Klimademo: Ein ranziger Beigeschmack
Die gute Nachricht zuerst: Bei der heutigen Klimademo ist mit einer großen Teilnehmerzahl zu rechnen, die für eine Änderung der Klimapolitik auf die Straße geht. Aber es gibt auch eine schlechte: Bei der Auswahl der geplanten Redebeiträge riecht es bedauerlicherweise im Vorfeld nach Zensur, und das nicht zum ersten Mal. Mit ein prominentes Opfer: Theaterintendant Christoph Nix. Darüber muss geredet werden, meint unser Kommentator.
Der Aufwand für eine große Demo ist gewaltig: Planung des Ablaufs, wochenlange Vorbereitung, Routenbestimmung, einzuhaltende Sicherheitsvorschriften, und, nicht zuletzt, die Auswahl der jeweiligen Redebeiträge bei der Schlußkundgebung. Respekt vor dieser Leistung und dem Engagement, das auch die hiesige FfF-Bewegung seit Monaten auszeichnet.
Kein glückliches Händchen allerdings bewiesen die UmweltaktivistInnen, als es darum ging, wer bei der heutigen Demo das Wort ergreifen darf. Auf der Wunschliste ganz oben stand auch Christoph Nix, langjähriger Intendant des Konstanzer Stadttheaters. Der streitbare Geist sagte auch sofort zu. Dann aber verlangte das hiesige FfF-Organisationskomitee von Nix, dieser möge sein Redemanuskript vorab vorlegen, damit man wisse, was er zu sagen beabsichtige.
Das wiederum kam bei Nix verständlicherweise gar nicht gut an. Sowas habe er „sein ganzes Leben lang noch nicht getan“, grundsätzlich unterwerfe er sich „keiner Zensur – von Niemandem“. Zusätzlich erklärte er: „ (…) ich kann Ihren Standpunkt nicht teilen, ein kämpferischer Demokrat lässt sich auch im Namen des Guten nicht zensieren (…) ich hätte gegen die Verzweiflung gesprochen und das Recht auf Verzweiflung und den Versuch einer Hoffnung – das alles werden Sie jetzt nicht hören“.
Die von seemoz angeforderte Stellungnahme von FridaysforFuture zur Ausladung von Nix liest sich so: „Wir werden keine Rede auf der Demo hören, die wir vorher nicht gelesen haben“. Das habe man schon mal zugelassen und das sei „in die Hose gegangen“, und zwar bei einem Beitrag, „der nicht unseren Zielen entsprach und so langweilig war, dass ein Großteil der Leute während der Demo gegangen ist“.
Davon abgesehen, dass Christoph Nix garantiert nicht in die Kategorie der Langweiler gehört und ganz sicher im Sinne der Veranstalter gesprochen hätte, klingt die FfF-Erklärung anmaßend und arrogant zugleich. Derlei Maßregelungen, und der harsche Vorwurf der Zensur hat seine Berechtigung, kennt man normalerweise aus totalitären Zirkeln, die ihr Weltbild sakrosankt vor sich her tragen und für nicht hinterfragbar halten. Damit, auch das kommt erschwerend hinzu, erweist man der Klimabewegung einen Bärendienst und bietet ihren Gegnern eine völlig unnötige Steilvorlage.
H. Reile (Der dennoch hofft, dass die Demo große Unterstützung findet)
(Foto: L. Rauschnick)
Und: ja, es gab auch mindestens eine mittelständische Firma, die genauso agiert hat wie das Theater: die Mitarbeiter motiviert, ihnen wie ein Arbeitstag verrechnet die Teilnahme ermöglichte, mit Plakaten unterstützt hat und deren Geschäftsführung genauso mitgegangen ist.
…und die dafür sogar das Risiko eingegangen ist, Kunden zu vergraulen, wie es heutzutage leider passiert, wenn Firmen politische Statements abgeben.
Das Theater mag etwas Besonderes sein, ist aber nicht in jeder Beziehung einzigartig.
Ich sehe es anders: die Organisatoren sind eben keine „erfahrene“, zielvergessend herumlavierende Truppe, sondern unerfahrene Jugendliche, die verständlicherweise einfach mal die Schnauze voll haben von den Politikern, die vollmundig viel versprechen und bei denen nur (klimaschädliche) heiße Luft (hinten) rauskommt.
10 Euro pro Tonne CO2? Das ist nur noch peinlich. Ich fremdschäme mich für meine (50-60) Generation von Entscheidungsvermeidern.
In diesem Sinne: Nachsicht, besser Nachhilfe in Sachen Coolness und Auftreten (war teilweise nicht schlecht!) geben, aber auch Beispiel nehmen an der Motivation, Mut geben zum Weitermachen, selbst reflektieren! Mit-machen, neue Wege mitgehen.
Wenn man alles wie bisher macht (siehe auch Herr Nix), kommt nix bei raus, das zeigt sich in allen Dimensionen von weltweit bis Konstanz. Wenn man selbst nicht weiter weiß (was er weiserweise zugibt, Hochachtung dafür), kann man Alternativen auch mal wohlwollend unterstützen und seinen Bekanntheitsgrad der Idee leihen. Zumal Herr Nix die Angst der Unerfahrenen vor Überraschungen verstehen könnte, wird er sie wohl auch schon genug kennengelernt haben.
Wenn das Theater angefragt wurde, so wurde vermutlich das Ensemble angefragt und nicht eine einzelne Nase. Frontalunterricht war einmal.
