Ist der Konstanzer Gestaltungsbeirat sein Geld wert?
In bislang über 60 deutschen Städten gibt es einen Gestaltungsbeirat, so auch in Konstanz seit 2009. Dieses Gremium, heißt es auf der Stadtseite, „begutachtet städtebaulich bedeutende Bauprojekte“ und „unterstützt als unabhängiges Expertengremium die Stadt Konstanz“. Doch der Beirat, auf den vor allem Bürgermeister Kurt Werner mächtig stolz ist, wird auch kritisch beäugt. seemoz hat bei mehreren Beteiligten nachgefragt und durchaus unterschiedliche Meinungen heraus gehört
In zweimonatigem Rhythmus trifft sich der „Beirat für Architektur und Stadtgestaltung“, kurz Gestaltungsbeirat (GBR) genannt, um über architektonische und stadtgestalterische Fragen im gesamten Stadtgebiet, einschließlich der Teilorte, zu diskutieren. Zur Zeit sind es vier Beiräte, deren Hauptziel sein soll, „die nachhaltige Steigerung der Planungs- und Baukultur und die Vermeidung städtebaulicher und architektonischer Fehlentwicklungen“ zu steuern. Der Beirat setzt sich zusammen aus vier Experten aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung und Bauingenieurwesen. Ausgewählt werden sie vom Gemeinderat.
Als Beisitzer fungieren Vertreter aus den gemeinderätlichen Fraktionen von FGL, CDU, SPD, FWG, FDP und UFG. Da die Linke Liste Konstanz (LLK) keinen Fraktionsstatus hat, ist sie von den Beratungen ausgeschlossen. Die vier Beiräte bekommen für Beratungen, die bis zu drei Stunden dauern, pro Kopf 400 Euro. Dauern die Sitzungen länger, erhöht sich das Honorar für jeden Experten auf 800 Euro, so die Auskunft der städtischen Pressestelle. Alleine im Jahr 2012 verursachte der Gestaltungsbeirat Gesamtkosten in Höhe von 31273, 90 Euro.
Christiane Kreitmeier (FGL) ist für eine grundsätzliche Diskussion über den GBR. Ihrer Meinung nach gehört das Gremium „mal auf den Prüfstand“ gestellt. Kreitmeier möchte wissen, ob der GBR seine Ziele erreicht hat. Schwierig findet sie, wenn der Beirat Bauvorhaben bespricht, bevor sie dem Technischen- und Umweltausschuss (TUA) vorgelegt werden. Skeptisch ist die FGL-Rätin, „wenn Bauvorhaben immer wieder zur Vorlage gebracht werden müssen, so dass sich die Planungszeit ewig hinzieht und am Ende der Investor keine Lust mehr hat“. Denn dafür, so Kreitmeier, gäbe es „einige Beispiele“.
Ihr Fraktionskollege und GBR-Beisitzer Günter Beyer-Köhler hingegen erklärt, dass der Beirat „gute Arbeit geleistet hat“ und „die meisten zu beratenden Projekte sehr gewonnen“ hätten. Seiner Erfahrung nach würden die Beiräte „die Projekte ungeschminkt und sehr sachlich beraten“ und ein weiterer Vorteil sei, „dass die Beiräte von auswärts kommen und einen gewissen Abstand zu den Projekten und Projekteinreichern haben“. Sein überwiegend positives Fazit: „Der Gestaltungsbeirat ist heute ein wichtiger Bürgerservice“. Er räumt aber auch ein: „Sind die Projekte im öffentlichen Interesse, gehören sie erst im TUA politisch öffentlich diskutiert“.
Alexander Stiegeler (FWG), ebenfalls GBR-Beisitzer, spricht sich uneingeschränkt für das Gremium aus. Anfangs sei auch er durchaus skeptisch gewesen, aber vor allem der jetzige Beirat sei „kompetent besetzt“ und „jede Sitzung ist eine Schulung des Blicks, des Verständnisses für Architektur“. Wenn man sich die geleistete Arbeit des Beirates ansehe, könne man Stiegelers Auffassung nach nur feststellen, dass „die aufgewendete Summe Geldes mehr als gerechtfertigt“ sei, denn „es muss einer Gemeinde etwas wert sein, in Fragen der Stadtgestalt – dazu gehören Einzelprojekte und ganze Quartiere – über den Tellerrand der örtlichen Partikularinteressen rüber zu schauen“.
Völlig anderer Meinung ist der GBR-Beisitzer und CDU-Rat Klaus-Peter Kossmehl. Kurz und knapp urteilt er über den Gestaltungsbeirat: „Ineffektiv und teuer dazu“.
