Klimanotstand: Butter bei die Fische

Wer nach dem Gemeinderatsbeschluss zum Klimanotstand ein Abflauen der Konstanzer Bewegung erwartet hatte, wurde am vergangenen Samstag eines Besseren belehrt. Wieder demonstrierten rund 600 SchülerInnen aber auch viele Ältere für eine andere Klimapolitik – diesmal ging es grenzüberschreitend von Kreuzlingen nach Konstanz. Auf der Abschlußkundgebung im Stadtgarten stellte die lokale Fridays-for-Future-Gruppe einen ersten Maßnahmenplan vor, den man zusammen mit WissenschaftlerInnen aus ganz Deutschland erarbeitet hat. Die FfF-Mitteilung zum Plan, die Stadt bis 2030 klimaneutral zu machen, (geringfügig lektoriert) im Wortlaut.


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Gemeinsam mit Vertretern von Scientists4Future kamen die Schüler*innen zu dem Schluss, dass Konstanz als Stadt ohne nennenswerte Industrie in der Verpflichtung steht, eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen. Die Stadt Konstanz müsse daher bis 2030 treibhausgasneutral sein. „Wir haben konkrete Ziele definiert, die erreicht werden müssen, damit die Transformation unserer Stadt bis 2030 gelingen kann“, sagt Manuel Oestringer, Student an der Uni Konstanz. Als erstes Ziel im Maßnahmenplan von FfF wird eine energetische Gebäudesanierungsrate von 10 % anvisiert. Das aktuelle Bundesziel in dem Bereich liegt bei 2 %. Dieses zielt jedoch auf 95 % Treibhausgas-Reduktion bis 2050 ab, und damit auf Einhaltung der 2 Grad Grenze (1) und nicht auf die Beschränkung der Erderwärmung auf unter 1,5 Grad wie es die Resolution zum Konstanzer Klimanotstand fordert. Oestringer weiter: „10 % sind sehr ambitioniert und mit der aktuellen Priorisierung vermutlich nicht umsetzbar. Sie sind jedoch notwendig. Hier muss nun, wie es auch der Klimanotstand fordert, der Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen höchste Priorität eingeräumt werden.”

Als nächste Maßnahme sieht der Handlungsplan von FfF Konstanz vor, sämtliche nutzbaren Dachflächen in der Stadt mit Photovoltaik Anlagen auszurüsten. Dadurch soll eine weitgehend lokale, erneuerbare Energieversorgung ermöglicht werden. Der nächste Punkt ist ein sofortiges Betonverbot. Hauptkritikpunkt am Beton sind die großen, prozessbedingten CO2-Emissionen, die weltweit für etwa 5 bis 8 % (2), (3) der menschengemachten Treibhausgas Emissionen verantwortlich sind. „Wieso bauen wir noch immer mit Beton, wenn es schon längst klimaneutrale oder sogar klimapositive Baustoffe gibt?! Es ist doch keine neue Erkenntnis, das Beton klimaschädlich ist. Wir müssen endlich aufhören auf Kosten unserer Zukunft zu leben. Und zwar sofort“, empört sich Janis Baur von FfF Konstanz.

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Weiteren Handlungsbedarf sehen die Schüler*innen beim Verkehr. Hier fordert der Maßnahmenplan einen emissionsfreien Stadtverkehr und als Konsequenz daraus ab 2030 kein weiteres Einfahren von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ins Stadtgebiet. Laut FfF Konstanz kann die ökologische Wende nur mit einer gleichzeitigen drastischen Reduktion des Verkehrs gelingen. Als eine Möglichkeit für eine solche Wende nennt die Gruppe eine nach Fahrzeuggröße oder CO2-Ausstoß gestaffelte City Maut und Parkraumbewirtschaftung bei vollständiger Rückvergütung aller Einnahmen an die BürgerInnen.

Auch die letzte der fünf vorgeschlagenen Maßnahmen verfolgt das Ziel den motorisierten Verkehr in der Stadt zu reduzieren: Bis Ende des nächsten Jahres soll jeder fünfte Parkplatz durch einen Obstbaum und bienenfreundliche Stauden ersetzt werden. Nach Aussage der Gruppe wird rund ein fünftel aller Autos weniger als 5.000 km pro Jahr bewegt. In den meisten dieser Fälle wäre laut FfF ein Umstieg auf Carsharing oder öffentliche Verkehrsmittel problemlos möglich und oft sogar günstiger als das Vorhalten eines kaum genutzten Autos. FfF Konstanz Organisatorin Noemi Mundhaas: „Diese Maßnahme lädt zum Träumen ein. Klimaschutz muss nicht wehtun, sondern hat fast immer auch einen sehr großen direkten Nutzen für alle Beteiligten. Mit jedem neu bepflanzten Parkplatz, wird Konstanz lebenswerter. So schaffen wir eine schönere Welt für uns alle.“

MM/jüg (Foto: FfF Konstanz)


(1) Bundesministerium für Umwelt, Bau und Reaktorsicherheit 2016: Klimaschutzplan 2050
(2) Klimaschutz in der Zement und Betonindustrie – Hintergrund und Handlungsoptionen, WWF Deutschland 2019
(3) https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/zement-der-unbekannte-co2-schlucker-a-1122551.html


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Wahlprüfsteine zum Klimaschutz

Welche Positionen vertreten die sieben Parteien und Wählervereinigungen, die um Gemeinderatsmandate kämpfen? Eine Zusammenstellung ihrer Stellungnahmen zu Prüfsteinen, die Naturschutzorganisationen, Umweltgruppen und die Studierendenvertretung der Uni ausgearbeitet hatten, ist hier nachzulesen.