Keine Alternative für Deutschland

Bundesweit betrachtet fiel der Stimmen­zuwachs der AfD nicht so hoch aus wie befürchtet. Zwar wurden die Rechten in Sachsen und Brandenburg stärkste Partei, doch in westlichen Bundesländern blieb sie vielfach hinter den Erwartungen zurück. Dass nicht wenige das schon mit Erleichterung registrieren, wirft ein Schlaglicht darauf, wie weit sich das politische Koordinatensystem der Republik nach rechts verschoben hat.

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Entwarnung ist noch lange nicht angesagt, zumal der völkische Markenkern der blauen Braunen längst bis weit ins bürgerliche Milieu ausstrahlt. Eine unter Federführung der Kreisvereinigung der VVN-BdA vom 4. bis zum 18. Juni in Konstanz gezeigte Ausstellung nimmt die Ideologie der Rechtspartei und ihre Beziehungen zur völkischen Szene unter die Lupe.

Die VeranstalterInnen zum Hintergrund der Ausstellung: „Fundamentaloppositionelle Bewegungspartei“ – mit diesem von Björn Höcke geprägten Wortungetüm ist der zentrale innere Widerspruch der „Alternative für Deutschland“ und damit des ganzen völkisch-nationalistischen Milieus zum Ausdruck gebracht worden. Man will beides zugleich sein: Teil des parlamentarischen Systems mit allen seinen Möglichkeiten und gleichzeitig die Partei eben gegen dieses System.

Das extrem rechte Wählerpotenzial von 15 bis 20 Prozent – in immer neuen Untersuchungen seit Anfang der 1980er-Jahre belegt – zeigt sich mit den sich bereits verfestigenden AfD-Wahlerfolgen der letzten Jahre in nie dagewesener Deutlichkeit. Extrem rechts sein zu wollen, aber nicht als solches zu gelten, das war mit dem herbeiströmenden Parteivolk nicht auf Dauer zu machen. Auf Bernd Lucke folgte Frauke Petry, auf diese Alexander Gauland und Alice Weidel. Die Entwicklungsrichtung ist klar: Es geht immer noch weiter nach rechts mit dieser Partei.

Der Einzug in den Bundestag am 24. September 2017 hat das Problem noch einmal auf eine ganz neue Stufe gehoben. Den 94 Abgeordneten der AfD bieten sich nun Möglichkeiten, die vor ihnen zuletzt in den 1950er-Jahren extrem rechte Politiker hatten. Es geht um viel Geld, den Aufbau eines hauptamtlichen Apparates, Informationsgewinnung, erhöhte Medienaufmerksamkeit und ganz generell die Nähe zur Macht. Denn das ist letztlich das Ziel: Einfluss auf und Kontrolle über den Staat, gepaart mit der Mobilisierung eines Mobs auf der Straße.

Die AfD sorgt dafür, dass Deutschland das bekommt, was in vielen europäischen Ländern bereits Alltag ist. Und doch ist etwas anders als in den Niederlanden oder in Dänemark. Deutschland ist nicht nur das Land der historischen Haupttäter, sondern heute ökonomisch, politisch und in Zukunft vielleicht auch militärisch die führende Macht Europas. Die Vorstellung, dass dieses Deutschland von einer AfD mitregiert werden könnte, ist unerträglich.

„Mehr Verantwortung“ zu übernehmen heißt deshalb nicht, noch mehr deutsches Militär in alle Richtungen des Globus zu senden, sondern hier bei uns den Aufstieg der AfD in ihrer immer deutlicheren völkisch-nationalistischen Form zu verhindern. Die Ausstellung „Keine Alternative!“ ist in diesem Sinne Aufruf und Weckruf, der AfD in aller Entschiedenheit entgegenzutreten.

