Israel-Boykott und die eigentümliche FIFA-Politik
Teil vier unserer Serie „Antisemitismus im Sport“: Alex Feuerherdt beschäftigt sich mit der Geschichte des Fußballs in Israel und kritisiert die manches Mal eigentümliche Politik des Weltfußballverbands FIFA und seiner Funktionäre.
Gegründet wurde der israelische Fußballverband, die IFA (Israeli Football Association), kurz nach der Staatsgründung Israels im Jahre 1948. Das erste Länderspiel bestritt das israelische Team am 26. September 1948 vor 40.000 Zuschauern in New York gegen die USA. Es ging mit 1:3 verloren, aber das war angesichts der historischen Bedeutung dieses Ereignisses nebensächlich.
Schon vor der Staatsgründung gab es einen nationalen Fußballverband, der vor allem von jüdischen Siedlern und der britischen Mandatsmacht etabliert und 1929 in den Weltfußballverband FIFA aufgenommen worden war. Unter der Bezeichnung Palästina nahm er 1934 und 1938 an den Qualifikationsspielen zur Fußball- Weltmeisterschaft teil, jedoch ohne Erfolg: 1934 gingen die beiden Partien gegen Ägypten mit 1:7 und 1:4 verloren; vier Jahre später schied man mit 1:3 und 0:1 gegen Griechenland aus.
Boykottiert, behindert, benachteiligt
Die erste Weltmeisterschaftsqualifikation, für die Israel sich meldete, war die für das Turnier 1950 in Brasilien. Angesichts der Vernichtungsdrohungen der arabischen Staaten hielt der Weltfußballverband FIFA es für ratsam, die Auswahl des jüdischen Staates in der Qualifikation gegen ein europäisches Team antreten zu lassen. Gegen Jugoslawien verlor Israel mit 0:6 und 2:5 und schied aus. Besser sah es da schon vier Jahre später aus: Gegen Griechenland gelangen zunächst zwei Siege, bevor erneut Jugoslawien Endstation war, diesmal jedoch nur mit zwei 0:1-Niederlagen.
1956 trat der israelische Verband der Asiatischen Fußball-Konföderation (AFC) bei, in deren geografischem Einzugsbereich das Land nun einmal liegt. Doch bei der Qualifikation zum Asien-Cup, der im gleichen Jahr stattfand, wollten Afghanistan und Pakistan nicht gegen Israel antreten, denn sie erkannten den jüdischen Staat nicht an. Dadurch kam die israelische Auswahl kampflos in die Endrunde, in der sie gegen Südkorea, Hongkong und Südvietnam spielte und das Turnier als Zweitplatzierte beschloss.
Fußball und Krieg – ein absurdes Theater
Als Nächstes stand die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 1958 an. Und nun begann ein nachgerade absurdes Theater. Denn im Laufe des Jahres 1956 verschärfte sich der Konflikt zwischen Ägypten und Israel, das sich zunehmend Angriffen von ägyptischem Territorium und vom ägyptisch besetzten Gazastreifen aus erwehren musste. Ägypten bildete ein Bündnis mit Jordanien und Syrien, blockierte den Golf von Akaba und sperrte den Suezkanal für israelische Schiffe; es verletzte somit internationales Recht. Israel setzte sich zur Wehr und besetzte den Gazastreifen und die Sinai-Halbinsel.
Das hatte Auswirkungen auch auf den Fußball, denn die islamischen Staaten weigerten sich, Spiele gegen Israel auszutragen. Zunächst sollte Israel in der Vorrunde gegen die – islamische – Türkei antreten, doch die dachte gar nicht daran aufzulaufen. In der Zwischenrunde sollte Israel gegen – das islamische – Indonesien spielen, doch auch Indonesien trat nicht an. Schließlich sollte Israel im Finale der Ausscheidungsspiele gegen den – islamischen – Sudan ran, doch auch dieser boykottierte das Match. Von den drei vorgesehenen Spielen fand also keines statt. Damit wäre Israel eigentlich kampflos für die WM qualifiziert gewesen.
