Junge Rechte rüsten auf
Die „Identitäre Bewegung“ (IB), eine rasch wachsende Gruppierung mit rechtsextremistischer Ideologie, hat in den vergangenen Monaten mit mehreren Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Unter anderem mischten sie sich in Fasnachtsumzüge, auch in Konstanz. Die Verhüllung der Imperia geht ebenfalls auf ihr Konto. Einer ihrer vermeintlichen Drahtzieher ist in Wollmatingen gemeldet und gilt vor Ort als Mitorganisator der rechten Umtriebe.
Sie sind meist jung, geben sich hip, locker und spontan, sind durchaus gebildet und verstehen sich als jugendliche Speerspitze derer, für die alles Fremde grundsätzlich von Übel ist. Sie schwadronieren von der „Vernichtung der europäischen Rasse“ und warnen vor einer „Vermischung der Völker“, die zwangsläufig zu deren Untergang führe. Ihr Hintergrund ist eindeutig völkisch-nationalistisch, angereichert mit brauner Heimattümelei – und sie sind mittlerweile auch europaweit bestens vernetzt, vor allem Richtung Frankreich, Österreich, Italien und in die benachbarte Schweiz. Seit etwa drei Jahren sind IB-Aktivitäten auch vermehrt in Konstanz zu verzeichnen: Eine Spruchbandenthüllung an der Neuen Rheinbrücke: „IB Konstanz – werde aktiv“, eine auf dem Einkaufszentrum Lago, dazu tauchten IB-Flugblätter an der Uni und in einigen Stadtteilen auf.
Volksverhetzung?
Im Oktober 2017 verhüllten IB-Mitglieder die Imperia am Konstanzer Hafen mit einem riesigen schwarzen Tuch, das an eine Burka erinnern sollte. Die hinterlassene Botschaft war eindeutig: „Aus meinem Schoß gedeih`/ Europas neue Tyrannei“. Fast gleichzeitig tauchten Bilder davon in den sozialen Netzwerken auf und die IB bekannte sich ganz offen zu dieser Aktion. Noch immer ermitteln die Behörden gegen Unbekannt. Ob der Vorgang den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt? „Das wird schwierig“, erklärt Bernd Schmidt, Pressesprecher der Konstanzer Polizei auf seemoz-Nachfrage, denn der Vorfall sei juristisch nicht klar einzugrenzen.
Vor wenigen Wochen nahmen IB-Aktivisten auch am Konstanzer Fasnachtsumzug teil. Etwa zehn kostümierte Personen tummelten sich zwischen knapp 15 000 Narren und auf einem ihrem Transparente war zu lesen: „Die bunte Republik – Das große Kotzen“. Ein Auftritt, den Stefan Bröker und Mario Böhler, beide Mitorganisatoren des Umzugs, bedauern. „Natürlich wollen wir“, so Böhler, „rechtsradikalen Bewegungen keine Plattform bieten“. Doch sei man nicht in der Lage und auch nicht willens, alle am Umzug beteiligten Gruppen vorab einer Gesinnungsüberprüfung zu unterziehen. Man kooperiere aber, so Bröker, mit der Polizei, „und somit konnten wir hoffentlich zur Aufklärung des Falls und zum anderen natürlich auch zur Prävention (in Bezug auf zukünftige Fasnachtsveranstaltungen) beitragen“.
Heimatverein?
Wer den fasnächtlichen Aufmarsch der Identitären Bewegung angemeldet hat, ist zumindest den Konstanzer Narrenfürsten klar. Sie haben dessen Adresse und Namen, wollen ihn aber nicht preis geben, denn das, sagen sie, sei Sache der Ermittlungsbehörden. Nach seemoz-Recherchen handelt es sich dabei um einen Konstanzer Bürger aus dem Stadtteil Wollmatingen. Er gründete eine Art Heimatverein, den er am 3.11.2017 im Vereinsregister beim Amtsgericht Freiburg im Breisgau als e.V. eintragen ließ. Die Friedrichshafener Staatsschutzabteilung hat den Mann im Fokus, will aber aus „ermittlungstaktischen Gründen“ keine weiteren Informationen herausgeben. Eines aber sei sicher: „Die Hauptaktivitäten der Identitären Bewegung (am Bodensee, Anm.d.Red) finden im Kreis Konstanz statt“. Mittlerweile werden IB-“Stammtische“ u.a. auch in Friedrichshafen, Ravensburg und Konstanz angeboten und erfahren offensichtlich, vor allem in Konstanz, verstärkt Zulauf.
Die vergangenen IB-Aktionen waren für die Linke Liste bei der letzten Gemeinderatssitzung Anlass genug, CDU-Oberbürgermeister Uli Burchardt anzufragen, wie er zu dem Thema stünde und ob die Stadt eventuell Gegenmaßnahmen ergreifen wolle. „Der blöde Zwischenfall“, erwiderte Burchardt knapp und sichtlich genervt, habe „keine Prio Eins“ und sei auch „kein Konstanzer Problem“.
H. Reile
Vielleicht sollte sich der OB mal mit den historischen Erkenntnissen seines Vaters beschäftigen. „Blöde Zwischenfälle“ und wenig bis kein Problembewusstsein gab es mehrfach in der deutschen Geschichte.