Zahlreiche weitere Gruppen unterstützen die VVN-BdA- Ausstellung: Grüne Jugend Konstanz, IG Metall Jugend Singen, Initiative Stolpersteine für Konstanz, JugendKultur e.V. Contrast, Linksjugend [’solid], Netzwerk Demokratie und Courage, OAT Konstanz, Save me Konstanz e.V., Seebrücke Konstanz, seemoz e.V., Solidaritätsbündnis Rojava, Solidarity City Konstanz, Trampolin Bodensee, Volkshochschule Landkreis Konstanz e.V.

MM/jüg (Bild: VVN-BdA)


Ausstellung vom 4. bis 18. Juni, Galerie der Volkshochschule (Katzgasse 7, 78462 Konstanz).
Öffnungszeiten Montag bis Freitag von 9.00 bis 18.00 Uhr. Eintritt auch für Rahmenprogramm frei.


Ausstellungseröffnung
5. Juni, 19.00 bis 20.30 Uhr. Mit kurzen Wortbeiträgen, musikalischer Umrahmung und der Möglichkeit zum informellen Austausch. Für das leibliche Wohl ist gesorgt.


Rechte Szenen im Südwesten
7. Juni, 19.30 bis 21.00 Uhr

Der Begriff „Rechtsruck“ ist seit Jahren in aller Munde. Dieser Rechtsruck findet auch in Baden-Württemberg statt. Der Resonanzboden wird dabei in Form von Wahlentscheidungen und Straßenmobilisierungen zum Klingen gebracht. Während alte Akteure wie die Republikaner-Partei verschwunden sind, tauchen neue wie die Alternative für Deutschland oder die Identitäre Bewegung auf. Andere wie die antisemitische Ludendorffer-Sekte halten sich bewusst im Hintergrund. Die ideologische Bandbreite innerhalb der extremen Rechten ist dabei weitaus größer als die Wiedergänger des historischen Nationalsozialismus, auf den vor allem die Behörden fokussieren. Andere extrem rechte Strömungen wie die „Neue Rechte“ lehnen Gewalt offiziell ab, arbeiten aber trotzdem auf einen autoritären und homogenen Staat hin. Dazu gesellen sich im Südwesten verschiedene Formen von Nationalismus „mit Migrationshintergrund“ und die christliche Rechte als Sonderform.

Lucius Teidelbaum referiert über die verschiedenen Erscheinungen extrem rechter Ideologie, ihre VertreterInnen und Netzwerke, ihre Inhalte und ihre Gefahren. Eine Antifaschistin des OAT Konstanz wird den Vortrag mit Infos über rechte Gruppen in Konstanz und der Region ergänzen.

Lucius Teidelbaum. Freier Journalist, Publizist und Rechercheur zum Thema extreme Rechte und anliegende Grauzonen


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AfD: Ungleichwertigkeit und faschistische Tendenz
14. Juni, 19.30 bis 21.00 Uhr

In der AfD haben sich drei unterschiedliche Strömungen herausgebildet, die jeweils für ein ungleichwertiges Menschenbild stehen: die neoliberale Strömung wertet Arme ab, die christlich-fundamentalistische Strömung hat ein extrem rückwärtsgewandetes Geschlechterbild, und die faschistische Strömung ist rassistisch. Aktuell formiert sich der faschistische Höcke-Flügel von einer Strömung zu einem durchstrukturierten Block – auch wenn diese Strömung mit ihren Mitgliedern noch nicht die Mehrheit stellt, hat sie kontinuierlich ihre Machtbasis ausgebaut und radikalisiert sich weiterhin. Ist die AfD der Tendenz nach also faschistisch? Zu dieser Frage und den Strömungen der AfD wird der Soziologe Andreas Kemper referieren.

Andreas Kemper, Publizist und Soziologe. Das Verfassungsschutz-Gutachten zur AfD vom Januar 2019 folgte Kempers Recherchen und hält es für „nahezu unbestreitbar“, dass Björn Höcke offiziell als dem Rechtsextremismus nahe zu verorten ist.