Kirchenkampf im Ratssaal

KINA und katholische Kirche, die zwei zeitraubendsten Themen der letzten HFA-Sitzung, verschlangen Zweidrittel der Arbeitszeit – die übrigen sieben Tages­ord­nungs­punkte wurden vom Haupt-und Finanzausschuss diskussionslos abgehakt und befürwortet. Doch bei den beiden zentralen Punkten ging es um das Verhältnis der Stadt zu potenten Partnern. Und da knickten die meisten GemeinderätInnen ein.

Aus TZK wird KINA

Das Technologiezentrum Konstanz (TZK) in der Blarerstraße ist in die Jahre gekommen, platzt aus allen Nähten und bräuchte dringend eine Drei-Millionen-Sanierung. Mit dem Kauf des Ex-Siemensareals durch die Vorarlberger i+R Wohnbau ergibt sich überraschend die Möglichkeit, in der Bücklestraße mit der Shedhalle (Foto) und dem nördlich davon liegenden Bürogebäude auf gut 10 000 qm ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept namens KINA (Konstanzer INovationsAreal) zu entwickeln. Mehr Start-up-Unternehmen auf die Sprünge zu helfen, ist die erklärte Vision von Moritz Meidert, TZK-Projektmanager, der die KINA-Planung im Ausschuss vorstellte.

Ohne die seitenlange Vorlage voller Lobhudeleien und wohlfeiler Versprechen vorzustellen, bleibt festzuhalten: Es geht um viel (Förder)Geld und um strittige Mietkonditionen. Das Projekt erfordert Einmal-Investitionen von 2,5 Millionen, von denen – vielleicht – 600 000 Euro an Landeszuschüssen erstattet werden. Kurzfristig war der HFA von der Stadtverwaltung aufgefordert, 150 000 Euro für die Projekt-Entwicklung und 350 000 Euro an Sonderzuschuss für die Übergangszeit, in der man mit zwei Standorten leben muss, zu bewilligen. Diese Forderungen nahm die Mehrzahl der RätInnen klaglos hin.

Anders verlief die Diskussion, als es um die Mietkonditionen ging. Der Investor, im Ausschuss durch den eigens angereisten Alexander Stuchy vertreten, besteht auf einen Generalmieter. Er will also den Raum für KINA nur an KINA vermieten, womöglich mit einem Anteil von 40 Prozent für die Stadt. Dagegen regte sich Protest verschiedener Räte, die endlich einsehen, dass die Stadt sich Einflussmöglichkeiten durch eigenen Grundbesitz bewahren muss.

So forderte Dorothee Jacobs-Krahnen (FGL) ausnahmsweise, die Stadt solle in diesem Deal als Käufer, nicht als Mieter auftreten, unterstützt von Jan Welsch (SPD), der nur durch „städtische Eigentümerschaft eine Einflussmöglichkeit der Stadt gesichert“ sah. Während die bürgerlichen Fraktionen das Konzept ohne Einschränkungen begrüßten, plädierte Holger Reile (LLK) für eine Überarbeitung der Vorlage „ohne Marketing-Sprech“ und kritisierte die Zuschuss-Politik. Erst als i+R-Geschäftsführer Stuchy zusicherte, der Stadt nach einer Karenzzeit ein Vorverkaufsrecht einzuräumen, und OB Uli Burchardt versicherte, eine solche Kaufoption auch anzunehmen, war die Ausschussmehrheit bereit, dem Deal zuzustimmen: Mit jeweils einer Gegenstimme und bei nur wenigen Enthaltungen zu verschiedenen Einzelentscheidungen wurde das KINA-Projekt befürwortet.

