Ist das Bodenseestadion noch zu retten?

Heute widmet sich der Konstanzer Gemeinderat der Zukunft da Bodenseestadions: Das Bauwerk bröckelt seit vielen Jahren leise vor sich hin und ist vielen KonstanzerInnen inzwischen fremd und vor allem dem Stadtsäckel eher Last als Lust. Was also tun?

1935 wurde das Stadion in seiner idyllischen Lage unweit von Hörnle und Seeufer eröffnet. Das sieht man ihm auch an, denn es hat etwas vom Blut-Schweiß-und-Tränen-Mief einer echten Kampfbahn; ihm fehlt selbst der hölzerne Charme des traditionsreichen Johnny Haynes Stand im Stadion des FC Fulham; und von einem modernen Stadion, das den BesucherInnen durch eine hohe „Aufenthaltsqualität“ möglichst viel Geld aus der Tasche locken soll, hat es nun rein gar nichts. Es ist halt einfach nur unser Bodenseestadion.

Was also tun mit der mürben Altlast? Renovieren, abreißen, abwarten? Sie ahnen die zu erwartende Antwort wohl schon.

Und täglich bröckelt der Beton …

Die Vorlage der Verwaltung für den Gemeinderat bilanziert den derzeitigen Zustand ziemlich nüchtern: Es handelt sich um eine „Typ-A-Leichtathletik-Anlage mit Rasenfußballfeld“ [gemäß DIN 18035], und zwar die einzige dieses Typs in Südbaden. Die Zuschauerkapazität liegt bei mehr als 10.000 Menschen (von 25.000 hört man), und zuletzt wurden 1991 ca. 1,5 Mio. Euro für die Sanierung ausgegeben – aber das ist ja auch schon wieder 30 Jahre her. 2017 gab es dann eine „Re-Topping-Maßnahme Laufbahn für 100.000 Euro“, was das Aufbringen eines neuen Belages auf der Bahn bedeutet, damit sich die zumeist pfeilschnellen LäuferInnen nicht in den Löchern des Belages ihre geschätzten Haxen brechen.

Das Fazit liest sich niederschmetternd: Insgesamt besteht ein hoher Sanierungsbedarf in allen Bereichen, und das Bauwerk erfüllt die „sicherheitsrelevanten Anforderungen an eine Großsportanlage“ schon lange nicht mehr.

Auf der anderen Seite besteht aber ein echter Bedarf für eine Sportanlage und Konzertfläche. Außerdem gehört sich das ja auch irgendwie nicht, einfach ein altes Stadion abzureißen, ohne an dessen Stelle ein neues zu errichten, und daran wird auch nicht gedacht. Mit der Wiedereröffnung des Schwaketenbades hat die Stadt sich gerade eine spektakuläre neue Sport- und Freizeitstätte gegönnt, wirklich murren dürfen die KonstanzerInnen ob des Stadions also nicht.

Langfristige Perspektiven: Keine

Im letzten Jahr hat sich ein Arbeitskreis Bodenseestadion zusammengesetzt und über die möglichen Entwicklungsperspektiven beraten, wie sie 2011 schon einmal ermittelt worden waren:

  1. Schließung des Stadions – Renaturierung.
  2. Besitzstandssicherung – Substanzerhalt.
  3. Sanierung und Neubau als Sportstadion nach aktuellem Standard.
  4. Neues Denken mit zukunftsorientierter Planung im Sinne einer frei zugänglichen Freizeitsportanlage mit Möglichkeiten für Kulturgroßveranstaltungen wie Konzerte (die bislang bevorzugte Entwicklungsvariante).

Dabei war man sich weitestgehend einig, auf keinen Fall einen externen Investor mit an Bord zu nehmen, das Stadion soll im Besitz der öffentlichen Hand bleiben. Es wurden durchaus Pläne für alternative Nutzungen entwickelt und in der Beschlussvorlage für den Gemeinderat sind Skizzen zu bewundern, die ein ganz anderes Bild als das vertraute des Jammers zeichnen: So könnte man nach dem Herausreißen der Laufbahn, dem Vertreiben der LeichtathletInnen und dem Schleifen eines Teils der überdimensionierten Tribünen eine Kleinbühne sowie einen Zeltplatz errichten und in einer Kurve zu Trainingszwecken einen Kunstrasen von 80×40 Metern verlegen. Eine Ecke ließe sich mit Geräten für ein zünftiges Workout zugestellt werden, auf dass brünftige Halbstarke dort Muskelmasse aufbauen können. Ein Teil des heutigen Rasens würde zum Herumtollen freigegeben, und Platz für eine Asphaltfläche sowie eine Kletterwand zur Selbstverstümmelung wäre auch noch. Außerdem sind dort eingezeichnet: Ein „Bikeparkhaus“ (am Hörnle im Sommer wahrlich schwer vermisst) und eine „Park and Storage Area“ (das hört sich wie finsterstes Schwäbisch für „gebührenpflichtiger Parkplatz“ an).

Eile mit Weile

Aufgewacht! Das sind natürlich alles nur freundliche Grüße aus Utopia, denn die öffentlichen Kassen sind in Zeiten von Corona und Ukraine-Flüchtlingen noch leerer als üblich. Folglich kommt die abschließende Handlungsunterlassungsempfehlung einem salomonischen Urteil gleich: „Vor dem Hintergrund, dass in den nächsten Jahren keine Finanzmittel im Haushalt für eine Stadionentwicklung bereitgestellt werden können, sollte eine aufwendige Weiterbearbeitung des Themas bis auf Weiteres zurückgestellt werden.“

Anders gesagt: Lassen wir es, wie es ist, und hoffen wir, dass das noch einige Zeit gutgeht. Nicht, dass die Stadt eines Nachts von einem fürchterlichen Getöse hochschreckt, weil ein übergewichtiger Spatz bei seinem Landeversuch das Tribünendach zum Einsturz bringt.

Es zuckt noch

Immerhin ist die Halbleiche am Hörnle immer noch lebendig genug, um „trotzdem noch einen wertvollen Beitrag zur Sportanlagenlandschaft in Konstanz“ zu leisten, wie es in den Unterlagen heißt. „In der bevorstehenden Saison 2022 werden die Footballer der ‚Konstanz Pirates‘ ihre Heimspiele im Stadion austragen und zu einer Wiederbelebung beitragen. Außerdem werden Schulen und verschiedene Fußball- und Leichtathletikgruppen im Stadion trainieren und spielen. Sofern die Corona-Pandemie es zulässt, werden auch mehrere große Festivals ausgetragen. Neben dem Campus- und dem Gute-Zeit-Festival sind auch Konzerte der ‚Toten-Hosen‘ und der ‚Ärzte‘ im Veranstaltungskalender des Bodenseestadions vorgemerkt.“

Tote Hosen und Ärzte, das passt zu diesem Stadion wie die Faust aufs Auge.

Text: O. Pugliese, Bilder: Sommerwiese 2020, zur Verfügung gestellt vom Veranstalter, leicht bearbeitet


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