Doch dagegen hatte die FIFA etwas: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, loste sie kurzerhand aus allen europäischen Gruppenzweiten ein Land aus und ließ dieses gegen Israel um den letzten freien Platz beim WM-Turnier in Schweden antreten. Gegen Wales verlor Israel das Hin- und das Rückspiel jeweils mit 0:2 und war damit ausgeschieden. Die Boykottbewegung hatte dank der FIFA also doch noch ihr unsportliches Ziel erreicht, ohne dass ihr weitergehende Sanktionen gedroht hätten.
Odyssee für die israelische Fußballauswahl
Anschließend begann eine regelrechte Odyssee für die israelische Fußballauswahl. An den Asienmeisterschaften nahm sie zwar noch bis 1972 teil, doch auch dabei war sie immer wieder mit Boykotten konfrontiert: Zu den Spielen 1962 in Indonesien beispielsweise wurde sie gar nicht erst eingeladen, und 1972 erklärte sich lediglich Südkorea bereit, in der Qualifikation gegen sie anzutreten. Israel verzichtete letztlich, zumal die arabischen Staaten angekündigt hatten, im Falle einer Qualifikation der israelischen Auswahl die Endrunde zu boykottieren. Die Asiatische Fußball-Konföderation handelte – und schloss Israel 1974 aus ihrem Verband aus. Eine Aufnahme in den europäischen Fußballverband UEFA lehnten jedoch die Staaten des Ostblocks ab. Von der FIFA war zu all dem erneut kein Wort zu hören.
Bei der WM-Qualifikation wiederum wurde die israelische Mannschaft bald von Kontinentalverband zu Kontinentalverband gereicht: Die Ausscheidungsspiele für die Turniere 1962 und 1966 bestritt Israel in der Europagruppe, die für die Wettkämpfe 1970 in der Ozeaniengruppe und die für die Endrunden 1974 und 1978 wieder in der Asiengruppe.
Und so ging es munter weiter: 1982 Europa, 1986 Asien, 1990 Ozeanien. An der Qualifikation zu kontinentalen Meisterschaften – also zur Asien- oder Europameisterschaft – nahm Israel zwischen 1974 und 1994 überhaupt nicht mehr teil, weil es keinem Verband fest angehörte. Israels Klubmannschaften durften immerhin seit 1992 bei den europäischen Wettbewerben mitmachen. 1994 erfolgte dann endlich die offizielle Eingliederung in die UEFA.
Ein derartiges Hin und Her ist in der Geschichte des Weltfußballs einzigartig; kein anderer Fußballverband musste je solche permanenten Versetzungen über sich ergehen lassen. Drakonische, das heißt über Punktabzüge hinausgehende Maßnahmen gegen jene Mitgliedsverbände, die Wettbewerbsspiele gegen Israel verweigerten, mochte die FIFA nicht ergreifen. Unter Berufung auf ihre angeblich unpolitische Rolle – dazu später mehr – hielt sie sich stets heraus. Die israelischen Fußballer und die Verantwortlichen ihres Verbands begegneten dem mit einem gewissen Pragmatismus. Denn sie wollten ihre Qualifikationsspiele gerne austragen, statt darauf zu bestehen, die Punkte kampflos zugesprochen zu bekommen. Dafür flogen sie sogar bis nach Australien und Neuseeland. Angesichts dieser ausgesprochen ungünstigen Voraussetzungen ist es eine echte sportliche Sensation, was Israel 1968 bei den Olympischen Spielen und zwei Jahre später bei seiner ersten und bisher einzigen Teilnahme an einer Fußball-Weltmeisterschaft, der in Mexiko nämlich, erreichte.
