„Kein Stadtviertel gehört einer Gruppe allein“
Der Konstanzer Haupt- und Finanzausschuss hat sich in seiner letzten Sitzung einstimmig für eine Flüchtlings-Unterbringung am Hörnle entschieden (seemoz berichtete). Und weil vielen diese Entscheidung so schwer gefallen ist und weil es dabei um mehr als das Freizeit-Vergnügen besorgter Bürger geht, dokumentieren wir den Redebeitrag der LLK-Gemeinderätin Anke Schwede aus dieser Sitzung:
„Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,
heute soll also endlich die Entscheidung über die Flüchtlingsunterkunft ‚Tennishalle Horn‘ fallen. Die Debatte dreht sich nach der langen Vorgeschichte, dem massiven Widerstand und auch manchen Entgleisungen nicht nur um die Eignung dieser oder anderer Flächen bzw. Immobilien. Es geht inzwischen vor allem darum, wie diese Stadt mit den Menschen umgeht, die aus höchster Not vor Kriegen und anderen existentiellen Bedrohungen aus ihren Heimatländern fliehen mussten. Es darf unserer Meinung nach eben nicht heißen: Flüchtlinge, wenn es sein muss, ja – aber auf keinen Fall bei uns.
Auch 2013 protestierten AnwohnerInnen und fürchteten eine Wertminderung ihrer Immobilie, als bekannt wurde, dass im Atrium in der Luisenstraße Geflüchtete untergebracht werden sollen. Heute leben dort rund 150 Menschen – über gravierende Zwischenfälle ist nichts bekannt, benachbarte Frauen, Kinder und auch Männer trauen sich weiterhin auf die Straße, die neuen NachbarInnen werden sogar als Bereicherung empfunden.
Die Linke Liste wird dem Standort ‚Helle Müller Tennisanlage‘ zustimmen, denn die geflüchteten Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf, und zwar jetzt. Kein Stadtviertel gehört einer Gruppe allein und Unterschriftensammlungen, die das Ziel haben, bestimmte Menschengruppen aus einem Stadtgebiet herauszuhalten, finden nicht unsere Zustimmung. Die besseren Unterkünfte unter den schlechten Möglichkeiten zu finden ist das Gebot der Stunde. Und unter diesen Umständen halten wir eine Gemeinschaftsunterkunft in der Tennishalle ‚Horn‘ für eine der besseren Lösungen, insbesondere, weil dann hoffentlich bald die Sporthallen der Zeppelin- und Wessenbergschule wieder ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden können.
Wichtig ist unserer Meinung nach aber auch, dass in Petershausen West bzw. Ober- und Unterlohn Ghettoisierungstendenzen entgegengewirkt wird. Mit den verschiedenen bestehenden und geplanten Unterkünften sollen dort insgesamt rund 1100 Menschen untergebracht werden. Eine gleichmäßigere Verteilung über alle Stadtteile ist wünschenswert, und das gilt eben auch für die Gemeinschaftsunterkunft Nähe Hörnle.“
Der grosse Unterschied zwischen „Luisenstrasse“ und „Hörnle“ ist, dass die erstere Unterkunft bereits von der „Logistik“ her zweckentsprechender ist, umso mehr, als am „Hörnle“ besonders Familien mit Kindern untergebracht werden sollen. Dort sind zum Beispiel weder Kitas noch Ärzte noch Einkaufsmöglichkeiten noch ein „tägliches Stadtleben für erste Integrationsversuche“. Die Frage, wo eine Unterbringung sinnvoll ist und wo nicht, ist stets zu stellen. Es geht nicht darum, „wem ein Stadtgebiet gehört“. Es darf auch festgestellt werden, dass am „Hörnle“ der jetzige Betreiber und zukünftige Vermieter einer ziemlich darbenden freien Tennisanlage für die kommenden fünf Jahre seinen „Oscar“ erworben hat. Anbetracht der wenigen Möglichkeiten ist allerdings die Suche nach geeigneten Anbietern von Unterkünften nun wirklich nicht einfach. Das ist die komplexe Seite der Suche. Für politisches Gezänk eignet sich die Sachlage nicht. Alle haben das Bestmögliche zu tun. Darin unterscheidet sich das Flüchtlingswesen kaum von anderen Aufgaben, welche die Stadt laufend zu bewältigen hat.