„Jetzt gibt es keinen Hunger mehr in Venezuela“

Die Veranstaltung war ein voller Erfolg. Knapp 70 BesucherInnen füllten den Nebenraum des Hotels „Barbarossa“ bis auf den letzten Platz und lauschten dem Vortrag von Dr. Carolus Wimmer, der auf Einladung der Partei Die Linke und der DKP über Venezuela referierte. Wimmer, Vizepräsident des Lateinamerikanischen Parlaments in Panama und Internationaler Sekretär der KP Venezuelas, verwies auf einige erfreuliche Entwicklungen, die der kürzlich verstorbene Präsident Hugo Chávez mit voran getrieben hat

Als da sind: Die erfolgreiche Bekämpfung des Hungers im Land; die zunehmende Vernetzung und Kooperation mit den Nachbarstaaten; Fortschritte im Gesundheits- und Bildungswesen und das Bemühen, die internationalen Beziehungen zu verbessern und weiter auszubauen. Offen benannte der Referent aber auch die Schwierigkeiten, unter denen das Land zu leiden hat: Die immer noch existierende Korruption in Venezuela, die Macht der Drogenkartelle und die Putschgefahr von rechts, die ständig droht.

Tote nach Wahlkampf

Nach dem knappen Wahlerfolg der revolutionären Kräfte im April kam es zu massiven Ausschreitungen: Mehrere Büros der Sozialisten wurden von Rechtsradikalen angezündet, sowie auch Krankenhäuser, in denen vor allem kubanische Ärzte arbeiten. Es gab Tote und Verletzte. Dennoch ist für Carolus Wimmer klar: „Wir gehen unseren Weg zum Sozialismus weiter“. Aber er weiß natürlich auch: „Wir stehen erst am Anfang und haben noch sehr viel zu tun“. Oft verwendet er dabei den Begriff „partizipative Demokratie“, die es zu stärken gilt. Die letzten Wahlen sind weitgehend ordnungsgemäß abgelaufen und alle europäischen Staaten haben die neu gewählte Regierung mittlerweile anerkannt. Im Gegensatz zu den USA. Wimmer kann sich dazu einen deutlichen Hinweis nicht verkneifen: „Wenn sich Obamas Regierung Erdöl aus Saudi-Arabien liefern lässt, sind die Tanker rund drei Wochen unterwegs – von uns aus sind es nur vier Tage“. Noch Fragen?

Macht der Medien

Ruhig und sachlich trug der gebürtige Münchner vor, der auch einige Jahre in Konstanz verbracht hat. Sympathisch unaufgeregt seine Bitte zu Beginn: „Sie müssen mir nicht alles glauben, ich bin schon zufrieden, wenn Sie mir zuhören“. Wimmer verwies auch auf die Macht der Medien und darauf, wie wenig Substantielles in den europäischen Blättern über die sozialen und politischen Neuerungen in Venezuela zu lesen sei. „Für die meisten war Hugo Chávez ein verrückter Diktator und dementsprechend dumm und interessengesteuert fielen die Berichte dann auch aus“.

Dabei, so Wimmer anschließend in einem größeren Gesprächskreis, hat sich viel getan. Zum Beispiel in der Gesundheitspolitik: Wer früher krank war, aber kein Geld hatte, um die Behandlungskosten zu bezahlen, fand keine Hilfe. Heute ist die Gesundheitsversorgung gratis, auch mit Unterstützung vieler Ärzte aus dem befreundeten Kuba. In Ganztagsschulen werden Kinder betreut und die Alphabetisierungskampagnen im ganzen Land tragen Früchte. Seit einiger Zeit gibt es auch eine Rente für Hausfrauen, so wie die Rechte der Frauen insgesamt unter Chávez enorm gestärkt wurden.

Geschäftsbank für Frauen

„Die Frauen in Venezuela“, erklärt Wimmer, „sind bei uns zu einer ganz wichtigen Bewegung geworden, ohne sie gäbe es keinen Fortschritt und auch keinen Umbau der Gesellschaft“. Nur ein Beispiel dazu: Eine Frauenbank wurde gegründet, die günstige Kredite nur an Frauen vergibt, die sich eine eigene Existenz aufbauen wollen. Ein Modell, das sich landesweit durchsetzt und als Vorbild für ganz Lateinamerika gilt. Das allerdings, wie auch andere Neuerungen, nehmen unsere Medien nicht zur Kenntnis. Kein Wunder, dass auch die örtliche Tageszeitung keinerlei Interesse zeigte, eine Einladung für einen Pressetermin mit Carolus Wimmer wahrzunehmen. Sie hätten einiges erfahren können, was in einem Land, das sich anschickt, trotz aller Schwierigkeiten, die teilweise hausgemacht sind, einen demokratisch-sozialistischen Weg zu gehen, tatsächlich passiert.

Städtepartnerschaft mit Konstanz?

Carolus Wimmer zog anschließend weiter nach Bern, dann nach Chiasso. Auch dort hält er Vorträge und knüpft weiter an seinem internationalen Beziehungsnetz. Mag sein, dass er auch bald wieder in Konstanz auftaucht. Nicht nur einiger Freunde wegen, die er hier aus Schulzeiten noch hat. Denn es gibt Bestrebungen, eine Städtepartnerschaft zwischen Konstanz und einer venezolanischen Stadt zumindest anzudenken. Denn Anknüpfungspunkte, das ergab ein Gespräch mit der zuständigen Stelle in der Konstanzer Verwaltung, gibt es genug. Ein noch zartes Pflänzchen, dass es zu begießen gilt. Wir werden berichten.

Autor: hr