Aus im Viertelfinale
Die Qualifikation für Olympia 1968 war für das israelische Team dabei noch eine vergleichsweise leichte Angelegenheit. Denn die zugelosten Gegner Burma, Iran und Indien boykottierten den jüdischen Staat. Daher genügten zwei Siege über Ceylon mit 7:0 und 4:0, um das Ticket nach Mexiko-Stadt zu lösen. Dort erreichte die Mannschaft das Viertelfinale und kam nur deshalb nicht noch weiter, weil nach einem Unentschieden gegen Bulgarien das Los über das Weiterkommen entscheiden musste und Israel diese Lotterie verlor. Bei der WM 1970 wiederum schied das Team nach zwei Unentschieden gegen Schweden (1:1) und den späteren Vizeweltmeister Italien (0:0) bei einer 0:2-Niederlage gegen Uruguay nach der Vorrunde aus. Das Tor von Mordechai Spiegler gegen Schweden blieb der bislang einzige WM-Treffer Israels.
Der erfolgreichste israelische WM-Teilnehmer ist freilich ein Schiedsrichter, nämlich Avraham Klein, der bei den Turnieren 1970, 1978 und 1982 eingesetzt wurde. 1978 leitete er das Spiel um den dritten Platz. Klein war eigentlich sogar als Referee für das Finale zwischen Gastgeber Argentinien und den Niederlanden im Gespräch, nachdem er die Partie Argentinien gegen Italien souverän geleitet hatte. Doch die Argentinier fühlten sich trotz ihres Weiterkommens benachteiligt und lehnten Klein ab. Hinzu kam, dass die herrschende Militärjunta, die Juden alles andere als freundlich gesinnt war, Anstoß daran nahm, dass Klein vor dem Spiel Argentiniens gegen Italien die Jüdische Gemeinde des Landes besucht hatte.
Ihm wurde von argentinischer Seite aber auch deshalb Voreingenommenheit unterstellt, weil der Endspielgegner Niederlande hieß. Als „Kriegswaise“ hatte Klein ein Jahr lang im niederländischen Apeldoorn verbracht. Und mit Ruud Krol trug ein Mann die Kapitänsbinde der Oranjes, dessen Vater in den Jahren der deutschen Besatzung Juden das Leben gerettet hatte. Die FIFA folgte dem argentinischen Wunsch, Avraham Klein nicht das Endspiel pfeifen zu lassen, obwohl sie sonst stets betont, sich von niemandem in die Einteilung der Unparteiischen hineinreden zu lassen.
Die Doppelmoral der FIFA
Und damit zu einer kleinen Exkursion, deren Ziel eben diese FIFA ist. Denn es lohnt sich, einen Blick auf die politische, um nicht zu sagen Kriminalgeschichte dieses sich unpolitisch wähnenden Verbands zu werfen, hinter dessen vorgeblicher Distanz sich oft genug die offene Kollaboration mit den übelsten Diktaturen verbarg und verbirgt. Eine Ausnahme bildet hier lediglich der Umgang des Weltverbands mit seinem Mitgliedsland Südafrika während der Apartheid: Der Suspendierung 1964 ließ die FIFA zwölf Jahre später den vollständigen Ausschluss des südafrikanischen Verbands folgen. Dessen Wiedereingliederung wurde im Juli 1992 vollzogen.
Doch das blieb, wie gesagt, die rühmliche Ausnahme. Von der Willkür der FIFA gegenüber Israel in Bezug auf die Qualifikation zur WM 1958 war ja bereits die Rede. Ein weiterer markanter Beleg für die Gesinnung, die bei dieser mächtigen Organisation herrscht, findet sich im Jahr 1974. Für die damalige Endrunde, die erstmals in der Bundesrepublik Deutschland stattfand, hatte sich auch das Chile des Diktators Augusto Pinochet qualifiziert. Im Land wurden Abertausende von Menschen gefangen gehalten, gefoltert und ermordet, nicht zuletzt in großen Fußballstadien. Die FIFA sah jedoch keine Veranlassung, Chile von der Qualifikation auszuschließen. Stattdessen kam es beim entscheidenden Playoff-Spiel der Chilenen zu einer der absurdesten Begegnungen, die sich jemals beim Fußball zugetragen haben.
Spiel auf blutigem Rasen?
