Kompromiss bei Bebauung des Landeplatzes?
Der Streit um den Konstanzer Landeplatz, den nur Laien ‚Flugplatz‘ nennen, könnte ein friedliches Ende nehmen. Ein ganz frischer Vorschlag aus dem Regierungspräsidium sieht eine Parallelnutzung des Geländes vor – ein 100 m breiter Streifen könnte weiter als Landebahn genutzt werden, während der verbleibende, größere Raum der Gewerbeansiedlung dienen könnte. Ein Vorschlag, über den auch die Kritiker „nachdenken könnten“.
Gestern wurde das lange erwartete Wertschöpfungsgutachten zum Verkehrslandeplatz Konstanz vorgestellt – zunächst der Presse, später im Wirtschaftsausschuss. Judith Kurte vom Kölner Planungsbüro KE-Consult präsentierte Modellrechnungen zu vier mögliche Szenarien über die Zukunft des Flugplatzes – zwei davon schlagen vor, den Flugverkehr beizubehalten. Zwei weitere Szenarien schließen den Flugverkehr vollständig aus und sehen den Platz als reine Gewerbefläche vor. Die Stadt könnte dadurch in den kommenden 20 Jahren bis zu 60 Mio. Euro an Gewerbesteuer einnehmen, gleichzeitig könnten über 800 Arbeitsplätze neu geschaffen werden, so die Gutachterin – die gesamte Wertschöpfung reicht von 12,2 Mio. Euro im schlechtesten Szenario bis zu 248,5 im besten.
Mehr Gewerbesteuer ist das Ziel
Das sei auch dringend nötig, verteidigten Baubürgermeister Langensteiner Schönborn und Wirtschaftsförderer Friedhelm Schaal das 25 000 Euro teure KE-Gutachten. „Wir brauchen dringend Baugrund für Gewerbeflächen – derzeit befinden sich nur noch 4000 Quadratmeter in städtischer Hand. Und: Zur Zukunftssicherung peilen wir die Marke von 60 Millionen an Gewerbesteuer an – derzeit sind es nur 40 Millionen“, so der Bürgermeister. Diensteifrig pflichtete Friedhelm Schaal bei, dass ihm 100 Anfragen ansiedlungsfreudiger Betriebe vorlägen, die er gegenwärtig nicht befriedigen könne. Warum dann das Kompetenzzentrum seit Jahren leer steht – diese Antwort vermied der Wirtschaftsförderer.
Das aber interessiert Berndt Stadelhofer, als Chef der Ultraleichtflug Konstanz GmbH einer der schärfsten Kritiker einer Bebauung des Flugplatzes. Er bezweifelt die Zahlen-Angaben aus der Wirtschaftsförderung, meint aber auf Nachfrage zum Vorschlag einer Parallelnutzung: „Darüber kann man nachdenken“.
Ein Vorschlag aus Stuttgart
Denn erst vor wenigen Tagen platzte das Regierungspräsidium Stuttgart (zuständig für Fragen um den Flugverkehr) mit einem Vorschlag in die festgefahrene Diskussion: Ein für den Flugbetrieb erforderlicher Geländestreifen von fast 100m Breite könnte als Landebahn genutzt – auf dem verbleibenden Streifen von gut 140m Breite dann Gewerbe angesiedelt werden. Das wären immerhin 15ha von insgesamt 23ha, die der Flugplatz umfasst.
So oder so – weder das KE-Gutachten von Frau Dr. Kurte (Foto) noch der Vorschlag aus Stuttgart verstehen sich als Empfehlungen, sondern nur als Diskussionsgrundlage für die politischen Entscheider. Dem Gemeinderat und seinen Ausschüssen nämlich steht jetzt ein gewaltiges Stück Arbeit bevor: Das umfangreiche Gutachten will bewertet werden (und dazu zählen auch die Gutachten zum Hochwasserschutz und zu faunistischen Auswirkungen, auf denen die KE-Bewertung fußt), bevor es im Herbst 2017 zu einer Abwägung kommt, die überdies dann in ein „städtebauliches Entwicklungskonzept“ einfließen soll.
hpk
Das Gutachten ist unter konstanz.de abrufbar.
