„Jeder Mensch braucht eine Höhle“
Die beliebte „Tanke“ in Radolfzell wird geschlossen und auch die „Räuberhöhle“ in Ravensburg kämpft ums Überleben. Die alternative Beiz ist mittlerweile eine der bekanntesten Kneipen in Süddeutschland. Mit dazu beigetragen hat der vor vier Jahren gegründete Verein „Freunde der Räuberhöhle 2012“. Mittlerweile gehört er mit über 700 Mitgliedern zu den größten Vereinen in Ravensburg. Ziel des Vereins ist es, die Gaststätte Räuberhöhle als Kulturdenkmal in der jetzigen Form zu erhalten.
Die „Höhle“ ist eine Institution, die soziale wie kulturelle Aufgaben erfüllt. Für viele Gäste ist sie nicht nur ein Treffpunkt zum Gedankenaustausch, vielmehr ist sie eine „Heimat“ und diese Heimat soll nicht verloren gehen. Aber genau diese Heimat ist seit über fünf Jahren extrem bedroht. Der Besitzer, die Bürgerliche Brauhaus Ravensburg-Lindau AG, an der der Geschäftsführer Lorenz Schlechter mit 94,5 Prozent beteiligt ist, will die Räuberhöhle zu einem Nobelschuppen umbauen. Doch der Widerstand gegen diese Pläne wächst.
Rührige Räuber kämpfen mit Ideenreichtum gegen die Schließung
In den letzten Jahren hat der Höhlen-Verein durch zahlreiche Veranstaltungen, Konzerte, Ausstellungen und Aktionen verstärkt auf sich aufmerksam gemacht. So besuchten alleine vergangenen September, bei der diesjährigen Ravensburger Kunstnacht, über 1400 Besucher die Räumlichkeiten über der Gaststätte Räuberhöhle, die von zwanzig lokalen Künstlern bespielt wurden und zum ersten Mal für die Öffentlichkeit frei zugänglich waren. Im September 2017 ist, in Kooperation mit dem Schneelaufverein Ravensburg, das erste Räuberhöhlen-Mülleimerrennen geplant. Die rührigen Räuber erwarten mehrere tausend Schaulustige und arbeiten auch schon am Rahmenprogramm.
Andere Ideen haben die aufmüpfigen Räuber in den vergangenen Jahren längst umgesetzt: Sie bieten eigene Postkarten mit dazugehörigen Sonderstempeln an und haben auch einen „Höhlen-Chor“ aus der Taufe gehoben. Dazu gibt es eine eigene Rock´n Roll-Hausband „Bub and the Bubbles“ mit einer selbstkomponierten Räuberhöhlenhymne, einen kunst-besetzten, mittlerweile denkmal-geschützten Torbogen, natürlich auch einen Behindertenstammtisch und vieles mehr, was die Höhle von anderen Gaststätten unterscheidet. Die RäuberInnen mischen sich auch vor Ort politisch ein und riefen im Frühjahr 2016 zu einem fantasievollen Flashmob gegen eine AfD-Veranstaltung auf, an dem sich mehr als 300 Menschen beteiligten.
Niedecken (BAP) ist Preisträger
Einen ganz besonderen Preis verleiht die Räuberhöhle mittlerweile schon zum dritten Mal. Den bundesweit einzigen Widerstandspreis. Bei diesem handelt es sich um einen geräuberten, sprich geklauten Preis. Im Jahr 2010 wurde dieser von Rechtsradikalen an Rechtsradikale verliehen, zum Beispiel den Verantwortlichen für den Naziaufmarsch in Dresden. Danach schlief bei den Rechten der Preis ein und die Räuberhöhle hat ihn sich unter den Nagel gerissen.
So wurde aus dem Nazipreis ein freiheitlich, antifaschistisch geprägter Preis, der mit 500 Euro honoriert wird. Erhalten hat ihn bereits Edward Snowden und ein Jahr später die Gruppierung „Wunsiedel ist bunt – nicht braun“. In diesem Jahr geht der Widerstandspreis an den Kopf der Kölner Band BAP, Wolfgang Niedecken. Er wird für sein Lebenswerk ausgezeichnet, da er immer konsequent gegen Rechtsradikalismus eingestanden ist.
Gaststätte als Gesamtkunstwerk
Der Verein „Freunde der Räuberhöhle 2012“ kooperiert zwischenzeitlich mit zahlreichen anderen Vereinen in der Region. Die meisten Ravensburger, die Verwaltung und der Gemeinderat eingeschlossen, sind längst davon überzeugt, dass die Gaststätte Räuberhöhle in der jetzigen Form ein schützenswertes Kulturgut mit Alleinstellungsmerkmal in Oberschwaben ist.
Sie stellt mit ihren Gästen und den besonderen sozialen Strukturen ein real existierendes Gesamtkunstwerk dar, eine Art Museum mit sehr viel Puls und Energie. Es gibt heutzutage so gut wie keine Gaststätten in deutschen Städten mehr, in denen das Publikum derart gemischt ist: Übergreifend über Generationen und Nationen, bildungsübergreifend, kultur-, sozial- und ökonomisch übergreifend.
Um die Gaststätte Räuberhöhle weiterhin zu erhalten und eine Kaputtsanierung durch den Besitzer abzuwenden, ist der Verein auch zukünftig auf seine bisherigen und auch neu dazukommenden Mitglieder angewiesen. Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt 11 Euro, für ökonomisch schwache Menschen lediglich 5,50 Euro. 11 Euro deshalb, weil die Räuberhöhle den offiziellen Namen „Burgschenke zu den 11 Räubern“ trägt. Bei der Gründung der Räuberhöhle im Jahr 1861 waren genau diese 11 Räuber nachweislich subversive Widerständler und Freidenker, deren Gene sich erfreulicherweise bis in die heutigen Tage erhalten haben.
Made Höld
Weitere Informationen zum Verein „Freunde der Räuberhöhle 2012“ gibt es auf der Homepage www.freundederraeuberhoehle.de.