Klatsche für den ahnungslosen Rüstungskonzern

Für den Kleinwaffen-Hersteller Heckler und Koch in Oberndorf am Neckar ist das gestrige Urteil des Arbeitsgerichts in Villingen-Schwenningen eine wahre Klatsche. Denn es geht nur vordergründig um eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung, die der Rüstungskonzern verlor. In Wirklichkeit geht es um einen Rüstungsskandal

Der Friedensaktivist Jürgen Grässlin, auf dessen Anzeige hin die gegenwärtige Diskussion um Heckler und Koch ins Rollen kam, nennt die beiden Gekündigten nur „Bauernopfer“. Denn der Vertriebsleiter und eine Sachbearbeiterin waren nach einer Polizeirazzia im vergangenen Frühjahr, bei der es um verbotene Waffenlieferungen nach Mexiko ging, fristlos entlassen worden. Nach Darstellung des Unternehmens sollen die beiden die Waffendeals hinter dem Rücken der Geschäftsführung organisiert haben. Diesen Vorwurf hatte die Geschäftsleitung per Aushang am Schwarzen Brett der Firma mitgeteilt. „Eigenmächtig“ und „ohne Wissen und Wollen anderer Personen im Unternehmen“ hätten die zwei gehandelt, hieß es in dem Schreiben.

Streit um die Kündigungen geht weiter

Doch die beiden wehrten sich gegen den Rauswurf. Anfang Dezember erklärte der beschuldigte Vertriebsbereichsleiter vor Gericht, auch die Vorgesetzten hätten von den Exporten gewusst. Dazu hatte der Richter Vernehmungsprotokolle und E-Mails vorgelesen, die diese Aussage zu bestätigen schienen. Jetzt gab das Arbeitsgericht Freiburg – Kammer Villingen-Schwenningen – den beiden Klägern im Kündigungsschutzverfahren recht und erklärte die Entlassung der beiden für unwirksam und ihre Weiterbeschäftigung für angemessen. Heckler und Koch kündigte umgehend an, gegen das Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht in Stuttgart einzulegen.

Skandal hinter dem Skandal

Der Skandal hinter diesem ersten Gerichtsverfahren aber ist ein Rüstungsskandal – es handelt sich um einen der größten Rüstungsdeals der vergangenen Jahre in Deutschland: Fast 5000 Sturmgewehre des Typs G36 und Maschinenpistolen von Heckler und Koch waren bei der mexikanischen Polizei im Drogenkrieg gelandet – genauer: in Unruheprovinzen, in die der Export dieser Waffen aus Deutschland verboten ist. Wahrlich nicht zu glauben, dass diesen Deal ein Manager der mittleren Ebene und eine Sachbearbeiterin allein eingefädelt haben. Auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart bezweifelt die Version des Unternehmens. Sie ermittelt seit dreieinhalb Jahren in diesem Fall – und zwar nach eigenen Angaben gegen mehr als nur zwei Personen.

Nicht Arbeitsrecht, sondern das Strafrecht ist gefordert

Interessant in diesem Fall ist auch die Rolle des Bundeswirtschaftsministeriums: Die Verantwortlichen dort hatten offenbar keine Bedenken, als Erklärungen über den Endverbleib der Waffen abgeändert und korrigiert ein zweites Mal eingereicht wurden. Für den Freiburger Rüstungsexperten Jürgen Grässlin ein ungeheurer Vorgang: „Es ist schon eklatant, dass deutsche Ausfuhrbehörden, die zur Kontrolle da sind, wohl billigend in Kauf genommen haben, dass Endverbleibserklärungen (Erklärungen, dass die Waffen nicht weiter gegeben werden dürfen, Anm. d. Red.) nicht verbindlich sind für Länder, in denen die Menschenrechtslage extrem ist“, erklärte er.

Es wird also ein Verfahren nach dem Verfahren geben. Strafrechtlich werden sich die Verantwortlichen für womöglich manipulierte Bescheinigungen und illegale Ausfuhren verantworten müssen. Und Heckler und Koch wird weiter in den Schlagzeilen bleiben.

Autor: hpk (mit SWR-Material)

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