Ach, es ist immer schlimm, all die Interpretatoren zu hören, die mir Ratschläge geben. Es ist besser mehr zu schweigen, in dieser Stadt, dann erntet man keine dummen Unterstellungen.Das habe ich gelernt. Das Theater wurde angefragt, ob wir mitmachen und ich habe alle Proben im Haus verschoben, auch meine, und alle Mitarbeiter gebeten mitzugehen und die Arbeit ruhen zu lassen. Kennen sie noch eine Organisation, die das so getan hat?
Lieber Herr Eyl, genau das habe ich getan. Angekommen: Stichworte mitgeteilt und nix genutzt. Herr Köhler, ich habe keine Schuldgefühle, war weder Maoist, noch sonst was, mein Protestbilanz kann ich ihnen zeigen, ich dränge mich nicht auf, aber ich habe was zu sagen und meine Kinder haben das kapiert: die Klimakatastrophe lässt sich von der Ausbeutung der Welt nicht trennen. Ich weiss doch selbst, dass ich nichts weiß.
Selbst wenn Prof. Nix auf der Demo gesprochen hätte wie Seneca und Abraham Lincoln in einer Person – was er kann, zweifellos – hätte er den Kindern doch nicht den Zustand der Welt erklären können, die wir ihnen hinterlassen werden. Das Misstrauen, mit dem FFF Vertretern der herrschenden Generation begegnet, auch jenen, die auf ihrer Seite stehen, ist verständlich. Wir sollten vielleicht der Jugend mehr zuhören, weniger ihr Reden halten.
Herr Nix, Sie als altgedienter, durch viele Widersprüche geformter, weiser Linker hätten doch auch der Generation Ihrer Enkel eine Lektion in Demokratiepraxis erteilen können. Wenn Sie ein Papier mit drei Stichworten und dem Hinweis, Sie würden eine freie Rede halten wollen, eingereicht hätten, so wären Sie von den Organisatoren vermutlich als Redner akzeptiert worden. Ihre Bedenken in Bezug auf die Praxis der von den Organisatoren geforderten Vorauseinreichung von Manuskripten hätten Sie dann in ihrer freien Rede ausführen können. Ist es möglich, dass Ihnen Ihre Eitelkeit da im Wege stand?
Ich war heute bei der Kundgebung und bin nach kurzer Zeit gegangen. Um mich selbst zu feiern bin ich nicht gekommen und als eine Rednerin angefangen hat zu erzählen, was sie kürzlich tolles in England oder London? erlebt hat, bin ich gegangen. Bis dahin wars auch schon das Gegenteil von mitreißend, nicht mal laut wars, schade. Aber grossartig, dass so viele Leute gekommen sind!
Ach und vorher den Text lesen wollen geht gar nicht! Muss man sich halt vorher überlegen wen man einlädt und dann vertrauen…
@Mario Peters
Dass ist aber kras, das Sie dass schreiben, Herr Petzers. Hätte nicht gedacht, das dass aus Ihrer (Edel-)Feder stammt.
Christoph Nix braucht sich hier nicht zu erklären. Egal wie seine Rede komponiert gewesen wäre, die Aufforderung zum Vorzeigen ist absurd bis peinlich. Schade, dass die dogmatische Linie und die Arroganz von erfolgreichen Politikern schon so früh in diese ursprünglich imposante Bewegung Einzug hält. Was hier passiert ist, klingt nicht nach der erwarteten Weltläufigkeit und Vielseitigkeit – Eigenschaften die eine solche Bewegung dringend braucht – sondern kleinkariert und hinterwäldlerisch und eben auch, überheblich.
Übrigens: Ich nehme an, die Organisatoren haben bei dem Intendanten angefragt und ihn um einen Redebeitrag gebeten. Sie hätten sich in Bescheidenheit sehr freuen können, dass eine solche Persönlichkeit – mit genug anderen Themen und Inhalten beschäftigt – sich bereit erklärt, die Kundgebung durch lokale Brillanz zu bereichern. Insgesamt sehr schade.
Zunächst Mal eines: ich muss das alles nicht mehr machen, ich habe in dieser Stadt gutes Theater, bin in den Proben zur Eröffnung, schreibe Bücher, halte Vorträge, kämpfe gelegentlich für ein Kino und halte viele Reden für inhaltsleer, eines ist unverschämt Herr Peters, alle die mich kennen, wissen, dass ich nicht ausschweifend rede, sondern meine Reden von Takeda bis Kurdistan, Mietterror oder Hongkong, sind knapp (5 Minuten) und bildhaft, sind “ freie Reden“, die niemand zensiert oder es gibt sie eben nicht: Pech für die anderen, nicht für mich, denn „wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und hätte der Liebe nicht, so wär ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle.“ Sagt der Apostel Paulus an alle Wahlbeamten.
@Mario Peters
„Die Veranstalter“ sind nicht „die Demo“. Nix hat z. B. auf der Marktstätte eine Rede gehalten, die weder lang gedauert hat noch ausschweifend war. Im Gegenteil hat er mitreissend argumentiert und die Knackpunkte exzellent herausgearbeitet.
Ganz offensichtlich wollen „die Veranstalter“ einen nicht unerheblichen Teil der Meinungen überhören, die zu dieser Bewegung gehören wie die Luft zum Atmen. Eine Facette dieser Meinungen betrifft die Unvereinbarkeit von Kapital und Umweltschutz. Eine andere die Unvereinbarkeit von tatsächlicher Demokratie und Meinungsfreiheit.
Das Hr. Nix gerne ausschweifend und lang redet ist bekannt. Das die Veranstalter von ihrem Recht zur Gestaltung der Demo Gebrauch machen, ist so nur zu erwarten und gut.