne die Debatte um das Asisi-Panorama online gegangen sei, antwortete der Oberbürgermeister, man habe einige Tage benötigt, um – wie rechtlich erforderlich – die personenbezogenen Daten aus diesem Podcast zu löschen. Außerdem habe man vergessen, den Podcast dann, als er endlich online war, richtig ins Inhaltsverzeichnis aufzunehmen, so dass er nur schwer zu finden gewesen sei.
Wie steht doch so treffend auf dem Hosenbandorden? „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.“
O. Pugliese
Die von Zahide Sarikas angedeuteten Aussagen besitzen zweifelsohne ein doch erhebliches Interpretationspotential. Man könnte ihnen problemlos eine neidische Komponente gegenüber Flüchtlingen unterstellen, ob sie rassistisch sind, will ich nicht beurteilen. Interessant bleibt, dass sie von hunderten Bürgern im Rahmen der Unterschriftenaktion unterzeichnet wurden…
Herrn Müller-Neff will ich dagegen fragen, ob er das Prinzip der repräsentativen Demokratie verstanden hat. Wäre ein (Ortschafts-)Rat lediglich Mikrofon der Bevölkerung, könnten wir gleich die direkte Demokratie einführen, bei der Populismus und Polemik ungefiltert in politische Entscheidungen einfließen. Nur, weil ein Gremium in einer Sachfrage eine andere Haltung einnimmt als die angebliche Mehrheit der Einwohner, braucht es keine Supervision. Ich denke, hier wird viel eher davon abgelenkt, dass der Umgang des Stadtrates mit dem Ortschaftsrat nicht der fairste war – und das sicherlich noch ein Nachspiel haben wird. Denn wenn von konstruktiven Gesprächen geschwärmt wird, die zwischen Stadtverwaltung und Ortschaftsräten stattfanden, dann kommt das eher einer Beruhigungspille statt einer ernsthaften Sachstandsfeststellung gleich. Unabhängig vom aktuellen Thema wird mit Sicherheit die Diskussion aufkeimen, wie das Verhältnis zwischen Ortschaften und Stadt künftig ausgestaltet wird.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Dramatik der momentanen Geschehnisse eher schädlich oder gar förderlich für eine Klärung des Miteinanders der kommunalpolitischen Akteure war. Immerhin hoffe ich, dass auch Litzelstetten nun wieder auf Themen blickt, die tatsächlich existenziell sind – und die gibt es auch im so scheinbaren Luxusort zur Genüge…