Jusos für Mitgliederbefragung und Doppelspitze

Das Befinden der sozialdemokratischen Basis als verunsichert zu beschreiben, wäre vermut­lich die Untertreibung des Jahres. In einer Partei, die auf allen Ebenen Niederlage auf Niederlage aneinanderreiht, muss ja gewaltig Feuer unter dem Dach sein. Das ist auch der Stellungnahme der Kreis-Jusos anzumerken, die wir im Folgenden dokumen­tieren. Der Konstanzer Parteinachwuchs findet darin kritische Worte über den Zustand der SPD, die zu einer „Kompromisspartei verkommen“ sei. Ob allerdings die in Aussicht gestellte Basis­beteiligung bei der Wahl der Parteispitze ausreicht, das Ruder herum­zu­reißen, darf doch bezweifelt werden. Die Mitteilung im Wortlaut:

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„Der Juso-Kreisverband Konstanz begrüßt den Entschluss der kommissarischen SPD-Führung die zukünftige Parteispitze per Mitgliederbefragung zu bestimmen. Die Entscheidung schon wie bei dem Wiedereinstieg in die Große Koalition die Parteibasis zu befragen, könnte der erste Anstoß zur Reformierung der Altpartei sein. Abzuwarten bleibt, ob dieser Erneuerungsprozess nach den Stimmverlusten bei Kommunal- und Europawahlen weitergeführt wird und alle Ebenen der Partei, vom Bund zu den Ortsverbänden erreichen wird. Die Politik im Willy-Brandt-Haus hat augenscheinlich weitgehende Auswirkungen auf die Situation vor Ort. „Es ist deprimierend, wenn man überzeugende Arbeit vor Ort leistet und im Kommunalwahlkampf trotzdem immer hört, dass man nicht gewählt wird. Fragt man nach werden nie Kritikpunkte an der Politik in der Kommune, sondern immer nur an der Bundespolitik geäußert. Die Menschen wollen keine SPD mehr, die zu einer Kompromisspartei verkommen ist.“, so David Martin, Vorstand der Jusos Konstanz. Da wundert es nicht, dass die Landesdelegiertenkonferenz der Jusos Baden-Württemberg am Wochenende in Sindelfingen mit großer Mehrheit für eine Resolution entschieden hat, die den Austritt der Partei aus der Großen Koalition fordert.

Ob die Partei dieser Aufforderung nun folgt oder nicht, es herrschen brisante Zeiten und die Zukunft der SPD wird entscheidend von ihrem neuen Parteivorstand abhängen. Das erste Mal in der Geschichte der Partei soll es nun die Möglichkeit für eine Doppelspitze geben – ein Modell das bereits Bündnis 90/Die Grünen anwenden. Die Bewerber*innen sollen sich auf Regionalkonferenzen vorstellen und von der Basis gewählt werden. „Wir begrüßen, dass die Parteispitze bei dieser Entscheidung die Mitglieder mit einbeziehen möchte. Es ist an der Zeit, auch den Leuten vor Ort eine Stimme zu geben und sie mitzunehmen. Sonst läuft man besonders als junge Person schnell die Gefahr, überhört zu werden. Dieses Prinzip muss auch zukünftig hochgehalten und umgesetzt werden, damit die SPD ihr ganzes Potential ausnutzen kann.“, so Christoph Heetsch, Vorsitzender des Juso-Kreisverbands Konstanz.

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Der Prozess des Einbeziehens begann bereits im Vorfeld dieser Ankündigung, als die Parteispitze eine Mitgliederbefragung startete. In dieser ging es darum, wie der nächste Parteivorstand bestimmt werden sollte. Die SPD lebt je her vom Engagement ihrer Mitglieder, wie diese sich von der Parteispitze ernstgenommen fühlen wird ausschlaggebend für die Zukunft der Partei sein.“

MM/jüg (Das Foto zeigt den Konstanzer KV-Vorsitzenden Christoph Heetsch bei der Juso-Landesdelegiertenkonferenz Baden-Württemberg am vergangenen Wochenende; © Jusos Konstanz)


Kommentar

Ja was denn nun, liebe Konstanzer Jusos? Wir wissen jetzt, dass ihr es toll findet, wenn auch die Parteibasis am Zustandekommen der händeringend gesuchten neuen Führungsspitze beteiligt ist. Aber glaubt ihr allen Ernstes, eine solche organisatorische Übung, die im Übrigen bei der politischen Konkurrenz ein reichlich alter Hut ist, reicht aus, um euch aus der seit Jahrzehnten gewachsenen Malaise zu retten? Nein – um eine Klärung der Grundsatzfrage, wohin die politische Reise gehen soll, kommt die SPD nicht herum, und auch ihr nicht. Seid ihr nun dafür oder – wie auf Landesebene beschlossen – dagegen, dass eure Mutterpartei in der GroKo weiter den Mehrheitsbeschaffer für neoliberale Unappetitlichkeiten sozialer und klimapolitischer Art gibt? Und wie stellt ihr euch denn die angesprochene „Reformierung der Altpartei“ eigentlich vor? Ein Hinweis: War es nicht euer eigener Bundesvorsitzender, der diesbezüglich – Stichwort: Vergesellschaftung von Produktionsmitteln – kürzlich einige ziemlich gute Ideen hatte? Ich frag‘ ja nur.

Jürgen Geiger