Denn Chiles Gegner war die Sowjetunion, und die weigerte sich nach einem 0:0 im Hinspiel, im Nationalstadion von Santiago aufzulaufen, wo kurz zuvor noch Pinochets Schlächter ihrem Handwerk nachgegangen waren. Die FIFA hatte vor dem Match eine Delegation nach Chile entsandt, deren Bericht eindrucksvoll dokumentiert, wes Geistes Kind man in diesem Laden ist: „Der Rasen befand sich in einem herrlichen Zustand, und alle Gefangenen befanden sich noch in den Umkleidekabinen“, hieß es dort unter anderem.
Da der Weltfußballverband das Stadion also für tauglich befunden hatte, wurde am 21. November 1973 das Spiel vom österreichischen Schiedsrichter Linemayr angepfiffen – allerdings ohne das sowjetische Team. Auf dem Platz standen elf chilenische Spieler, auf den Rängen befanden sich ein paar bestellte Anhänger des Regimes. Die Hausherren schoben den Ball ein paar Mal hin und her und dann ins gegnerische Tor. Da niemand da war, um den folgenden Anstoß durchzuführen, brach der Referee das Spiel ab. Später wertete es die FIFA mit 2:0, schickte Chile zur WM und bestrafte so den sowjetischen Verband für seinen politischen Ungehorsam.
Zwei Jahre nach der WM in Westdeutschland putschte sich in Argentinien – dem Land des nächsten Gastgebers – die faschistische Militärjunta des Generals Videla an die Macht. Erneut unternahm die FIFA nichts; die WM-Spiele fanden in Stadien statt, in denen zuvor, wie schon in Chile, Menschen eingepfercht, gefoltert und hingerichtet worden waren. Diktator Videla versuchte, die Weltmeisterschaft als Bühne zu benutzen. In den Niederlanden und Frankreich wurde ein Boykott des Turniers diskutiert, doch die FIFA dachte gar nicht daran, Argentinien die Wettkämpfe zu entziehen.
Sie schritt auch nicht ein, als Saddam Husseins Sohn Uday im Jahre 1997 irakische Fußballer foltern ließ, weil die sich nicht für die WM in Frankreich qualifiziert hatten, und drei Jahre später noch einmal, als das Team bei den Asienmeisterschaften nicht über das Viertelfinale hinausgekommen war. Sie blieb passiv, als die Taliban UN-finanzierte Fußballplätze zur Folter und Ermordung hunderter Menschen missbrauchten – teilweise in den Pausen von Fußballspielen –, während sie von den Tribünen mit dem Ruf „Gott ist groß!“ angefeuert wurden.
Herr Blatter gibt sich neutral
Die FIFA konnte sich auch nicht vorstellen, den Iran von der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland zu disqualifizieren. Und das, obwohl dessen Präsident Mahmud Ahmadinedjad – der lange Zeit überlegt hatte, der iranischen Mannschaft nach Deutschland zu folgen – mehrfach unverhohlen mit der Vernichtung Israels gedroht hatte. Doch den FIFA-Präsidenten Joseph Blatter focht das nicht an. Ein Ausschluss des Iran sei für ihn „undenkbar“, sagte er. Denn: „Wir würden nie auf Grund irgendwelcher politischer Aussagen einen Verband ausladen. Wir sind in politischen und religiösen Fragen absolut neutral.“
Wie neutral, zeigte sich einmal mehr im April 2006. Da schickte der Weltverband dem israelischen Botschafter in der Schweiz, wo die FIFA ihren Sitz hat, eine an die israelische Regierung gerichtete Beschwerde. Der Grund: Die israelische Armee hatte ein Fußballstadion im Gazastreifen unter Beschuss genommen. Die FIFA teilte dem israelischen Diplomaten mit, sie erwäge „Maßnahmen wegen des Luftschlags“. Dabei kam der israelische Angriff auf das leere Stadion durchaus nicht grundlos. Er war zum einen eine Antwort auf Angriffe der Hamas mit Kassam-Raketen am Tag zuvor, bei denen unter anderem eine Rakete auf einem Fußballplatz eines Kibbuz’ nahe Ashkelon gelandet war. Zum anderen diente das Stadion in Gaza als Trainings- und Ausbildungslager für den Islamischen Djihad und die Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden sowie als Raketenabschussrampe.
