KandidatInnen, Wirrköpfe und Zeiträuber im Konzil

Trotz fast schon tropischer Temperaturen und idealen Biergartenwetters strömten über 1000 Interessierte ins Konstanzer Konzil, um die KandidatInnen in Augenschein zu nehmen, die Noch-OB Horst Frank beerben möchten. Geduldig lauschten sie über zwei Stunden den Ausführungen der BewerberInnen, auch wenn nicht viel Neues zu vernehmen war. Hier eine durch und durch subjektive Nachbetrachtung.

Die grüne OB-Kandidatin Sabine Seeliger spulte ihr Programm souverän ab. Sie war auch die einzige, die über die gesamte Redezeit von zehn Minuten frei sprach, ohne dabei ins Schwimmen zu kommen. Engagiert und gewohnt sachkundig umriss sie ihr Verkehrskonzept „Park & Ride mit kostenlosen Bussen in die Innenstadt“, plädierte für eine „indirekte City-Maut“ (wich damit wohl aus wahlkampftaktischen Gründen von ihrer einstigen Forderung der klassischen City-Maut ab), schlug aber auch vor, sollte diese Maßnahme „am Ende des ersten Jahres weiterhin umstritten sein“, die Bürger darüber abstimmen zu lassen. Ein cleverer Schachzug, um den Gegnern ihrer verkehrspolitischen Vorhaben etwas Wind aus den aufgeregten Segeln zu nehmen. Das gelang ihr weitgehend, wie auch der Applaus der Anwesenden zeigte. Ihre sonstigen Ziele, denen sie sich als Oberbürgermeisterin verpflichtet fühlt, sind weitgehend bekannt: Die kommunale Energiewende, mehr studentischen und sozialen Wohnungsbau und frühe Bürgerbeteiligung, dazu die Bewahrung der Konstanzer Kultureinrichtungen.

Sabine Reiser (CDU) wirkte müde und – wie meistens bei ihren Auftritten – etwas pastoral im Ton. Der Wahlkampf, den sie seit rund sieben Wochen führt, geht wohl an die Substanz. Reiser versuchte damit zu punkten, dass sie beim Regierungspräsidium Stuttgart ständig mit „über 300 Kommunen und über 500 Bürgermeistern“ in Kontakt sei und dieses Netzwerk auch für Konstanz nur Vorteile bringe, wenn man sie zur Oberbürgermeisterin wähle. „Ich bin“, so ihre Überzeugung, „eine gute Wahl für Konstanz und bringe das notwendige handwerkliche Rüstzeug mit“. Wer würde schon das Gegenteil von sich behaupten? Neue Unternehmen möchte sie in die Stadt holen und „Ansprechpartnerin für Investoren“ sein. Auch das ist wohl eine Grundvoraussetzung für jeden Verwaltungschef. Die City-Maut lehnt sie als „Zwangsabgabe“ ab, ansonsten las sie das vom Blatt ab, was auch auf ihrer Website steht. Aufhören sollte sie aber, ständig das Märchen zu erzählen, sie habe sich „bewusst“ von keiner Partei aufstellen lassen. Diese bemühte Unabhängigkeit nervt und wird auch nicht wahrer, wenn man sie laufend wiederholt. Dennoch warmer Applaus, die KonstanzerInnen im Saal sind freundlich gestimmt.

Dann Thomas Linz, der sichtlich aufgeregt mit seinem Text kämpfte. Ein netter und harmloser Zeitgenosse, der zusammen getragen hat, was schon irgendwo anders zu lesen und zu hören war. Das kommunalpolitische Wunschkonzert eines überwiegend Ahnungslosen wurde geduldig zur Kenntnis genommen. Linz war froh und unendlich erleichtert, als die zehn Minuten endlich vorbei waren, nahm wieder Platz und lächelte fortan glücklich in das weite Rund.

Rechtsanwalt Mykola Neumann hatte wohl den Soundcheck im Vorfeld verpasst. Der Kandidat sprach undeutlich und war vor allem in den hinteren Reihen kaum zu verstehen. Mehrmals geäußerten Bitten, doch lauter zu sprechen, kam er nicht nach. Auch er wolle „mehr Bürgerbeteiligung“ und „bezahlbaren Wohnraum“. Wer nicht? Neumann möchte Betriebe nach Konstanz locken und fühlt sich „als 48-jähriger reif genug“ für das Amt des Oberbürgermeisters. Das überzeugt.

Kandidatin Sylvia Grossmann, „ich bin politisch unabhängig und keine politische Karrierefrau“, gab sich an diesem Abend ungewohnt friedfertig und sparte sich ausnahmsweise mal persönliche Attacken gegen MitbewerberInnen. Sie möchte den Tourismus stärken, bezeichnet den Münsterplatz und das Centrotherm-Gebäude am Seerhein als „bauliche Fehlleistungen“ und will „kein Parkhaus am Döbele“. Für das bevorstehende Konziljubiläum stünde sie, die Stadtführerin, als „Botschafterin“ bereit. Erstaunlich ihre Aussage über den ins Stocken gekommenen Ausbau der B 33. Aus ökologischen Gründen lehne sie diesen eigentlich ab, findet es aber schade, dass sie (die B 33) „bis zum Konziljubiläum 2014 nicht fertig ist“. Aha.

Den ersten Knaller lieferte Klaus Springer, ein vagabundierender Dauerkandidat im Lande. Desolater kann eine Vorstellung nicht sein. Das CDU-Mitglied (nehmen die mittlerweile jeden?), erzählte groben Unfug, an dessen Ende eine volksverhetzende Aussage stand. Wäre er Oberbürgermeister, stünde die Stadt allen Besuchern offen, mit einer Ausnahme: „Lieber die Schweizer als die Polen“. Man kann nur hoffen, dass dieser wirre Zeiträuber ab sofort einen großen Bogen um Konstanz macht.

