Kein Schulterschluss gegen die AfD
Die demokratischen Parteien im Wahlkreis Singen-Stockach finden nicht zu einer gemeinsamen klaren Abgrenzung gegenüber der AfD. Franz Segbers, der dort für die Partei Die Linke antritt, hatte die KandidatInnen von CDU, FDP, Grünen und SPD zur Unterzeichnung einer gegen die Rechtspartei gerichteten „Singener Erklärung“ eingeladen.
Für Entsetzen sorgte bei der letzten Landtagswahl die große Zustimmung beim Wahlvolk für die AfD. Im Singener Wahlkreis erzielte die Rechtspartei mit 15,7 Prozent einen besonders hohen Wert, in der Stadt Singen kam sie gar auf 20,2 Prozent. Der Linke-Kandidat Segbers hatte im Dezember deswegen die WahlkonkurrentInnen dazu eingeladen, eine gemeinsame Erklärung gegen „Rechtsradikalismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ zu unterzeichnen. Die KandidatInnen sollten sich verpflichten, „keine Zusammenarbeit in irgendeiner Weise mit der rassistischen und rechtsradikalen Partei AfD“ einzugehen. Sie täusche die Wählerinnen und Wähler, indem sie sich ein „bürgerlich-konservatives Mäntelchen“ umlege. Dadurch sei sie eine Gefahr für die Demokratie, heißt es in der Erklärung.
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Der Aufforderung zum Schulterschluss gegen Rechts wollte indes keine/r der anderen KandidatInnen folgen. Der lokale CDU-Bewerber Tobias Herrmann erklärte, in der Sache unterstütze die CDU zwar die Abgrenzung und entsprechende Maßnahmen gegen jegliche Formen antidemokratischen Handelns. Das schließe für die CDU indes auch „linke Gewalt“ ein. Wegen der „zu engen Perspektive“ der „Singener Erklärung“ sehe man deshalb von der Unterzeichnung ab.
Mitbewerberin Dorothea Wehinger von den Grünen erklärte hingegen, aufgrund ihres bisherigen Engagements für Menschenrechte und gegen Rassismus sehe sie keine Veranlassung, „zusätzlich eine Erklärung dazu zu unterschreiben“. Mit ähnlicher Begründung will sich SPD-Kandidat Hans-Peter Storz aus der Affäre ziehen, der unter Verweis auf eigene Aktivitäten „für Demokratie und gegen Menschenfeindlichkeit“ für seine Unterschrift unter ein „neues Papier“ keine Notwendigkeit sieht. Gar keine Reaktion gab es derweil von Markus Bumiller, dem Kandidaten der FDP.
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„Angesichts der hohen Zustimmungsrate zur AfD bei der letzten Landtagswahl wollte die Singener Erklärung eine gemeinsame und einmütige Positionierung aller demokratischen Parteien zum Ausdruck bringen. Es ist bedauerlich, dass angesichts der Bedrohung der Demokratie durch den Rechtsextremismus der AfD eine gemeinsame Stellungnahme nicht zustande kam“, zeigte sich Segbers enttäuscht. Im vergangenen Wahlkampf zur Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen habe eine solche Erklärung breite Unterstützung quer durch die demokratischen Parteien bekommen. „Die Verteidigung der Demokratie und die Verteidigung der Rechte von Menschen, die die AfD mit ihrer Hetze gegen Fremde verletzt, ist gemeinsame Sache aller DemokratInnen – auch in Singen“, betont Segbers.
MM/jüg (Bild:RimbobSchwammkopf, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
Es ist ein beispielhaftes Fehlverhalten der Singener Parteien im Landtagswahlkampf, die gemeinsame Erklärung des LINKEN-Spitzenkandidaten Segbers zum politischen Widerstand gegen die AfD nicht zu unterzeichnen. Mit ihrer Verweigerungshaltung machen sie deutlich, dass es ihnen in Wahrheit nicht um die Sache geht, sondern um den Umstand, dass der Vorschlag aus der Linkspartei entsprungen ist.
Auch wenn dies niemand zugeben würde, macht es zumindest den Eindruck, als wolle man DIE LINKE mit der „Alternative für Deutschland“ auf eine gemeinsame Ebene stellen. Bis heute trägt gerade im Mitte-Rechts-Spektrum der Parteien eine Vielzahl an Menschen der LINKEN ihre Vergangenheit nach und betont deren SED-Rechtsnachfolge. Die nicht selten als radikale Sozialisten abgestempelten Mitglieder werden in einem Atemzug mit manchem AfD-Anhänger genannt, der die demokratischen Prinzipien unseres freiheitlichen Rechtsstaates ignoriert, obwohl sich DIE LINKE wie keine andere politische Kraft kritisch mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt hat und sich nicht nur in ihren Programmen ganz eindeutig zu unserer Verfassung bekennt.
Bezeichnend, dass offenbar von SPD bis CDU niemand bereit ist, einen Aufruf zu unterstützen, der sich gegen den gemeinsamen Gegner auf der Politbühne richtet – allein aus Gründen der Ablehnung eines Weltverständnisses, das wohl auch FDP und Grünen nicht in den Kram passt. Dabei geht es in der „Singener Erklärung“ nicht darum, ob die Ideologie der LINKEN zeitgemäß ist, sondern um die Frage, ob wir im Landtag von Baden-Württemberg auch weiterhin eine Fraktion ertragen wollen, die das politische Klima beständig vergiftet, mit Falschbehauptungen Unfrieden sät und mit reißerischen Standpunkten die Gesellschaft spaltet. Ich finde es beachtlich, dass es die demokratische Mitte über 30 Jahre nach der Wende noch nicht geschafft hat, ihre Angst vor einer sozial-ökologischen Wende zu überwinden und Anstöße aus der Linkspartei als unterstützenswerten Beitrag für die Wahrung unserer Demokratie anzuerkennen.
Ungeachtet dessen, ob man andererseits auch schon gegen Rassismus aktiv ist, sollte man auf jeden Fall jede Gelegenheit wahrnehmen, um auf die Gefahr einer AfD hinzuweisen.
Klar – CDU/SPD, Grüne und FDP sehen ihre Fälle davonschwimmen und hoffen, dass sie im Falle des nahezu schlimmstmöglichen Wahlausgangs jeweils der afd erste Wahl für einen Zusammenschluss werden.
Diesen rückgratlosen Parteien ist es doch gleich mit wem.