Klappe halten im Heimatblatt

Jochen Kelter, seit Jahrzehnten in der direkt angrenzenden Schweiz lebender Schriftsteller, hat viele Jahre lang für den „Südkurier“ gearbeitet, zuletzt für den Wirtschaftsteil. Jetzt war wieder einmal Schluss für ihn, und er kann über die Gründe nur spekulieren, denn aus dem Verlagshaus kam bisher vor allem eins – beredtes Schweigen. Kelter fragte nach, hat aber bislang keine Antwort erhalten, was wohl kein Zufall ist, sondern zu einem System der verdeckten Zensur gehören dürfte.

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Jochen Kelter schrieb von Dezember 1982 bis März 1986 im damaligen Stadtmagazin „Nebelhorn“ regelmäßig Glossen über die politischen Artikel des „Südkurier“, vor allem über die Leitartikel des seinerzeitigen Chefredakteurs Franz Oexle (auf „seemoz“ wurden sie vor einiger Zeit wiederveröffentlicht). Sie erschienen 1986 unter dem Titel „Finstere Wolken, Vaterland“ auch als Buch. Der „Südkurier“ versuchte erfolglos, Lesungen aus diesem Buch gerichtlich verbieten zu lassen. Darauf war es bis zur Übernahme der Zeitung durch den Holtzbrinck-Konzern verboten, seinen Namen auch nur zu erwähnen. Ab Sommer 2007 schrieb Kelter dann für die Wirtschaftsseiten des „Südkurier“ zweiwöchentliche Kolumnen. Der neue Leiter der Wirtschaftsredaktion kündigte die Zusammenarbeit im Frühsommer 2018 auf, weil die Texte nicht zur wirtschaftspolitischen Ausrichtung der Zeitung passten – gerade das war aber wohl der Grund gewesen, warum er sie überhaupt hatte schreiben dürfen. Gleichzeitig erfolgte ein Schreibverbot für die gesamte Zeitung, das nur intern kommuniziert und auch nicht so genannt wurde: „Jochen Kelter schreibt nicht mehr für den ‚Südkurier'“, weil er sich öffentlich negativ über die Zeitung geäußert habe.

Kelter hat sich vor einigen Wochen mit einem Brief an den „Südkurier“ gewandt, aber noch keine Antwort erhalten:


Sehr geehrter Herr Bruggaier

Nachdem mich der damals neue Leiter der Wirtschaftsredaktion im Sommer 2018 als Kolumnist entfernt hatte, folgte auf ein Textangebot die Auskunft Ihrer Kollegin Frau Schwind, ich „schriebe nicht mehr für den „Südkurier“. Von einem Schreibverbot könne keine Rede sein, schrieben Sie mir auf meine Frage an die Chefredaktion (in der Camouflage hat man in der Chefetage seither offenbar dazugelernt), aber de facto handelt es sich um nichts anderes, weil ich mich öffentlich abschätzig über die Zeitung geäussert hätte, wie Sie anfügten.

So weit, so schlecht. Unterdessen habe ich allerdings den Eindruck, dass es auch ein „Namensnennungsverbot“ wie in den achtziger Jahren (damals nach meinen Glossen auf die sprachlich unterirdischen politischen (Leit)-Artikel des „Südkurier“) gegen mich gibt. Mein im Mai letzten Jahres erschienener Band „Sprache ist eine Wanderdüne – Essays zu Literatur und Gesellschaft“ ist im „Südkurier“ bis heute nicht besprochen worden, während andere Neuerscheinungen aus der Region natürlich rezensiert worden sind (wie etwa Ihre heutige, wohl zu Recht lobende Kritik des neuen Romans von Monika Helfer). Den Grund kann ich mir denken: Der eine oder andere Text rückt (nicht nur) der regionalen Kulturpolitik zu sehr auf den Leib. Das sollte für eine überparteiische Zeitung natürlich kein Grund sein, ein Buch zu ignorieren. Ich kann mich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass es gleichwohl der Fall ist.

Der Umstand, dass das literarische Jahresheft „Mauerläufer“, zu dessen Herausgebern ich zähle und in dem die genannte Monika Helfer regelmässig publiziert, es seit seinem ersten Erscheinungsjahr 2014 noch nie auf die Kulturseite des „Südkurier“ (und ein einziges Mal auf die Seite „Kultur in der Region“) geschafft hat, bestärkt mich in meinem Verdacht. Im November 2018 haben Sie mir geschrieben, man hätte sich darüber unterhalten können, „dass eine Berichterstattung über literarische Jahreshefte in Zeiten der Digitalisierung … immer schwieriger wird.“ Diese Schwierigkeiten scheinen auch nach sechseinhalb Jahren noch nicht überwunden. Wer, bitte, soll das glauben? Viel näher liegt doch die Vermutung, dass, was der Redaktion nicht passt, im „Südkurier“ nicht vorkommt. Und das schiene mir wirklich erbärmlich.

Mit freundlichen Grüssen,
Jochen Kelter


Jochen Kelter/red (Foto: FrakturaVerlagZagreb)