Klima hurra? Klimabürgermeister und Klimafonds sollen’s richten
Die Haushaltsberatungen, die im Wesentlichen bereits in den Ausschüssen und innerhalb der Fraktionen stattgefunden haben, bevor sie als eine besonders raffinierte und unterhaltsame Art des Spiegelfechtens heute in den Gemeinderat kommen, sind die Königsdisziplin der Politik. Geld regiert bekanntlich die Welt, und der offene Verteilungskampf um den Zaster macht auch vor einem eher grünlich-grau-rosanen-usw. Rat wie jenem der biederen Stadt Konstanz nicht Halt.
Wer also zahlt, wem wird gegeben? Die Antwort auf diese Frage kennen Sie bereits, zumindest ganz tief drinnen in Ihrem Herzen: Finanzieller Friede jenen in den Palästen, Kampf denen in den Hütten.
Aber was ist für die Klimawende geplant?
An Ideen mangelt es nicht, doch die Umsetzung ist ein zeitraubendes Unterfangen. Konstanz, deutsche Klimapionierkommunin, bohrt da im nächsten Haushalt richtig dicke Bretter: Ein eigener Klimabürgermeister muss her, um den OB zu entlasten, und ein Klimafonds soll die finanzielle Beteiligung von BürgerInnen, Vereinen und UnternehmerInnen am Klimaschutz sichern.
Bekommt das Klima einen Chef?
Offensichtlich wird es ernst mit dem Klimaschutz in Konstanz, denn ab 2022 will die Verwaltung (das heißt in diesem Fall wohl vor allem: will der Oberbürgermeister Uli Burchardt) einen eigenen hauptamtlichen Verwaltungsdezernenten (A16/B2) einstellen. Damit wäre Klimaschutz nicht mehr wie bisher Chefsache, sondern bekäme einen eigenen Chef in der Verwaltung.
Der Gemeinderat hat dabei die Wahl zwischen zwei Varianten:
Entweder
schafft er ein eigenes Dezernat für Klimaschutz und Umwelt und, so heißt es in der Vorlage für den Gemeinderat, „beauftragt die Verwaltung, […] die erforderlichen Rahmenbedingungen sowie ein ausgearbeitetes Organigramm und erforderliche Prozessabläufe zu erarbeiten und dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorzulegen. Die notwendigen Stellen (B4 und EG 9a) sind im Stellenplan 2022 auszuweisen. Die Schaffung des Klimadezernats erfolgt längstens bis zum Erreichen der Klimaneutralität in Konstanz (2035).“
Oder
er schafft ein Amt oder einen Fachbereich „für Klimaschutz und Umwelt innerhalb des Dezernats III und beauftragt die Verwaltung, […] ein ausgearbeitetes Organigramm sowie eine Darstellung der Prozessabläufe zu erarbeiten und diese dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorzulegen. Die notwendigen Stellen (A15/EG15) und EG 9a sind im Stellenplan 2022 auszuweisen.“ Das erwähnte Dezernat III, das seit 2014 von Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn geleitet wird, ist für „Hochbau, Tiefbau, Stadtplanung, Stadtentwicklung, Umwelt, Klimaschutz, Bauverwaltung, Baurecht, Barrierefreiheit, Liegenschaften, Vermessung, Entsorgungsbetriebe und Technische Betriebe“ zuständig.
Die erste Lösung hieße, dass das Klima als eigenes Dezernat IV gleichberechtigt neben die Dezernate I (Oberbürgermeister Uli Burchardt, zuständig für Verwaltung, Personal, Tourismus und alles Mögliche), II (Bürgermeister Dr. Andreas Osner, zuständig für Soziales, Bildung, Sport, Gesundheit und Kultur) sowie das erwähnte Dezernat III von Karl Langensteiner-Schönborn tritt. Die zweite Lösung bedeutet, dass das Klima kein eigenes Dezernat erhält, sondern von einer neuen Verwaltungseinheit im Dezernat III beackert wird.
Der Hintergrund für diesen organisatorischen Vorschlag ist eine Empfehlung der KGSt (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement), die im Sommer 2020 das Arbeitsfeld des OBs auf Optimierungsmöglichkeiten hin untersucht hat. Der OB hatte einfach zu viel um die Ohren, und es war klar geworden, dass es neue Kapazitäten für anstehende Themen wie Klimaschutz oder Digitalisierung braucht.
Missgünstige Stimmen behaupten hingegen, Uli Burchardt habe zwar viel um die Ohren, suche aber vor allem einen möglichst weit oben angesiedelten Watschenmann, der die Prügel der Öffentlichkeit abkriegt, falls das mit dem vollmundig verkündeten Klimaschutz in Konstanz nichts wird.
Ham’se mal ’ne Mark für mich?