Das alles interessierte die FIFA jedoch nicht, und so schrieb ihr Vertreter „für besondere Aufgaben“ mit dem klangvollen Namen Jérôme Champagne den besagten Brief an den israelischen Botschafter und bat ihn darum, „zu erläutern, warum das Stadion beschossen wurde, bevor die FIFA darüber entscheiden konnte, welche Maßnahmen, wenn überhaupt, zu ergreifen sind“. Ein Fußballstadion zu beschießen, sei jedenfalls „absolut kontraproduktiv für den Frieden, denn heute ist Fußball das einzige universelle Werkzeug, das Gräben überbrücken kann“. Und einmal in Fahrt, wurde Champagne gegenüber den Medien noch deutlicher. Die israelischen Grenzübergänge hätten es den Palästinensern seit 2000 un möglich gemacht, ihre eigene Liga aufzubauen, sagte er, und: „Der Gazastreifen ist seit 1967 besetzt. Frankreich wurde von Deutschland drei Mal in den letzten hundert Jahren besetzt. Meinen Sie, wir hätten nach sechs Monaten einfach Frieden schließen können? Kein Teil von Israel ist von Palästinensern besetzt. Es ist falsch, ein Volk zu besetzen.“
Also bezahlte die FIFA die Instandsetzung des Stadions im Gazastreifen, während sie sich um den von einer Kassam-Rakete demolierten Fußballplatz in dem erwähnten Kibbuz nicht weiter scherte. So kann man eine Gleichsetzung Israels mit Nazideutschland auch zum Ausdruck bringen und einmal mehr demonstrieren, was man unter „absoluter Neutralität“ versteht: in diesem Fall eine tiefe Zuneigung zu den Feinden des jüdischen Staates.
FIFA zieht ihre eigenen Grenzen
Und dabei schafft die FIFA noch weitergehende Fakten. Denn sie orientiert sich nicht zwangsläufig an bestehenden politischen Grenzen, sondern zieht ihre eigenen. Daher gehören dem Weltverband auch Mitglieder an, die keinem international anerkannten Staatswesen zuzurechnen sind. Eines davon ist die Palestinian Football Federation (PFF), 1964 gegründet und 1998 aufgenommen. Seit neun Jahren darf Palästina also offiziell Länderspiele austragen und an der Qualifikation zu internationalen Turnieren wie der Weltmeisterschaft teilnehmen. Darüber hinaus erfreuen sich die palästinensischen Kicker einer besonderen finanziellen und logistischen Förderung durch die FIFA, etwa in Form des Goal-Projekts, mit dem, so heißt es, die fußballerische Infrastruktur verbessert werden soll.
Dagegen wäre gewiss nichts einzuwenden, würden die Sportplätze nicht regelmäßig auch den bereits geschilderten anderen Zwecken dienen, und würden Fußballspiele in den palästinensischen Gebieten nicht immer wieder in antisemitische Manifestationen verwandelt. So wurde beispielsweise 2003 ein Amateurturnier nach einem Selbstmordattentäter benannt, der im März des Vorjahres in Netanya 31 Menschen bei einer Pessach-Feier getötet hatte. Seinem Bruder kam anschließend die Ehre zu, dem Sieger dieses Märtyrerturniers den Pokal überreichen zu dürfen.
Und im Herbst 2007 fand in einer Schule in Tulkarem in der Westbank ein Fußballturnier statt, das den Namen eines mörderischen Judenhassers trug: Ziyad Da’as, ein städtischer Kommandeur der Tanzim-Milizen innerhalb der Fatah, war für die Planung eines Attentats verantwortlich, bei dem im Januar 2002 während einer Bat-Mitzvah-Feier in Hadera sechs Menschen ermordet und 30 verletzt wurden, und er stand zudem hinter der Entführung und Ermordung zweier Israelis in Tulkarem im gleichen Monat. Im August 2002 töteten ihn schließlich israelische Soldaten.
