KKH: „Dramatische Meldungen“

Die überparteiliche Initiative „Nein zu Klein-Venedig“ spricht Klartext und hat einen offenen Brief an OB Frank und alle Gemeinderätinnen und Gemeinderäte verfasst. Mit dem Bau des KKH auf Klein-Venedig, so der Tenor, steuere Konstanz geradewegs auf ein finanzielles Debakel zu. Die Initiative fordert den sofortigen Ausstieg aus dem Projekt.

Offener Brief

An

Herrn Oberbürgermeister Frank, die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte der Stadt Konstanz, die „ Bürger für Konstanz“

Sehr geehrte Damen und Herren,

In der Südkurier-Ausgabe vom Freitag, 5. Februar, überschlagen sich die dramatischen Meldungen:

Der städtische Kämmerer meldet im Finanzausschuss für das laufende Jahr Mindereinnahmen in Höhe von 10 Mio. Euro allein aus Einkommenssteuer und Finanzausgleich und weitere Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer. (S. 15)

Die Verwaltung stellt Investitionen für die Jahre 2011-2013 in Höhe von 70 Mio. zur Diskussion, und zwar Investitionen in Schulen, Kindergärten, Sportstätten, Konzilsanierung und Straßenbau. (S. 15)

Zwei Seiten weiter stellt der städtische Kämmerer und Projektleiter des Konzerthauses auf Klein-Venedig, Hartmut Rohloff, die Finanzierbarkeit des in der Öffentlichkeit heftig umstrittenen und schon 2003 von einer Mehrheit der Bevölkerung in einem Bürgerentscheid abgelehnten Projekts in Frage. Rohloff zur Finanzierbarkeit: „Sie werden von mir kein klares ja oder nein hören, ob die Stadt sich das leisten kann, dazu sind die Zahlen zu flüchtig“. (S.17)

Während die Verwaltung noch Pflichtaufgaben und freiwillige Leistungen (etwa Zuschüsse an Vereine, Kultur, für Schulessen) wie gehabt weiter fördern will, geht die grüne Gemeinderätin und Konzerthaus-Befürworterin Dorothee Jacobs-Krahnen einen Schritt weiter und fordert: „Auch über freiwillige Leistungen muss man diskutieren dürfen“. Im Klartext lautet damit ihre verzweifelte Drohung: Wenn wir dann mal die Investitionsruinen auf Klein-Venedig durchschleppen müssen, werden wir an den Sportvereinen, an der Kultur und am Schulessen sparen. Eine freiwillige Leistung der Stadt Konstanz ist auch das Stadttheater und der Unterhalt der Philharmonie. In der Zange zwischen Finanzkrise und teuren Prestigebauten auf Klein-Venedig sind die Arbeitsplätze in diesen städtischen Einrichtungen akut gefährdet. Während die Arbeitsplätze im neuen Konzerthaus dann erst mal durch die Notwendigkeit, dort Einnahmen zu erwirtschaften, gesichert sind, werden die Arbeitsplätze bei Philharmonie und Stadttheater massiv gefährdet.

Das war noch nicht alles, der Kämmerer wirft sechs Wochen vor der Abstimmung über ein heftig umstrittenes Prestige- und Luxusprojekt die Frage nach Steuererhöhungen auf, obwohl das Mantra der Verwaltung bislang stets lautet: „Wir können uns den Prachtbau auf Klein-Venedig ohne Streichung an anderer Stelle und ohne Steuererhöhungen leisten.“

Wem dies alles noch nicht reicht – und es kommt kurz vor dem Bürgerentscheid bereits geradezu einer Kapitulation gleich – den plättet der städtische Kämmerer mit der Forderung der Verwaltung nach einer Investitionsgrenze von 20 Mio. Euro pro Jahr. „Mehr als diese Summe könne die Verwaltung personell nicht bewältigen, sagte Rohloff. Sie sei bei der Abarbeitung der ihr auferlegten Arbeiten an die Grenzen gestoßen. So blieben einige Aufgaben im vergangenen Jahr unerledigt, und neue kommen hinzu.“

Wie will diese ausgelaugte, auf einem Investitionsstau sitzende Verwaltung, die den Gemeinderat um eine Investitionshöchstgrenze von 20. Mio. Euro pro Jahr bittet, ein Zusatzprojekt mit einem niedrig angesetzten Investitionsvolumen von 63 Mio. Euro stemmen, das gleichzeitig noch ein immenses Bündel von Straßenverkehrsplanungen und ÖPNV-Maßnahmen erfordert?

Wer unmittelbar vor einem Bürgerentscheid zu einem umstrittenen Prestigeobjekt in verkehrlich absurder Lage auf problematischem Baugrund mit solchen Meldungen in die Öffentlichkeit geht, der bettelt bei den Bürgerinnen und Bürgern geradezu um eine Niederlage.

Uns liegt der Wunsch nach einer Demütigung von Stadtverwaltung und Gemeinderatsmehrheit fern, daher weisen wir der Stadtverwaltung und Gemeinderat einen Weg, aufrecht und ohne Ansehensverlust aus der Misere auszusteigen:

Verweisen Sie auf die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise,
stellen Sie fest, dass ein so dramatisches Durchschlagen auf die Konstanzer Finanzen nicht absehbar war, und dass Sie nun schweren Herzens von einem „zentralen Zukunftsprojekt“ Abschied nehmen müssen. Das bereits klug eingefädelte sanfte Winken mit der Notwendigkeit einer Gewerbesteuererhöhung wird auch den Klein-Venedig-Fans aus der Einzelhandels- und Gastro-Szene die schmerzhafte Einsicht in den Verzicht auf die Hyper-Kommerzialisierung der östlichen Altstadt erleichtern. Lassen Sie sich von uns feiern dafür, dass Sie den finanziellen Kollaps der städtischen Finanzen noch mal abwenden werden, dass die Verkehrslawine gestoppt, weiterer Luftverschmutzung Einhalt geboten wird und dass ein Stück Grün auf Klein-Venedig erhalten bleibt. Mit etwas Glück und ohne die „Jahrhundert(fehl)investition“ auf Klein-Venedig lassen sich dann sogar die Arbeitsplätze von Orchester und Stadttheater über die Finanzkrise hinwegretten, und die Familien können sich weiterhin das Schulessen für Ihre Kinder leisten.

Anmerkung der seemoz-Redaktion: Auch Dorothee Jacobs-Krahnen, FGL-Stadträtin und KKH-Befürworterin, bekam diesen offenen Brief. Wie alle anderen GemeinderätInnen auch. Frau Krahnen ließ die Initiative umgehend wissen, dass man sie gefälligst aus dem Verteiler nehmen solle, „da ich der Zusendung von mails aus dieser Quelle nicht ausdrücklich zugestimmt habe und nicht gefragt wurde, ob ich in diesen Verteiler aufgenommen werden möchte“. Wir schlagen vor, dieser Volksvertreterin vorab die „Grüne Gurke“ zu verleihen.

Autor: Günther Schäfer/ Initiative „Nein zu Klein-Venedig“