Kniefall vor der Kirche

„Nicht diskussionsfähig“ und „keinerlei Verhandlungsspielraum“ schreibt Dieter Gräble, Leiter der Verrechnungsstelle für Katholische Kirchengemeinden Radolfzell. im Auftrag der Erzdiözese Freiburg an die Stadt Konstanz. Es ging um eine unwesentliche Erhöhung des Nutzungsentgelts für die kirchlichen Träger der Konstanzer Kitas St. Verena, St. Georg und St. Martin, allesamt im Besitz des Erzbischöflichen Ordinariats Freiburg (seemoz berichtete). Und es war dieser kompromisslose, stellenweise auch arrogante Tonfall des Briefes, der die Ausschussmitglieder im HFA in Wallung versetzte.

„Diese Haltung der Kirche ist nicht in Ordnung“, schimpfte Günter Beyer-Köhler (FGL); Jan Welsch (SPD) verbat sich gar diesen Ton im Schreiben und begründete auch damit eine Nicht-Zustimmung seiner Fraktion. Etwas moderater, aber erkennbar verärgert reagierte Gabriele Weiner (JFK), die davon abriet, vor der Kirche zurückzuweichen. Joachim Filleböck (CDU), selber Kirchen-Beschäftigter, verteidigte eher halbherzig die Haltung des Ordinariats und sein Fraktionskollege Wolfgang Müller-Fehrenbach, auf vielerlei Weise der katholischen Kirche verbunden, riet zur „Abrüstung der Argumente“.

Sogar OB Uli Burchardt zeigte sich irritiert, hob aber die „verantwortungsvolle Rolle der Freien Träger bei der Kinderbetreuung“ hervor, während der verantwortliche Bürgermeister Andreas Osner auf die „gewaltigen Kosten, die eine völlige Übernahme der Kitas durch die Stadt mit sich brächte“ hinwies.

Letztlich geht es um 28 000 Euro, die beim „Abschluss neuer Nutzungsvereinbarungen“ der Kirche in Rechnung gestellt werden sollten. So sah es ein ursprünglicher Vorschlag des Konstanzer Sozial- und Jugendamtes vor, der nach dem geharnischten Schreiben der katholische Kirchengemeinden aber revidiert wurde. Jetzt soll – so der neue Beschlussantrag der Stadtverwaltung – alles beim Alten bleiben: Die Stadt verzichtet auf die Mieterhöhung, die Kirche bleibt Sieger.

Da setzte auch die Kritik von Holger Reile (LLK) an, der eine Abstimmung über den ursprünglichen Antrag forderte: „Dies ist kein Kompromiss“ rief er seinen KollegInnen zu, „man möchte es sich mit der Kirche nicht verscherzen und will auf die Erhöhung verzichten. Da machen wir nicht mit. Und schon zweimal nicht, wenn man sich Herrn Gräbles Brief vornimmt, der arroganter und hochnäsiger kaum sein kann. Er stellt sich auf den Standpunkt, die vor einem Vierteljahrhundert getroffenen Vereinbarungen über die Nutzungsentgelte seien für immer und ewig unantastbar und erklärt reichlich dreist, dass in der Sache kein Verhandlungsspielraum bestehe. Man male sich aus, andere Projektträger oder Vertrags- und Kooperationspartner der Stadt würden sich ähnlich aufführen wie die Kirche – eine Mehrheit hier würde zu Recht auf die Barrikaden klettern“.

Die Abstimmung dann wurde spannend. Mit 7:6 Stimmen bei einer Enthaltung wurde dem Gemeinderat empfohlen, auf seiner nächsten Sitzung (Donnerstag, 17. Mai, ab 16 Uhr im Ratssaal) dem neuen Beschlussantrag zuzustimmen und also auf die Einnahmen für die Stadt zu verzichten. Und dieses Abstimmungsergebnis kam nur zustande, weil Dorothee Jacobs-Krahnen (FGL) sich ihrer Stimme enthielt – im Gegensatz zum Abstimmungsverhalten ihrer Fraktion.

Man kann es nicht häufig genug sagen – und wir werden es auch immer wieder sagen und schreiben: In einen Jahr wird ein neuer Gemeinderat gewählt – auch von Ihnen.

hpk

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