Klappe zu – Kiosk tot
Die Stadt Frankfurt am Main hat vor zwanzig Jahren überlegt, ihre Trinkhallen und Kioske unter Denkmalschutz zu stellen. Sie seien Orte sozialer Begegnung und manchmal sogar ein Zuhause für den Mann und die Frau um die Ecke. Freilich sind Trinkhallen in Hessen auch Orte des milden Alkoholismus, aber die Kioske schaffen auch Inseln der Öffentlichkeit, des kurzen Gesprächs und symbolisieren die Zeiten der Printmedien, des gedruckten Wortes.
In Konstanz hat wieder ein Kiosk geschlossen, still und leise hat sich der nette Herr H. mit seinem Kiosk an der Oberen Laube verabschiedet, er hatte die Schnauze voll von der Stadt, vom Bürgermeister, vom Ordnungsamt – und wie man so als kleiner „Kioskler“ behandelt wird. Sein letzter Tag, ein paar Hermes Kunden wollten noch Pakete ablegen, aber zu spät. Keine Blaskapelle spielt, keine Flasche geöffnet … niemand sagt: „Tschüss.“
Bei Herrn H. gab es keine rechten Zeitungen, aber den Figaro, El Pais, die Stuttgarter und natürlich die SZ, den Freitag und die Zeit. Ich frage ihn, was aus dem Kiosk an der Laube wird. Er weiß es nicht, vielleicht macht die Stadt einen Imbiss hin, aber er ist froh mit den Typen nichts mehr zu tun zu haben.
„Das können sie doch sicher verstehen, geht Ihnen bestimmt genauso“, sagt er und ich nicke. Ja. Ich bin froh mit denen nichts mehr zu tun haben zu müssen und er fügt an: einmal habe er sogar 100,- Euro Ordnungsstrafe zahlen müssen, weil der Ständer mit den Zeitungen zu weit auf der Straße gestanden hätte. Und wie ist das mit den Kneipen, wird da auf den Bürgersteigen auch gemessen? In Konstanz gibt es zweierlei Maß, gehörst du dazu, kannst du machen was du willst, wenn nicht, jagen sie dich fort. Es ist Weihnachten und ich hole um die Ecke einen Christstollen. Schnaps gibt es nicht.
„Frohe Weihnachten“, sage ich und er winkt mir zu. Es ist wie mit dem Scala, die vernichten Orte der Öffentlichkeit und wundern sich, dass die Menschen keine ordentlichen Zeitungen mehr lesen, es gibt keine Sensibilität in der emotionalen Stadtpolitik: Weiter so – die nächsten acht Jahre.
Christoph Nix
Hätte ich „meinen“ Döbele-Kiosk nicht, wäre meine Welt um einiges ärmer. Kioske sind Mikro-Kosmen, Orte, an denen sich Menschen aus allen Schichten, jeder Altersgruppe, mit unterschiedlichsten Schicksalen treffen und als „Stammgäste“ im Laufe der Ezusammen wachsen. Es gibt keine gesellschaftlichen Unterschiede, es gibt nur Menschen. Freude, Trauer, Ärger, Frust, private und politische Ereignisse werden geteilt – bei Kaffee, Bier, Schorle, im kurzen Wortwechsel oder in langen Gesprächen, oft mit Humor und selten mit Aggressionen. Im Laufe der Jahre sind Freundschaften entstanden, Vertrauen, ein Miteinander, Toleranz, Akzeptanz, Respekt. Woher, wer oder was einer ist, Diskrimierung? Habe ich nie erlebt, und wenn, wird geredet. Die Kioske in den Stadtvierteln, viel zu wenige, sind die Treffpunkte, wo die Welt zusammenückt. Man muss sich nur öffnen. Die aktuelle Schließung aufgrund der Maßnahmen nimmt ein Stück dieser vertrauten Heimat. Familie Westfeld für ihr „Dasein“ in jeder Lage und der gewachsenen Kioskfamilie ein Dankeschön von Herzen.