Internet-Seelsorge für Radolfzeller Jugendliche

Seit neun Monaten ist „Kummerkarsten“ der Kummerkasten für Radolfzeller Kids. Und die Jugendlichen zwischen 14 und 21 nehmen dieses virtuelle Angebot so gut an, dass die halbjährige Erprobungsphase erfolgreich gemeistert wurde – der „Kummerkarsten“ bleibt im Netz. Und die Stadt Singen wird sich dem Projekt alsbald anschließen.

Sebastian Vogt, mobiler Stadtjugendpfleger und Streetworker in Radolfzell, ist Erfinder dieses Projekts. Zusammen mit dem erfolgreichen Netzwerk lakeparty.de – eigentlich die größte Internet- Partycommunity am Bodensee – wurde die virtuelle „Netz-Seelsorge“ installiert. Deren Gründer, Felix Küster und Christian Treutlein, freuen sich, dass nun mit Singen ein neuer Kunde in das Projekt einsteigt.

Ein Klick auf lakeparty.de genügt und der Kontakt wird aufgebaut: Die Nutzer mit Radolfzeller Postleitzahl sehen einen als „Kummerkarsten“ markierten Button auf den Seiten von lakeparty.de. Mit einem Klick haben sie die Möglichkeit, ihre persönlichen Sorgen, aufkommenden Frust, peinliche Fragen oder was immer sie sonst bewegt, loszuwerden. Als Empfänger steht hinter „Kummerkarsten“ Sebastian Vogt, der die Mitteilungen regelmäßig abruft und beantwortet. seemoz sprach mit Sebastian Vogt:

Gibt es in Radolfzell besondere Jugendprobleme. Oder warum sind Sie auf die Idee dieses virtuellen Kummerkastens gekommen?

Die Probleme Radolfzeller Jugendlicher sind die selben wie die der Jugendlichen in Konstanz oder Überlingen. Aber – wir Streetworker treffen Jugendliche nur dort, wo sie sich regelmäßig aufhalten. Und das ist im zunehmenden Maße eben das Internet. Deshalb diese Zusammenarbeit mit lakeparty – die haben aus Radolfzell gut 2400, registrierte jugendliche User. Und die nutzen unseren Service derart intensiv und regelmäßig, dass nun auch die Stadt Singen in dieses erfolgreiche Projekt einsteigt.

Wer meldet sich bei „Kummerkarsten“?

Tendenziell mehr Mädchen als Jungen. Und natürlich auch viele, die ich sonst als Streetworker auf der Straße nicht treffe. Obwohl, ich werde jetzt auch schon manchmal erkannt. Man ist bei der Jugend präsent. Ich bin sicher: Dieser Kontakt lässt sich ausbauen, wird sich auszahlen.

Wieviele Anfragen bekommt „Kummerkarsten“ täglich?

Nach dem anfänglichen Run sind es jetzt im Schnitt fünf Anfragen pro Woche. Spitzen gab es an Weihnachten und zum Frühjahrsanfang. Da ist der Stress bei Jugendlichen besonders groß.

Und mit welchen Fragen kommen die Jugendlichen zu Ihnen?

Das Spektrum ist breit, doch hauptsächlich geht es um Beziehungsfragen. An zweiter Stelle folgen familiäre und schulische Probleme. Und da geht es besonders um Mobbing und Gewalt – sowohl in der Schule als auch in der Familie

Wie intensiv ist der Kontakt zu den Absendern?

Rund 25 % sind Einmalanfragen. Viele melden sich dann aber nach ein paar Wochen oder Monaten wieder mit einem ernsthaften Problem. Als Anknüpfungspunkt hat sich die Onlineberatung aber nur bedingt durchgesetzt. Hier liegen auch die Grenzen dieser mehr anonymen Beratungsart, aber natürlich vermittle ich die Jugendlichen für die weitere Arbeit an andere Stellen, z. B. an Schwangerschaftsberatungsstellen. Da wird die Hilfe dann konkret und persönlich.

Autor: Die Fragen stellten Miriam Lambek und Hans-Peter Koch