Nach eigenem Augenschein wird der Parkplatz an den Einkaufstagen schon gut genutzt, ganz ohne Seilbahn; an den gleichen Tagen ensteht der Stau schon zwischen Autobahnzoll und Brückenkopf Nord/ Reichenaustr. . Eine Seilbahn bringt deshalb da genau nichts.
@Bernd Kern
Leider nichts verstanden. Mir doch egal.
@minotti: In Ihrem Kommentar kann ich leider kein einziges Gegenargument* zu meinen Ausführungen entdecken. Ich lasse mich nämlich durchaus auch von stichhaltig vorgetragenen Gegenargumenten überzeugen.
Die anderen Kommentare unten beschränken sich in wohltuender Weise auf sachliche Argumente, ohne polemisch zu werden (und benötigen aus diesem Grund vermutlich auch kein Pseudonym).
*Weder Rio noch Koblenz taugen zu einem Vergleich mit dem Konstanzer Seilbahnprojekt: In Koblenz baute man die Seilbahn, um eine umweltfreundliche Verkehrsverbindung für die Landesgartenschau zu schaffen. Als sie später demontiert werden sollte, protestierten 100 000 Menschen mit ihrer Unterschrift dagegen. Die Seilbahn läuft meines Wissens heute noch erfolgreich.
Die Seilbahn in Rio über eine Favela hinweg war von Anfang an umstritten und wohl eher als Prestigeobjekt gedacht. Kein Wunder, dass sie momentan stillsteht.
In Bolivien entstehen zwischen El Alto und La Paz zusätzlich zu den bestehenden drei Seilbahnen sechs weitere und werden dort als umweltfreundliche Alternative zum zähen Straßenverkehr zwischen den beiden Städten sehr geschätzt.
Warum das Konstanzer Seilbahnkonzept funktionieren könnte, habe ich bereits in meinem früheren Kommentar erläutert.
Drahtseilbahnstadt Konstanz – da schlaf ich vor lauter Vorfreude schon mal ein. Schließlich hat bereits fast jede vergleichbar bedeutende Stadt weltweit damit ihre Verkehrsprobleme final gelöst (Rio de Janeiro, Koblenz). Und wenn dann die Abiturient*innen nach lästigen Studien und anstrengenden Auslandsaufenthalten endlich wieder in der geliebten Heimat landen, dann können sie bequem von jeder beliebigen Seehas-Haltestelle aus direkt zum neuen Lidl auf dem ehemaligen Verkehrslandeplatz gondeln und Regale einräumen.
„Flughafen“ wegen Alternativlosigkeit weg und drohende „Deindustrialisierung“ mit Gewerbeansiedlung stoppen – nicht zu toppen!
Herr Kern, da fehlt mir echt nix mehr zu ein, dass ist echt der Kracher. Gastromische Grüße von jemandem, dessen sämtliche Gymnasiallehrer noch die deutsche Rechtschreibung beherrscht haben.
@Bernd Kern.
Eine komplett neue Stadtteilentwicklung „Hafner Nord“ ist bereits beschlossen. Dort sind bereits 15 ha Gewerbefläche fest geplant:
http://www.konstanz.de/umwelt/01029/07657/index.html?lang=de&download= NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCGdYB7g2ym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A–
Auf die zahlreichen schlecht genutzten Flächen im Gewerbegebiet will ich an dieser Stelle gar nicht genauer eingehen, da schlummert aber auch ein großes Potential.
Das größte Wachstumsproblem der meisten Unternehmen ist vor der Flächenerweiterung allerdings der Fachkräftemangel und die Fast-Vollbeschäftigung in Konstanz (insofern wundert es mich, dass Ihre Abiturienten nichts finden). Hinzu kommt die Problematik des Wohnraummangels, was wiederum das Anwerben von Mitarbeitern außerhalb der Gegend extrem erschwert.
Würden zusätzlich zu den beschlossenen 15 ha bei Hafner Nord noch 23 ha beim Flugplatz hinzukommen, wären dies zusammen ca. 37% Zuwachs an Gewerbefläche (derzeit hat Konstanz 103 ha Gewerbefläche). Die Bevölkerungsprognose der Stadt liegt in den nächsten knapp 20 Jahren im optimistischsten Fall bei ca. 10%, im pessimistischsten Fall geht die Bevölkerung sogar zurück (siehe ebenfalls den Link oben).