Grund genug für die Schulleitung in Tulkarem, an ihn mit einem Wettbewerb zu erinnern, und Anlass für eine Zeitung der Palästinensischen Autonomiebehörde, Ziyad Da’as als „einen der mutigen Menschen des palästinensischen Widerstands“ zu rühmen, den die israelischen Besatzungstruppen „kaltblütig ermordet“ hätten: „Am Ende des Turniers“, schrieb das Blatt, „bezeugten die Zuschauer, dass der Wettkampf geeignet war, des mutigen Märtyrers Ziyad Da’as, die Gnade Allahs sei mit ihm, zu gedenken, und dass alljährlich ein Turnier an seinem Todestag stattfinden soll“. Die Ausscheidung des Jahres 2007 gewann übrigens eine Mannschaft, die sich nach den „Märtyrern“ des südlichen Viertels von Tulkarem benannt hatte. Ob es das ist, was sich die FIFA unter einer „Verbesserung der fußballerischen Infrastruktur“ vorgestellt hat?
FIFA = UNO ?
In vielerlei Hinsicht ähnelt die Politik des Weltfußballverbands also der Politik der Vereinten Nationen, von denen Israel ebenfalls nichts als regelmäßige Benachteiligungen zu erwarten hat, während seine Feinde stets ungeschoren davonkommen und sich nicht selten besonderer Zuneigung erfreuen. Der amerikanische Publizist Mark Steyn hat diese Koinzidenz einmal in einem Witz auf den Punkt gebracht: „Eines Tages kam der UN-Generalsekretär auf die Idee, im Interesse des globalen Friedens die berühmtesten Fußballer der Welt als Uno-Weltmannschaft zu einem Match antreten zu lassen. ‚Eine großartige Idee’, sagte sein Stellvertreter. ‚Aber gegen wen werden wir spielen?’ – ‚Gegen Israel natürlich.’“
Und dann gibt es da ja noch den gar nicht so kleinen Bruder der FIFA, den europäischen Fußballverband UEFA. Seit 1994 ist Israel, wie bereits gesagt, dessen festes Mitglied. Doch von einer Liebesbeziehung kann wahrlich keine Rede sein, denn auch die UEFA wirft den israelischen Fußballern allenthalben Knüppel zwischen die Beine und beschert den israelischen Klubs wie auch der Nationalmannschaft immer wieder handfeste Wettbewerbsnachteile. Als beispielsweise die Zweite Intifada ab dem Jahr 2000 ihren Terror begann, mussten israelische Teams auf Geheiß des europäischen Verbands ihre Heimspiele in den internationalen Wettbewerben auf Zypern austragen, weil es den anreisenden Klubs angeblich nicht zuzumuten war, in Israel zu kicken. Erst nach dem Bau des Sicherheitszauns und dem Rückgang der Selbstmordattentate genehmigte die UEFA im April 2004 wieder die Austragung von Partien im Land.
Keine Rücksicht auf religiöse Feiertage
Einer der ersten Klubs, die in den Genuss solcher echten Heimspiele kamen, war in der Saison 2004/05 Maccabi Tel Aviv. Maccabi hatte sich für die Gruppenphase der Champions League qualifiziert und traf dort unter anderem auf den deutschen Meister FC Bayern München. Das Hinspiel in Tel Aviv hatte die UEFA jedoch auf den jüdischen Neujahrstag Rosh Hashanah gelegt. Dieses Fest ist neben dem zehn Tage später gefeierten Yom Kippur bekanntlich einer der höchsten jüdischen Feiertage, an dem die religiösen Familien die Synagoge zu besuchen pflegen. Maccabi bat daher um eine Vorverlegung der Partie um einen Tag und hatte dafür bereits die Zustimmung des FC Bayern sowie des Fernsehens eingeholt. Somit waren eigentlich alle Hindernisse aus dem Weg geräumt. Doch die Funktionäre der UEFA sperrten sich. „Wir können es nicht akzeptieren, wenn jeder anfängt, nationale, religiöse oder politische Feiertage als Argument für eine Verlegung zu benutzen“, sagte der Mediendirektor der UEFA, William Gaillard.
