Kiesabbau im Dellenhau: Fortsetzung folgt

Auch in den vergangenen 14 Tagen hielt die emotionsgeladene Auseinandersetzung über den geplanten Kiesabbau im Dellenhau an. Teilweise sogar mit bizarren Argumenten. Dazu eine Zusammenfassung der jüngsten Ereignisse.

Die Rathaus-Chefs von Singen, Gottmadingen und Rielasingen-Worblingen haben ein Schreiben an Peter Hauk – amtierender Minister für ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Stuttgart – gesandt, mit der Bitte, „diesen ökologischen Irrweg, der sachlich völlig unnötig ist“ zu stoppen. Ein Minister könnte zwar das Vertragsverhältnis zwischen dem Land Baden-Württemberg mit dem Kieswerk Birkenbühl auflösen …aber könnte das allein eine für alle akzeptable Lösung bringen?

Stimmungswandel in Hilzingen?

Auch in Hilzingen (der Gemeinde, zu welcher der Gewann Dellenhau gehört und deren Ortsteil Twielfeld direkt an das mögliche Abbaugebiet grenzt) scheint sich ein Stimmungswandel abzuzeichnen. Nachdem im März die von der SPD/UL-Fraktion beantragte negative Stellungnahme zum Raumordnungsverfahren (ROV) mit 10 zu 9 Stimmen abgelehnt worden war, wurde vergangene Woche von derselben Fraktion ein neuer Versuch gestartet, zum ROV doch noch Stellung zu beziehen. Als Experten waren Rainer Luick (Mitglied im Kreisrat und im Regionalverband Hochrhein-Bodensee, kurz RV) und Karl Heinz Hoffmann (Direktor des RV) geladen sowie ein Vertreter des baden-württembergischen Landesforstes (ForstBW), des landeseigenen Unternehmens, mit welchem der umstrittene „Pachtvertrag“ mit der Firma Birkenbühl geschlossen worden sein soll. Nur erschien dieser Vertreter nicht – krankheitsbedingt, wie es hieß – sehr zur Enttäuschung der Gemeinderäte und der zahlreich anwesenden BürgerInnen.

RV-Direktor Hoffmann indes verteidigte das Festhalten am 2005 verabschiedeten Regionalplan: der steigende Bedarf an Kies in der Region sei dort festgelegt worden. Und üblicherweise werde ein ausgewiesenes „Sicherungsgebiet“ innerhalb von 15-30 Jahren in ein „Vorranggebiet“ umgewandelt. Reiche die bestehende Abbaufläche nicht aus, damit ein Unternehmen die ihm vertraglich zustehenden Kiesmengen tatsächlich abbauen könne, habe dieses Anspruch auf ein Ersatzgebiet in räumlicher Nähe.

Eigentlich brachte diese Erklärung keine neue Erkenntnis, denn der Sachverhalt war bereits im Herbst 2014 (als die Pachtverhandlungen im Gange waren) am selben Ort in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung vorgetragen worden. Damals war u.a. Regierungsdirektor Peter Kremmler vom Regierungspräsidium (RP) Tübingen als Vertreter des Dellenhau-Eigentümers anwesend.

Die Begriffe: Abau-Vorrang-, Sicherungs- und Ausschlussgebiete

Anhand dieser Begrifflichkeiten und o.g. Erklärung des RV-Direktors wird auch die heutige Problematik klar: 2005 sind im Teilregionalplan zur oberflächennahen Rohstoffnutzung die für den Dellenhau fatalen Entscheidungen gefallen: Nicht nur die Menge des abzubauenden Kieses – orientiert lediglich an den Wünschen privater Kiesabbauer und nicht am tatsächlich nachgewiesenen Bedarf der Region – wurde seinerzeit im Plan festgeschrieben, sondern auch der Dellenhau als Sicherungsgebiet aufgenommen. Aber nicht die Ausweisung als „Sicherungs-“, sondern als „Ausschlussgebiet“ wäre die richtige Entscheidung gewesen, hätte man dieses ökologisch wertvolle und sensible Gewann auf lange Zeit vor der Gier der Kiesabbauer bewahren wollen. Denn alle vorgebrachten Argumente waren zu jener Zeit genauso relevant wie heute und hätten längst berücksichtigt werden können und müssen.

Die Verabschiedung des Regionalplans erfolgte 2005 ohne Gegenstimmen der hiesigen Gemeinden und deren VertreterInnen – eine von ihnen war Veronika Netzhammer.

CDU-Informationsveranstaltung: „Ministererlaubnis sei gefallen“

Daran scheint sich diese heute aber nicht mehr zu erinnern, denn wie anders könnte man es sich erklären, dass ausgerechnet sie sich so lautstark wundert, weshalb nun der Dellenhau von der Firma Birkenbühl als Ersatzgebiet ins Visier genommen wird. Sie macht indes weiter wahlkampf-taktische Stimmung und hielt beim CDU-Informationsabend Ende März daran fest, dass „die Ministererlaubnis gefallen“ sei. Einen konkreten „Beweis“ blieb sie zwar schuldig, doch als Indiz führte sie an, dass sich beim RP Freiburg niemand um das Dellenhau kümmere, sondern das RP Tübingen in die Sache eingebunden sei. Aber auch dies ist keine Neuigkeit, war doch (s. oben) dessen Vertreter Peter Kremmler deshalb 2014 im GR Hilzingen vorstellig geworden. Es ist nämlich die Forstdirektion Tübingen, die sich landesweit um alle Rechtsangelegenheiten in Sachen Rohstoffnutzung kümmert. Ein Minister muss dabei nicht direkt eingebunden sein.