Viele meiner Abiturienten könnten sich gut vorstellen, nach ihrem Studium und ihren Auslandsaufenthalten in ihre Heimatstadt am Bodensee zurückzukehren – allein es fehlen ihnen die dafür erforderlichen Arbeitsplätze. Nicht jede(r) kommt an der Uni unter oder will im Einzelhandel oder der Gastromie arbeiten.
Mir fehlt momentan außer dem Flughafenareal kein weiteres ein, dass geeignet wäre, durch Gewerbeansiedlungen in großem Stil den Prozess der Deindustrialisierung in Konstanz zu stoppen.
@Sabine Purkott: Wie bringt man die (Einkaufs-)Touristen dazu, ihr Auto rechtsrheinisch bei der Schänzlebrücke zu parken, um dann auf ein anderes Verkehrsmittel umzusteigen?
Mit dem Stadtbus, der dann später im Stau steckt, offenbar nicht, und auch das Wassertaxi erfordert wie der Bus zu lange Wartezeiten. Bleibt also nur die pfiffige Idee, den Umstieg durch eine Seilbahn schmackhaft zu machen: Umlaufende Gondeln verhindern lange Wartezeiten; dazu kommt, dass Seilbahnen eine ideale Ökobilanz vorzuweisen haben – vom Reiz, über den Seerhein und die Laube an den Rand der Altstadt zu schweben ganz zu schweigen.
Wachstum ist auch so ein Zauberwort!
Zur weiteren Verdichtung in unserer Stadt, die zum Glück noch kein asiatisches Format hat, gehört u.a. die Frage und Diskussion der sozialen Verträglichkeit.
Kann Konstanz sich zur „Großstadt“ entwickeln oder ist der Preis für eine solche Richtung zu hoch?
Noch immer gibt es Leerstand, keine adäquate Nutzung von Gebäuden, Räumen.
Hier passiert politisch nichts bzw. zu wenig.
Anstatt immer mehr Boden zu versiegeln, könnten sich die „Entscheidungsträger“ mal mit anderen Bauformen auseinandersetzen, die weniger Land verbrauchen und die Natur wirklich miteinbeziehen.
Grüne Lungen sind in allen Stadtteilen wichtig. Bei immer mehr Individualverkehr braucht es „Oasen“.
Gewerbegebiete und Einkaufszentren im Speckgürtel von Städten, auch hier vor Ort gibt es eindrückliche Beispiele, sind vielfach eine Sammlung billig gebauter Scheußlichkeiten.
Qualitative Architektur muß auch den nicht vorhandene Raum in Konstanz bedenken.
Die Stadt könnte mutige Vorgaben machen, was ihr und ihren BürgerInnen wichtig ist!
Steuereinnahmen! Steuereinnahmen! Das Zauberwort.
Beeindruckend woher diese Gutachten immer wissen wie unsere Wirtschaft und Politik sich in den nächsten Jahren entwickeln wird und welche Unternehmen sich hier ansiedeln, die nicht ihren Steuersitz in Deutschland haben (auch hier hat die Stadt Konstanz ausreichend Erfahrungen gemacht – „Steuerrückzahlungen“!). Oder sollen wir wieder einmal den Aussagen unseres Wirtschaftsförderers Glauben schenken.
Der erste Schritt um nicht immer mehr Steuereinnahmen zu generieren, sollte doch der verantwortliche Umgang mit Steuereinnahmen sein. Stattdessen sehen die Bürger wofür Steuereinnahmen ausgegeben werden. Man denke nur an ein Bodenseeforum, an Konzepte für Seilbahnen (nicht für Konstanzer, sondern für unsere Nachbarn), ein Kompetenzzentrum (ein echter Schandfleck), eine verunglückte Planung eines Bahnhofvorplatzes, die Liste wäre lang. Gehen wir mit unseren Ressourcen die wir noch haben nachhaltiger um, als dies von der städtischen Verwaltung getan wird.
Steuereinnahmen sind das EINE aber der verantwortliche Umgang damit DAS ANDERE. Und genau dies erwarten die Bürger dieser Stadt von der städtischen Verwaltung.