Ebenso deutlich äußert sich der langjährige Stadtbaumeister Hannes Kumm: „Die Gestaltung unserer Stadt sollten wir nicht primär einigen auswärtigen eingekauften Architekten-Professoren überlassen. Verwaltung und TUA sind ausreichend kompetent, in Gestaltungsfragen selbst entscheiden zu können. Diese für die Stadt wichtigen Entscheidungen der Gestaltung gehören wieder ins politische Gremium, dem TUA, bei dem unsere Bürgervertreter auch im Interesse ihrer Bürgerschaft entscheiden können unter dem Blick der Öffentlichkeit/Presse“.
Autor: H.Reile
Also wenn dieses umstrittene Gremium auch für die Gestaltung des rechtrheinischen Ufers mitverantwortlich war – dannn nicht wie weg damit. Jedes Mal wenn ich von außerhelb kommend über die neue Rheinbrücke fahre, denke ich ich bin in Miami – wo leben wir denn?
Ich denke nicht, daß dies die Gestalt einer Stadt ist, in welcher ich leben möchte. Ein Mehr an Bürgerbeteiligung (wenn auch umständlicher – aber das ist demokratie) würde da deutlich bessere Ergebnisse bringen.
@MM
Zitat: –wie der Beirat sich unnötig einmischt und am Ende alles verzögert.
Es ist davon auszugehen, dass der Beirat hilfreich beim Erscheinungsbild eines Projekts beitragen kann. Wenn jedoch diese Hilfe als unverbindlich bei Genehmigungsverfahren eingesetzt wird, ist jede öffentliche Ausgabe für dieses Hilfsgremium vertan. Bauanträge können auf Grund dieser Vorgabe des Beirats von der Genehmigungsbehörde behindert werden, jedoch können sie auf rechtliche Grundlage und durch Vorgaben eines Bebauungsplans nicht verhindert werden. So kann man z.B. den Bauherrn eines kleineren, eher unbedeutenden Bauvorhabens für das Stadtbild, wie am Strandbad Wallhausen, unter Druck setzen.
Unnütz ist wirklich der Hinweis von StR Venedey zur Gestaltung dieses Baukörpers in Wallhausen. Im gleichen werbenden Kommentar für diesen Beirat, erwähnt er eher belanglos die aktuelle Bausünde „Kompetenzzentrum“. An dieser, für jedermann gut sichtbaren städtebaulichen Bausünde ist zu erkennen, dass der Gestaltungsbeirat eben keine wichtigen städtebaulichen Konzepte mitgestalten kann und deshalb überflüssig ist.
Beratende Gremien, sollten egal ob in Firmen oder Kommunalpolitik in regelmässigen Abständen extern kontrolliert werden und auf Effizienz geprüft werden. Unter Umständen sollten auch die Kompetenzen erweitert werden da es sich schon um teure Experten handelt und die ein oder andere Eitelkeit von Bauherr, Dezernat und Architekt verhindert werden könnte. Viel wichtiger fände ich die direkte Bürgerbeteiligung bzw eine Stelle die sich mit Eingaben Vorschlägen Kritik ect beschäftigt und diese angemessen transportiert. Wenn ich mich nicht täusche wurde so eine Stelle im Wahlkampf versprochen.
„Als Beispiel sei das Strandbad in Wallhausen genannt. Statt einer stinklangweiligen Baracke steht dort jetzt ein tolles Gebäude, das ein Aushängeschild für Wallhausen ist.“
und auch die Pacht ist so günstig….:-), schon jemanden gefunden der das bezahlen will?
da frägt man sich doch wo war dieser Beirat für Architektur und Stadtgestaltung bei der Brücke am Lago, Begegnungszone usw…..
Herr Venedey
Das Gezerre um den Bau am Strandbad Wallhausen ist doch das beste Beispiel, wie der Beirat sich unnötig einmischt und am Ende alles verzögert. Und wer legt fest, was „architektonisch wertvoll“ ist? Der Bauherr? Der Architekt vom Bauherr? Der Gestaltungsbeirat? Der liebe Gott? Nur weil ein teurer Beirat in den Entwürfen anderer Architekten herumschmiert, soll das eine Rechtfertigung für seine Existenz sein? Und für was braucht Wallhausen ein Aushängeschild? Wem nützt das? Fahren jetzt Heerscharen von Leuten extra nach Wallhausen, stellen sich vor diese Würstchenbude und sagen: „Oh, was für ein prima Aushängeschild. Zum Glück gibt es hier einen Gestaltungsbeirat.“ Bitte mal wieder auf den Teppich kommen und etwas an die Stadtkasse denken, anstatt mit blumigen Worten ein überflüssiges Gremium zu beschwören.