Bei den Bitten anderer Nationalverbände oder Klubs war man zuvor deutlich entgegenkommender gewesen, zumal dann, wenn alle Beteiligten mit der Verlegung eines Spiels einverstanden waren. Doch nun stellte man auf stur. Selbst ein Amtshilfeersuchen des israelischen Außenministers Silvan Shalom an seinen deutschen Kollegen Joschka Fischer und ein Appell des Zentralrats der Juden in Deutschland an die UEFA halfen nichts. Das Spiel wurde nicht verschoben und fand schließlich vor halbleeren Rängen statt.
Was unterscheidet Popgruppen von Fußballvereinen?
Während des Libanonkrieges im Sommer 2006 und noch längere Zeit danach wurden israelische Klubs dann erneut für den Terror bestraft, der den jüdischen Staat heimsuchte. Hapoel Tel Aviv, Bnei Yehuda Tel Aviv und Beitar Jerusalem mussten ihre Heimspiele in der Qualifikation für den UEFA-Pokal jenseits der Landesgrenzen austragen, ebenso Maccabi Haifa seine Playoffs zur Champions League. „Durch den Krieg mit der Hizbollah im Süden des Libanon ist die Sicherheit der Sportler in Israel nicht ausreichend gewährleistet“, behauptete die UEFA.
Iche Menachem, Präsident des Israelischen Fußballverbands, war fassungslos: „Wir werden diese Entscheidung nicht unwidersprochen akzeptieren. Ich fordere die UEFA-Offiziellen auf, ihre Entscheidung hier im Land zu treffen und nicht in ihren Büros in der Schweiz.“ Wenn Popgruppen wie Depeche Mode in Israel spielen könnten, sei das auch Fußballvereinen zuzumuten. Man erwog zeitweilig sogar eine Klage vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS.
Anfang September 2006 traf die Heimspielsperre dann auch das israelische Nationalteam. Sein erstes Spiel in der Qualifikation zur Europameisterschaft gegen Andorra musste es im niederländischen Nijmegen bestreiten – und das auch noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dabei hatte die UEFA kurz zuvor noch angekündigt, dass dieses Match in Tel Aviv stattfinden könne, wenn sich der Waffenstillstand als stabil erweise. Das war zwar der Fall, doch die UEFA wollte von ihrem Versprechen plötzlich nichts mehr wissen. Das brachte Israels Sportminister Ophir Pines-Paz auf die Palme: „Man muss begreifen, dass wir über zwei antisemitische schwedische Funktionäre sprechen. Diese beiden Schweden, die gegen uns arbeiten, sind diejenigen, die die Entscheidungen treffen. Und sie hassen uns.“
Dieser Zornesausbruch, der sich gegen den damaligen UEFA-Präsidenten Lennart Johansson und dessen Generaldirektor Lars-Christer Olsson richtete, war ohne Zweifel nachvollziehbar. Denn die vorgeblichen Sicherheitsbedenken muteten mehr als fragwürdig an. Würde die UEFA in allen Fällen mit gleichem Maß messen, hätte sie zumindest auch die Heimspiele spanischer und englischer Teams nach den Terrorangriffen von Madrid und London oder die Partien türkischer Mannschaften nach dem Anschlag in Antalya im August 2006 verlegen müssen. Doch nichts dergleichen geschah, und daher müssen sich die Verantwortlichen des Verbands den Vorwurf gefallen lassen, eine explizit politische Entscheidung getroffen zu haben.
Ungleiche Strafen
Eigenartig auch, dass die UEFA den israelischen Erstligaklub Hapoel Tel Aviv im September 2007 zu einer Geldstrafe von 30.000 Euro verurteilte, weil dessen Anhänger während des UEFA-Pokal-Qualifikationsspiels beim Verein NK Siroki Brijeg randaliert hatten – nachdem Fans des bosnischen Vereins die israelische Supporter unter anderem mit Naziparolen und dem Hitlergruß provoziert hatten. Das kostete Brijeg jedoch nur 3.000 Euro. Überhaupt keine Strafe musste gar der französische Klub Paris St. Germain zahlen, obwohl ein Teil der Zuschauer beim UEFA-Pokal-Spiel gegen Hapoel Tel Aviv im November letzten Jahres antisemitische Parolen gegrölt hatte. Nach der Partie kam es überdies zu einer regelrechten Hetzjagd auf Hapoel-Anhänger durch Paris, bei der schließlich einer der Angreifer von einem Polizisten erschossen wurde.