Das Bewusstsein ist scheint’s alles, mit dieser Meinung steht die Konstanzer Obrigkeit in der langen Tradition des erkenntnistheoretischen Idealismus. Schon Marx wollte dieses Denken vom Kopf auf die Füße stellen, drang damit aber nicht recht durch. Aber was rede ich da? Wen interessieren schon Hegel, Marx und Kant?
Niemanden.
Was aber folgt für die Großkopferten etwa in der Verwaltung daraus in Klimafragen? Ganz einfach: Unsere eigenen Taten sind zweitrangig, erst mal muss das Volk anders zu denken lernen, dann wird’s ihm hienieden schon noch gefallen. Da Klima gerade in ist, gründen sie also einen Konstanzer Klimafonds, damit auch wirklich alle mitmachen und vor allem spenden können und der Zaster auch ganz sicher in Konstanz bleibt. Kirchturmpolitik vom Edelsten – so retten wir die Welt, oder zumindest unser Image als Klimaliebhaber No. 1.
Der Gemeinderat wird den Konstanzer Klimafonds wohl beschließen. Bringt wenig, schaden kann’s aber auch nix. Im Prinzip ist dieser Fonds eine Sammelkasse für alle juristischen und natürlichen Personen, die gern mal was fürs Klima spenden und sichergehen möchten, dass das Geld im Konstanzer Haushalt ankommt (der neben Corona beispielshalber auch unter den Millionenverlusten des Bodenseeforums ächzt). Dass die, die uns die Erderwärmung zumeist aus fadem Eigennutz eingebrockt haben, von den Energiekonzernen über die Automobilindustrie und die Autobahnbauer bis hin zu jenen PolitikerInnen, die die Bahn bis heute systematisch auf Drittweltniveau zurückentwickeln … dass all diese Leute also dort nicht einzahlen werden, steht zu erwarten. Sollen sie ja auch nicht, denn Konstanzerisch ist’s doch einfach Konstanzerischer. Am Ende zahlen die BürgerInnen die Zeche, und das notfalls auch noch freiwillig.
Niemand muss, jeder darf mal ran, hier geht es darum, mit riesigen Propagandakanonen auf klimapolitisch winzige Spatzen zu schießen: „Die erforderlichen Finanzmittel in Höhe von 82.100 Euro und eine zunächst auf 3 Jahre befristete 1,0-Stelle (EG 11) für die Umsetzung des Spendenfonds werden im Haushalts- bzw. Stellenplan 2022 bereitgestellt.“
Das heißt, die personell unterbesetzte Stadt stellt jemanden ein, der sich um das Einsammeln von Klima-Brosamen kümmern soll, die vom Tisch der eigentlichen Verursacher und Nutznießer der Klimakatastrophe abfallen oder von gutgläubigen BürgerInnen ihrem Sparstrumpf entnommen werden. Nichts gegen diese Fundraising-Person, rein menschlich. Ziele des professionellen Einsatzes: Das Bewusstsein der Bevölkerung für den Klimaschutz zu wecken und Klimaschutzprojekte innerhalb des Stadtgebietes finanziell zu fördern. Außerdem soll der Fonds Aufträge für Konstanzer Unternehmen schaffen und dafür sorgen, dass klimatische Kompensationsmaßnahmen auf Konstanzer Gebiet und nicht sonst wo in der Welt stattfinden.
Spenden fürs Klima – vielleicht keine schlechte Idee, auch wenn die, die es haben, bekanntlich mit Spenden knausern, sodass da nichts Substantielles zusammenkommen dürfte. Aber: Will sich da vielleicht jemand aus der Verantwortung stehlen, indem er plötzlich etwas von einer Aufgabe für die Zivilgesellschaft erzählt, was doch Aufgabe der Kommunal-, Landes-, Bundes- und internationalen Politik ist? Ist die Klimakatastrophe einfach so aus heiterem Himmel über uns gekommen, sodass wir jetzt alle auf dem Donnerbalken des Lebens Arschbacke an Arschbacke im selben Boot sitzen und die Ärmel hochkrempeln und wie irre gemeinsam rudern und spenden müssen?
Man darf wirklich gespannt sein auf die über Konstanz hereinbrechenden Großspenden aus der Großindustrie, die in Millionenaufträge für die habgierige Konstanzer Wirtschaft umgemünzt werden, die sich dafür absehbar durch happigste Preiserhöhungen erkenntlich zeigen wird. Wenn die Rettung des Klimas nicht zuletzt von der Mildtätigkeit jener abhängt, die es kaputt gemacht haben, bleibt uns Normalos wohl nur noch, dem Rat des unsterblichen Wenedikt Jerofejew zu folgen: Trinkt immer mehr und esst immer weniger dazu!
Text: O. Pugliese, Bild: 41330 auf Pixabay