Es ist schon richtig, dass der Gestaltungsbeirat nur beratenden Charakter hat, aber keine baurechtliche Befugnis. Aber man muss sich einmal die Ergebnisse dieser Beratungen im Vergleich zu den ersten eingereichten Entwürfen anschauen. Als Beispiel sei das Strandbad in Wallhausen genannt. Statt einer stinklangweiligen Baracke steht dort jetzt ein tolles Gebäude, das ein Aushängeschild für Wallhausen ist. Aber auch kleinere weniger spektakuläre Projekte wurden durch die externe Beratung jeweils deutlich verbessert. Das kann jeder an den veränderten Plänen ablesen, der sich um dieses Thema bemühen will. Und auch die beteiligten Bauherren/Architekten bestätigen das in den meisten Fällen und erkannten, dass ihre Bauvorhaben sich deutlich verbessern liessen zum Wohle aller Beteiligten: zu ihrem eigenen, zum Wohl der Nutzer/Mieter und zum Nutzen der Allgemeinheit, die ein qualitätsvolleres Stadtbild erhält. Aber es gibt auch Beispiele, wo sich der Gestaltungsbeirat nicht durchsetzen konnte, weil er eben keine rechtliche Handhabe hat oder noch nicht gehört wurde: Hofgarten V und das sogenannte Competence Center an der Reichenaustrasse- echte Schandflecken, die mehr oder weniger nach dem Gusto der Bauherren gebaut wurden oder wo man sich beratungsresistent gezeigt hatte sind Beispiele hierfür.
Der Gestaltungsbeirat in seiner heutigen Form ist eine der größten Errungenschaften der letzten Jahre im Hinblick auf Architektur, Stadtplanung und Denkmalschutz zum Vorteil der Nutzer, der Bauherrschaft und der Bevölkerung und ist damit jeden Cent wert, den er kostet.
Werden Bebauungsplan, die Landesbauordnung und sonstige Vorschriften beachtet, muss Baurecht ausgesprochen werden. Da gibt es keinen Ermessenspielraum. Das wäre ja Willkür. Der Gestaltungsbeirat soll empfehlenden Charakter haben. Wird aber das Wort des Gestaltungsbeirates als Weisung betrachtet, ist das reine Willkür. Fachleute machen die Planung und reichen den Antrag auf Genehmigung ein. In der Verwaltung sitzen Fachleute, die gemäß gültigem Recht über den Antrag entscheiden. Und dann sollen nochmal andere Fachleute ihren Senf dazugeben? Die 30000 Euro im Jahr kann Konstanz sich sparen. Der Gestaltungsbeirat ist ein Gremium, das sich für wichtig hält, aber völlig bedeutungslos ist und keine rechtliche Bedeutung hat. Abschaffen!
„Hat sich seit Einführung dieses(nicht gerade preiswerten und auswärtigen) Gremiums das Stadtbild positiv und im Sinne der Mehrheit der Bewohner/Innen verändert?“
das würde ich doch mal mit einem glatten NEIN beantworten….
Würde mich doch sehr interessieren, welche „architektonisch wertvollen“ Gebäude vom Gestaltungsrat und den Beisitzern durchgewunken worden sind. Viele gibt es ja in Konstanz wahrlich nicht, ist allerdings auch Geschmacksache. Dass vor allen Dingen unser Noch-Baubürgermeister einen ganz eigenen hat ist bekannt, auf grosse Begeisterung stoßen dessen Vorschläge und Umsetzungen in verschiedenen Bereichen allerdings bei vielen der „gemeinen“ Konstanzer Bürgern nicht gerade. Tja, da steht es nun 3 gegen 2 bei den beisitzenden Räten was den Sinn des Gestaltungsrats angeht. Frage ist doch: Hat sich seit Einführung dieses(nicht gerade preiswerten und auswärtigen) Gremiums das Stadtbild positiv und im Sinne der Mehrheit der Bewohner/Innen verändert? Und was macht es für einen Sinn, einen als Modell gelungenen Entwurf auszuwählen, wenn niemand dessen Umsetzung kontrolliert? Denn wie sonst kann es passieren, dass eine architektonische Missgeburt wie das sinnlose und immer noch fast leere Kompetenzzentrum das schon zuvor vollgepfropfte rechtsrheinische Ufer nun für immer verschandelt? Wie so oft in Konstanz: Keiner will´s gewesen sei, niemand fühlt sich verantwortlich und trotz der sichtbaren Verfehlung verläuft auch diese Geschichte wieder im Sande.