Und wo bleiben die GRÜNEN?

Allerdings zeigt diese gebetsmühlenhafte Schuldzuweisung an den größeren Koalitionspartner im Land unbestreitbar ihre Wirkung auch bei nicht CDU-nahestehenden BürgerInnen. Wo bleibt eine entsprechende „entlastende“ Klarstellung seitens der kommunalen GRÜNEN, der hiesigen Landtagsabgeordneten Dorothea Wehinger oder gar des so massiv kritisierten Ex-Ministers Alexander Bonde? Auch Finanzministerin Edith Sitzmann wurde bei ihrem Besuch in Singen die Bitte um rasche Klärung mit auf den Weg nach Stuttgart gegeben. Solange von dieser Seite nichts kommt, kann weiter auch mit postfaktischen Schuldzuweisungen und „Erinnerungslücken“ erfolgreich Wahlwerbung für die CDU gemacht werden.

Birkenbühl-Geschäftsführer bleibt bei seiner Position

Dafür hat sich Kiesunternehmer Andres Drewing wieder zu Wort gemeldet. Zum einem in einem Südkurier-Artikel (4. April 2017), zum anderen bei der GR-Sitzung in Hilzingen. Wie zu erwarten, beharrt er auf einer ihm zustehenden Ersatzfläche für die Kiesgrube in Überlingen am Ried, die 2018 ausgeschöpft sein werde. Und natürlich seien die von ihm gelieferten Gutachten alle makellos. Ebenso hält er daran fest, dass seine Firma Birkenbühl ein kleines, unabhängig agierendes Unternehmen sei. An vier weiteren Firmen sei er zwar beteiligt, aber diese Unternehmen seien untereinander nicht querfinanziert … Dass er „auf Druck freiwillig“ vom Pachtvertrag zurücktreten werde, wie manche hoffen, dürfte wohl eine Illusion sein.

Die Stellungnahmen der Naturschutzverbände

Auch BUND und NABU beziehen im Rahmen der Anhörung zum ROV Stellung. Die Landschafts- und Naturschutz-Argumente sind bekannt und wurden an dieser Stelle genannt (siehe Viel Kohle mit Kies). Beiden Verbänden ist klar, dass ein Ersatzgebiet angeboten werden muss, wenn der Kiesabbau im Dellenhau verhindert werden soll. Die Abbaumenge für die Nassauskiesung im Stadtwald Radolfzell (liegt auf Singener Gemarkung, bei Friedingen) nochmals zu erhöhen, schlägt der BUND vor. Dort gibt es zwar ein riesiges Kiesvorkommen, dessen Fördermenge allerdings schon 2005, ebenfalls bei der Aufstellung des Teilregionalplans Rohstoffe, verdoppelt worden war, unter der Bedingung, dass dafür „keine neuen Waldflächen“ mehr für den (Trocken-) Abbau in Anspruch genommen werden. Der NABU hingegen wird wohl die Fortführung des Kiesabbaus in Überlingen a. R. empfehlen – der Protest der dortigen AnwohnerInnen dürfte da allerdings ganz sicher sein.

Kreistag und Regionalverband

Eine gemeinsame Petition der Kreistagsfraktionen von CDU, SPD und GRÜNE (seemoz berichtete) an den RV, die verabschiedete Umwandlung des Dellenhau in ein Abbaugebiet bei der nächsten Versammlung nochmals zu behandeln, wurde zwar beschlossen. Die Freien Wähler aber – so war zu vernehmen – wollen sich dieser Petition nicht anschließen. Und folgt man den Ausführungen von RV-Direktor Hoffmann, so dürfte es sehr schwer werden, den bestehenden Beschluss zu kippen.

Bürgerprotest weiter wichtig

Für den 29. April plant Peter Waldschütz, Initiator der Bürgerinitiative „Nein zum Kiesabbau im Dellenhau“, eine weitere Demonstration – Gelegenheit für alle BürgerInnen, den politischen Druck aufrecht zu halten.

Aber darüber hinaus könnte noch weit mehr getan werden: Denn anstatt jetzt über die „bösen Schweizer“, an die der „Kies aus dem Hegau verschleudert wird“ zu lästern oder – nach dem auch hier als Entscheidungsgrundlage so beliebten Sankt-Florians-Prinzip – vorzuschlagen, man könne doch bitte künftig in Konstanz Kies abbauen, denn dort würde auch am meisten für die neue Bundesstraße verbraucht, sollte besser verstärkt darüber nachgedacht werden, wie man mit endlichen Ressourcen umgehen möchte. Die restriktive Handhabung bei Rohstoffen in der Schweiz wäre ein gutes Vorbild. Der vermehrte Einsatz von Recycling-Materialien könnte ebenso gefordert werden, wird jedoch noch von der Mehrheit der kommunalen Entscheider regelmäßig als „zu teuer“, „zu aufwändig“, „abschreckend für Investoren“ vom Tisch gefegt. Und ob wirklich immer neu gebaut werden muss oder nicht auch ressourcen-schonend und nachhaltig saniert werden kann, ist ein weiteres Thema. Auch hier könnte Druck auf Politiker aller Couleur aufgebaut werden.

Uta Preimesser