OB-Bewerber Martin Luithle sprach sich dafür aus, mehr mit den Schweizer Nachbarn zu kooperieren, um gemeinsame Probleme (Verkehr) auch gemeinsam zu lösen. Öfter bezeichnete er unsere Region als „Großstadt Bodensee“, die doch mehr verbinde als trenne. Das Konziljubiläum in Konstanz sieht er als „Chance“, die Stadt wieder als Zentrum Europas zu begreifen. Eine Konzerthalle will er bauen. Über den Standort und die Finanzierung wollte er sich noch nicht konkret äußern.

Der SPD-Kandidat Sven Zylla kommt langsam aus den Startlöchern. War sein Auftritt bei der Wohnraumdebatte doch sehr bescheiden, konnte er diesmal punkten. Er wirkte frisch und locker, verspricht mehr Dialog mit der Jugend, hält das Glasverbot am Ufer für überflüssig und ging als einziger auf dem Podium auf das Thema Krankenhaus ein. Allen anderen war das keine Silbe wert. Vorbehaltlos unterstützt er eine gemeinsame Kreislösung. In Verkehrsfragen fordert er ein „Gesamtkonzept“, und für ein Konzerthaus müsse man sich umgehend nach einem geeignetem Platz umschauen. Hatten wir das nicht schon mal?, fragten sich da nicht wenige im Saal. Etwas anbiedernd sein Vortrag des fasnächtlichen Gassenhauers vom Vögele-Beck. Das krampfhafte Bemühen um seealemannisches Wir-Gefühl kann auch schnell daneben gehen. Ansonsten eine passable Präsentation des Kandidaten, die auch mit viel Applaus bedacht wurde.

Da wollte Henning Tartsch nicht nachstehen. Er sei ein echtes „Konstanzer Frichtle“, erklärte der gebürtige Franke vollmundig und sogar ein „Viertelesschlotzer“. Bescheidenheit ist dem Manne gänzlich fremd: „Ich habe ein ganzheitliches Konzept“, „Ich bin die richtige Wahl“, „Ich bin die Alternative“, „Ich will Konstanz aufwecken“. Bei der Wahl vor 16 Jahren habe man schon einmal „in einen grünen Apfel gebissen“ und kurz darauf sei „die Stadt eingeschlafen“. Der Kandidat hat wohl was gegen frisches Obst. Es hätte niemanden gewundert, wenn Tartsch, der Werbemann, nach Abschluss seines Vortrags zum Kauf eines neuen Staubsaugers aufgerufen hätte.

Lange musste er warten, bis er endlich an der Reihe war. Uli Burchardt, (CDU), unterstützt von Teilen seiner Partei, aber auch von FDP- und FWG-Anhängern. Sein Motto: „Uli Burchardt – Echt Konstanz“. Er sei ein „politischer Mensch, aber kein Politiker“. Nur einmal wolle er für ein politisches Amt kandidieren, und zwar jetzt. Trotz Parteibuchs und Mitwerkelns im CDU-Wirtschaftsrat sei er „völlig unabhängig“. Nicht uninteressant sein Vorschlag, er würde als OB die Abteilungen Stadtmarketing und Tourist-Information bündeln, um zielgerechter vorgehen zu können. Das würde durchaus Sinn machen. Burchardt, „Förster und Manager mit grünem Background“, will es aber nicht allzu grün treiben, trotz seiner Mitgliedschaft bei der globalisierungskritischen Initiative attac. Des smarten Burchardts Credo Richtung Blech, Stau und Gestank: „Wir brauchen derzeit noch Autos, Verkehr und die B 33“.

Über Liebe und Glück reden wollte Roman Urban, der Kandidat von der Insel Reichenau. Der Esoteriker mit bräunlicher Grundüberzeugung laberte verworren vor sich hin und zerriss einen 50-Euro-Schein, um damit dem schnöden Mammon seine ganze Verachtung zu zeigen. Das war dann sogar dem Publikum zuviel, „Aufhören“-Rufe schwollen an. Zum Glück war die Zeit des Kandidaten abgelaufen, denn zum Ende seines Vortrags wollte er eben schnurstracks Richtung Antisemitismus einbiegen. Als Berufsbezeichnung gibt Urban „Ayurveda-Berater“ an. Der Konzern sollte umgehend reagieren und seine Beraterliste kritisch durchleuchten.

Andreas Kaltenbach, ebenfalls mit einem CDU-Parteibuch ausgestattet, möchte als OB „moderieren und überzeugen“. Eine löbliche Absicht. Zuviel sei in Konstanz immer wieder „zerredet“ worden. Die Verwaltung müsse „verschlankt“ werden, für „Bürgerforen“ wolle er sich einsetzen. Eine City-Maut, egal in welcher Form, fegt er vom Tisch, auf das Döbele gehöre ein Parkhaus und der Ausbau der B 33 hätte bei ihm oberste Priorität.

Ganz zum Schluß ergriff Benno Buchczyk das Wort. „Mein Name ist Benno, Benno Buchczyk“. Er würde von den Piraten unterstützt, bezeichnet sich aber auch als „unabhängig“. Schon wieder einer, irgendwo muss in Konstanz ein Nest sein. Benno hat viel geredet, aber nur sehr wenig gesagt. Meine Aufzeichnungen wollen so gar nichts hergeben. Die Leute sollten wählen gehen, meint der Benno. Warum er sich bewerbe, habe er sich im Vorfeld gefragt. „Ich kann das“. Sagt der Benno. Ob wir uns davon wirklich überzeugen lassen sollen?

Autor: Holger Reile