Ist die Verlegung der Linie 6 überflüssig?
(red) Vor 14 Tagen hat sich die Bürgergemeinschaft Petershausen gegen die Verlegung der Buslinie 6 aus der Markgrafen- in die Reichenaustraße ausgesprochen. Jetzt melden sich die Verkehrsverbände ADFC, FVMZ und VCD zu Wort. Sie halten die Verlegung schlichtweg für überflüssig und schlagen verschiedene Alternativen vor. Sie beklagen, dass hier RadfahrerInnen und ÖPNV gegeneinander ausgespielt und FußgängerInnen benachteiligt würden. Wir dokumentieren diese Erklärung in vollem Wortlaut.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Dr. Reuter
Die Verlegung der Linie 6 aus der Markgrafenstraße in die Reichenaustraße hat bereits zu einigem Unmut in der Bevölkerung geführt, insbesondere im betroffenen Quartier südlich der Bahnlinie. Wir meinen, zu Recht!
Die Sicherheit im Straßenverkehr ist ein sehr hohes Gut. Ebenso die Arbeitssicherheit des Fahrpersonals. Wenn diese offensichtlich nicht mehr gewährleistet sind, besteht Handlungsbedarf. Dabei sind alle Optionen zu prüfen und diejenige umzusetzen, die zu keiner erheblichen Verschlechterung für Verkehrsteilnehmer vor allem aus dem Umweltverbund führt.
Dies ist hier nicht geschehen. Vielmehr wurden die Langsamverkehre Fahrrad und ÖPNV gegeneinander ausgespielt und mit der Verlegung der Linie sowie Schließung zweier Bushaltestellen eine Lösung gewählt, die ausgerechnet auf Kosten der schwächsten Verkehrsteilnehmer, der Fußgänger, geht.
Zudem wurde damit gegen das Konstanzer Prinzip „Stadt der kurzen Wege“ verstoßen, indem die Entfernung zu den nun nächsten Haltestellen für viele Busnutzer um mindestens 200 m verlängert wurde.
Durch die Ausdünnung der Haltestellendichte in einem der am dichtesten besiedelten Stadtquartiere wird der Busverkehr erheblich unattraktiver, ein Verstoß gegen das Konstanzer Ziel, den sogenannten Modal Split deutlich Richtung ÖPNV zu verschieben. Dabei trifft es hier auch noch verstärkt ältere Bürgerinnen und Bürger, die mitunter in ihrer Mobilität zu Fuß eingeschränkt sind und nun den Bus oft gar nicht mehr nutzen können.
Die Maßnahme verstößt auch gegen § 4 des ÖPNV-Gesetzes Baden-Württemberg, Nr. 2, wonach die Linienführungen bedarfsgerecht (für die Nutzer) zu gestalten sind, sowie Nr. 8, wonach bei der Planung und Gestaltung des Verkehrsangebots im ÖPNV die Belange von Familien mit Kindern, Frauen und Mobilitätseingeschränkten besonders berücksichtigt werden sollen.
Dabei sind diese Verstöße ohne Not erfolgt, denn es gibt durchaus Alternativen zur Linienverlegung, die technischer, baulicher oder kommunikativ-aufklärender Natur sein können. Nur beispielhaft (professionelle Verkehrsplaner finden sicher noch viele weitere) seien hier ein paar Möglichkeiten genannt:
Technisch: die Fußgängerbedarfsampel in der Petershauser Straße kann z.B. so umgerüstet werden, dass herannahende Busse sich die Vorfahrt zum Abbiegen freischalten können, indem sie die Ampel für die anderen Verkehrsteilnehmer per Funk auf Rot stellen. Vorübergehend können auch Busse eingesetzt werden, die weniger stark ausschwenken.
Baulich: der Ebertplatz kann im Bereich der östlichen Ampelanlage durch Entfernung des nicht mehr benötigten Radüberwegs sowie Verbreiterung der Fahrbahnfläche im Bereich der Einbiegung in die Petershauser Straße so verändert werden, dass Busse beim Aus- und Einfahren der Petershauser Straße weitaus weniger, wenn überhaupt, ausschwenken müssen. Auch die Aus-/Einfahrt der Markgrafenstraße kann für Busse besser fahrbar gemacht werden. Gefährliche Bereiche in der Markgrafenstraße können baulich entschärft werden, auch wenn dabei ggf. der eine oder andere PKW-Stellplatz entfällt.
Kommunikativ-aufklärend: die neue Situation mit der Fahrradstraße ist noch sehr jung, alle Verkehrsteilnehmer müssen immer noch lernen, korrekt mit den neuen Gegebenheiten umzugehen. Dabei brauchen sie Hilfestellung, beispielsweise durch das Aufstellen von Gefahrenwarnschildern (Vorsicht, Bus schwenkt aus!, Abbiegenden Bussen bitte Vorfahrt gewähren!, Vorsicht, geänderte Ampelschaltung! etc.). Wer trotz dieser Hinweise immer noch gegen die Straßenverkehrsordnung verstößt, muss mit Konsequenzen rechnen, d.h. über einen längeren Zeitraum müssen in diesem Bereich Polizeikontrollen mit entsprechenden Ahndungen erfolgen. Es darf nicht sein, dass diejenigen, die Regelverstöße begehen, die Konstanzer Verkehrspolitik bestimmen.
Kurz, es gibt zahlreiche Alternativen zur Buslinienverlegung, die nach unserer Überzeugung eindeutig Vorrang haben müssen. Denn, wenn ein gutes Miteinander aller Verkehrsteilnehmer in unserer Stadt nicht möglich ist, bzw. die Voraussetzungen dafür nicht geschaffen werden, ist die Konstanzer Verkehrspolitik gescheitert.
Wir bitten Sie deshalb, die Verlegung der Linie 6 rückgängig zu machen und die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer einschließlich der Busfahrer durch andere Maßnahmen, wie z. B. die hier nur angeschnittenen, zu gewährleisten.
Vielen Dank,
mit freundlichen Grüßen
Ralf Seuffert (ADFC), Dr. Jürgen Ruff (FVMZ), Bernhard Wittlinger (VCD)
MM (Symbolbild: ADFC)
Die Erklärung der Bürgergemeinschaft Petershausen finden Sie hier.