All diese Beispiele zeigen, dass die FIFA und der europäische Verband UEFA in ihrem Umgang mit der Israeli Football Association auf der Ebene des Fußballs ganz ähnlich vorgehen wie die Vereinten Nationen mit dem jüdischen Staat auf politischer Ebene: Sie legen an Israel regelmäßig andere Maßstäbe an als an ihre übrigen Mitglieder, sie treffen immer wieder Entscheidungen zum Nachteil Israels, und sie unterlassen Konsequenzen gegenüber jenen, die aus ihrer prinzipiellen Ablehnung Israels keinen Hehl machen, um es zurückhaltend zu formulieren. Man könnte sie deshalb als eine Art Fußball-Uno bezeichnen, zumal ihr Vorgehen Auswirkungen weit über den Sport hinaus hat und gesellschaftliche Relevanz besitzt.
Spieler werden unter Druck gesetzt
Dazu passen auch die regelmäßigen Boykotte iranischer Spieler, wenn sie mit ihrem jeweiligen Klub gegen eine israelische Mannschaft antreten sollen. Im Herbst 2004 beispielsweise spielte der deutsche Rekordmeister Bayern München, wie bereits erwähnt, in der Champions League gegen Maccabi Tel Aviv. Dabei fehlte sowohl im Hin- als auch im Rückspiel der inzwischen (wieder) für den VfL Bochum kickende iranische Nationalspieler Vahid Hashemian. Die offizielle Begründung lautete, der Angreifer sei verletzt. Dass das nur vorgeschoben war, lag gleichwohl nahe. Denn der iranische Verband hatte Hashemian mit Konsequenzen gedroht, sollte er mit den Münchnern gegen Maccabi spielen.
Und Anfang Oktober 2007 gab es eine Menge Wirbel um den deutschen U21-Nationalspieler Ashkan Dejagah vom VfL Wolfsburg. Denn der weigerte sich, mit zum Europameisterschafts-Qualifikationsspiel der DFB-Auswahl in Israel zu reisen. Die Spekulationen über seine Motive heizte Dejagah dabei selbst an. „Das hat politische Gründe. Jeder weiß, dass ich Deutsch-Iraner bin“, wurde er in verschiedenen Zeitungen zitiert. Weiter sagte er: „Ich habe mehr iranisches als deutsches Blut in meinen Adern. Außerdem tue ich es aus Respekt, schließlich sind meine Eltern Iraner.“
Von einer Furcht vor möglichen Nachteilen für seine Verwandten im Iran oder davor, dass ihm selbst künftig die Einreise in den islamischen Staat verweigert werden könnte, war erst die Rede, als die Proteste gegen Dejagah und gegen die äußerst nachsichtige Haltung des DFB zunahmen und sich zudem herausstellte, dass Dejagah doch nicht mehr, wie ursprünglich angenommen, für die A-Nationalmannschaft des Iran spielberechtigt ist.
Dass sich sowohl die UEFA als auch die FIFA aus solchen Fällen heraushalten, ist angesichts der geschilderten Benachteiligungen Israels einerseits sicher nicht verwunderlich. Andererseits handelt insbesondere der Weltfußballverband mit seinem beharrlichen Schweigen letztlich gegen seine eigenen Grundsätze. Denn die FIFA verbittet sich normalerweise jegliche Einmischung der Politik in den Fußball und schließt bei einer Zuwiderhandlung auch schon mal ein Mitgliedsland vorübergehend aus. Doch sie hat bis heute nie darauf reagiert, dass das Mullah-Regime iranischen Fußballern Wettkämpfe gegen israelische Teams strikt untersagt und ihnen mit massiven Sanktionen nicht nur sportlicher Art droht, wenn sie sich diesem Verbot widersetzen.
Autor/In: Alex Feuerherdt