Kleinkrieg im Tägermoos
Im Konstanzer Rathaus wartet Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) derzeit auf Antwort auf einen Brief vom Schweizer Finanzminister Ueli Maurer (SVP). Burchardt bittet in seinem aktuellen Schreiben den Chef des eidgenössischen Finanzdepartementes darum, dem Schweizer Zoll die Bestimmungen des Tägermoosvertrages von 1831 nachhaltig in Erinnerung zu rufen. Derzeit rumort es vernehmlich im Tägermoos.
Denn die eidgenössischen Zöllner/Grenzwächter haben – laut Burchardt – vor einigen Monaten zollrechtliche Strafverfahren gegen einige der Konstanzer Tägermoos-Gemüsebauern eingeleitet. Die Zollkreisdirektion II Schaffhausen geht wohl davon aus, dass die deutschen Gemüsebauern ihre landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte hätten verzollen müssen, die sie dauernd auf ihren Feldern im Tägermoos gebrauchen.
Im Rahmen der Zollermittlungen seien die Landwirte „teils eindringlichen Verhören unterzogen“ worden, in denen sie auch „erheblich unter Druck gesetzt“ worden seien, so Burchardt in seinem Brief. Inzwischen habe sich die Lage wieder etwas entspannt – genau, seit ein Anwalt eingeschaltet worden sei, der mit den Verhältnissen ausreichend vertraut sei.
„Freie und unbeschwerte Zu- und Abfahrt“
Die „Verhältnisse“, mit denen der Anwalt sich auskennt, dürfte der Tägermoosvertrag von 1831 sein, der immer noch gilt. Geschlossen wurde der Staatsvertrag damals zwischen dem (längst nicht mehr existierenden) Grossherzogtum Baden und dem Kanton Thurgau. Darin ist bis heute festgehalten, dass das Tägermoos zwar zur Schweiz gehört (genau genommen zum Thurgau), aber eine eigene Gemeinde bildet, deren Rechte und Pflichten die Stadt Konstanz wahrnimmt.
Die Bewohner und Grundstücksbesitzer im Tägermoos wurden 1831 vertraglich von allen „Beiträge(n) von diesen Liegenschaften zu den örtlichen Kosten und Lasten der thurgauischen Gemeinden“ befreit und ihnen wurde das Recht „einer freien und unbeschwerten Zu- und Abfahrt mit den Bedürfnissen und Erzeugnissen des Feldbaues im Tägermoos“ zugestanden, die „der Einbringung der Erzeugnisse alsogleich nach ihrer Trennung vom Grundstück“ diente.
Seither galt, dass die Kleingärtner und die Gemüsebauern ihre landwirtschaftlichen Geräte zollfrei von Konstanz ins Tägermoos und zurück bringen konnten und können. Allerdings haben sich die Zeiten geändert: So lange die landwirtschaftlichen Werkzeuge und Maschinen noch relativ klein waren, blieben sie auch selten dauernd im Tägermoos stationiert. Meistens wurden sie wieder mit nach Konstanz genommen.
Vom Holzrechen zur Erntevorrichtung
Mittlerweile ist der Gemüsebau aber ein wirtschaftlich hartes Geschäft geworden, in dem auch Gerät eingesetzt wird, das auf Dauer auf den Feldern (oder dem dazu gehörenden Schopf) bleibt. Das sind dann nicht mehr hölzerne Rechen oder ein Pflug, sondern eine Bewässerungsanlage oder Erntevorrichtungen. Die sind nun anscheinend nach Meinung des Schweizer Zolls in die Schweiz eingeführt worden und damit eben zu verzollen.
Das hat nun den Konstanzer Oberbürgermeister auf den Plan gerufen, der dem eidgenössischen Finanzdirektor (Finanzminister) nicht nur den Tägermoosvertrag ins Gedächtnis ruft, sondern auch darum bittet, auf die Schaffhauser Zollkreisdirektion „einzuwirken“, damit sie sich an die vertraglichen Bestimmungen halte. Kurz gesagt: Diese soll die Strafverfahren einstellen.
Neue Regeln?
Burchardt äußert in seinem Brief auch (diplomatisch zurückhaltend) den Verdacht, der Schweizer Zoll versuche neue Regeln einzuführen, so lange noch über eine Neugestaltung des Tägermoosvertrags verhandelt werde. Die „bisherigen Steuerprivilegien“ gehörten allerdings zu den Bedingungen, die Konstanz auch bei Neuverhandlungen nicht aufgeben werde.
Damit sich Ueli Maurer im Finanzdepartement nicht etwa über das Konstanzer Begehren nervt, bekommt er vom Konstanzer OB das Buch übers Tägermoos geschenkt (siehe Bild). Ob das den ehemaligen Zürcher Bauernsekretär (Geschäftsführer des kantonalen Bauernverbandes) Maurer beeindrucken wird, steht in den Sternen. Üblicherweise beeindruckt Maurer nur gewinnbringender Handel.
Der einzige Haken an der im Tägermoosvertrag garantierten „freien und unbeschwerten Abfahrt (für) die Einbringung der Erzeugnisse“ könnte sein, dass diese vertraglich gleich sein soll, wie jene, die für Thurgauer Grundbesitzer/Pächter auf deutschem Boden gelten. Dabei ging es laut Vertrag um die Bewirtschaftung des Rebhanges in der „Setze“ bei Gailingen, der damals dem Kloster St. Katharinental in Diessenhofen gehörte. Jenen Bedingungen können die im Tägermoos aber nicht mehr entsprechen – ganz einfach deshalb, weil der Thurgau den Gailinger Hang gar nicht mehr besitzt.
Lieselotte Schiesser (Bild: Südverlag)
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