Konstanz bekommt keine/n Klimabürgermeister/in (II)
Der Konstanzer Gemeinderat debattierte sehr intensiv über die geplante Stelle eines/r Klimabürgermeisters, der dieses zentrale Zukunftsthema innerhalb der Verwaltung bearbeiten sollte. Doch daraus wird nichts, es bleibt bei der hergebrachten Struktur mit drei Dezernenten: Neben dem OB Uli Burchardt sind dies Andreas Osner (Soziales, Bildung, Sport, Gesundheit und Kultur) und Karl Langensteiner-Schönborn (Bau, Stadtplanung, Umwelt, Klimaschutz, Entsorgungsbetriebe, Technische Betriebe usw.).
In der Debatte gab es viele Argumente für oder gegen ein eigenes Klimadezernat, wir dokumentieren hier zwei Positionen: Gestern lasen Sie den Beitrag von Jürgen Ruff (SPD), heute veröffentlichen wir die gegenteilige Meinung, vertreten durch Simon Pschorr (LLK).
Teil 2/2
Hohes Haus,
wir halten die Einrichtung eines Klimabürgermeisters für eine richtige, weil nicht nur symbolische Entscheidung. Ehrlich gesagt kann ich nicht verstehen, wie so viele Stimmen in diesem Haus dieses Narrativ reproduzieren. Was ist an der Einrichtung einer Dezernentenstelle Symbol? Eine Dezernentenstelle ist nicht nur repräsentativ, sie hat nicht nur Außenwirkung. Da geht es ja nicht nur darum, die Bürgerschaft anzusprechen, das ist nur eine der Funktionen einer Dezernentenstelle, eine wichtige zwar, aber nicht die einzige – Herr Oberbürgermeister hat es ja gerade angesprochen.
Aus welchen weiteren Gründen habe ich denn noch Dezernenten? Ich habe Dezernenten neben der Repräsentationsfunktion zum Zwecke der Durchsetzung. Ein Dezernent ist in der Lage, nicht nur nach außen, sondern auch nach innen zu sprechen. Nicht nur die Bürgerschaft Zu adressieren, sondern auch die Verwaltung. Nicht nur die politische Gemeinschaft mitzunehmen, sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und im Zweifel Anweisungen zu erteilen und Dienstaufsicht auszuüben, wenn es notwendig sein sollte. Das ist die zweite Funktion eines Dezernenten. Und die dritte Funktion eines Dezernenten ist Koordination und Integration. Ein Dezernent ist in der Lage, amtsübergreifend Themen zu verfolgen. Warum: ein Dezernent ist in der Lage, in der Dezernentenrunde Abstimmung mit anderen Dezernentinnen und Dezernenten zu leisten. Sich auf ein gemeinsames Ziel zu einigen, ist Gegenstand und Aufgabe gerade der Dezernentinnen und Dezernenten.
Amtsleiterinnen und Amtsleiter agieren in ihrem Amt und damit untergeordnet unter ein Dezernat – im Rahmen des Dezernats. Wir sehen an verschiedenen Stellen, insbesondere an bestehenden Einrichtungen, wie schwierig es ist, dezernatsübergreifend Amtsarbeit zu leisten. Um diese amtsübergreifende Arbeit effektiver zu gestalten, kann ein Dezernent wirken, weil er in der Lage ist, auf gleicher Ebene mit den Dezernentinnen und Dezernenten zu operieren und zu agieren.
[the_ad id=“87862″]Und dazu gehören, das haben wir hier heute bereits gehört, nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch Widersprüche. Aber auch hier verstehe ich das hohe Haus nicht: Ich habe jetzt mehrfach gehört, dass es zu Streit zwischen Ausschüssen und zwischen Dezernentinnen und Dezernenten kommen kann. Sagen Sie, leben wir in einer Demokratie oder tun wir es nicht? Eine Demokratie lebt vom Widerstreit der Meinungen. Demokratie lebt davon, dass man sich austauscht und dass man nicht immer einer Meinung ist. Demokratie hat es an sich, dass wir – wie wir es heute hier tun – um die beste Lösung streiten. Und dazu gehört es auch, dass Gleichgeordnete mit gleicher Stimme miteinander streiten können. Demokratie funktioniert in hierarchischen Strukturen nicht, weil Hierarchie gleichgeordnete Meinungsbildung unterbindet. Weil am Ende des Tages der Ober den Unter sticht. Deshalb geben wir dem Klimaschutz einen Ober, damit er in den Dezernentenrunden auf gleicher Ebene vertreten, besprochen und abgestimmt werden kann.
Natürlich kann es passieren, dass der Klimaausschuss A und der HFA B sagt. Wir werden am heutigen Tag erleben, dass der Sportausschuss A, der HFA B und der Gemeinderat möglicherweise C sagt. Das ist Demokratie Und das gehört dazu, hohes Haus! Es gehört dazu, dass man manchmal seine eigenen Entscheidungen überdenkt und dass das eine Gremium, das ‚so‘ zusammengesetzt ist, A – und das andere Gremium, das anders zusammengesetzt ist, B sagt und deshalb am Ende bei maßgeblichen und zentralen Aufgaben ein Plenum entscheidet. Nichts anderes soll mit einem Klimabürgermeister, einer Klimabürgermeisterin passieren.
Ich würde mir wünschen, dass diese Aufgabe nicht so vordringlich wäre, dass sie eines eigenen Dezernenten bedürfte. Aber insoweit kann ich mich Frau Faustein anschließen: Gehen sie raus vor die Tür! Nehmen sie die 40 Grad mit! Und dann sagen Sie mir noch einmal, dass wir keinen Klimadezernenten brauchen.
Text: Simon Pschorr/red. Bild: Archiv.
Hallo Herr Esper,
wie interpretieren Sie Ihre recherchierten Zahlen? Wollen Sie gar einen Vergleich wagen oder andeuten? Kann man auf dieser Basis überhaupt eine ärmere Stadt wie KN z.B. mit Tübingen vergleichen? Meinen Sie nicht, da hinkt zu viel?
Boris Palmer (Tübingen): 44 Einwohner pro MA in der Verwaltung.
Uli Burchardt (Konstanz): 66 Einwohner pro MA in der Verwaltung.
Um dem subjektiven Gefühl mal ein paar Fakten entgegen zu stellen, hier mal einige Referenzgrößen aus einer kurzen Recherche zu Städten mit vergleichbarer EW-Zahl (Konstanz, 86.000 EW, 1.300 MA in der Verwaltung), zu denen Daten auffindbar waren:
Reutlingen (115.000 EW): 2.600 MitarbeiterInnen
Tübingen (92.000 EW): 2.100 MitarbeiterInnen
Villingen-Schwenningen (86.000 EW): 1.700 MitarbeiterInnen
Kaiserslautern (100.000 EW): 2.300 MitarbeiterInnen
Ludwigsburg (94.000 EW): 1.800 MitarbeiterInnen
Esslingen (92.000 EW): 1.700 MitarbeiterInnen
Kempten (69.000 EW): 1.300 MitarbeiterInnen
@Herr Albicker: Ich habe nicht verglichen, insofern hinkt nichts.
@ Herr Martin,
nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich……
Herr Krause, ich stimme Ihnen vollkommen zu.
@Thomas Martin
Ich wäre – wie geschrieben – für eine Verwendung der Gelder in den technischen Betrieben der Stadt: Also eben zuallererst bei den Menschen, die „mit der Hand schaffen“: Busfahrer, Handwerker, Stadtreinigung etc. Dies dürften ohnehin die Bereiche sein, die für einen „klimagerechten Stadtumbau“ am meisten gebraucht werden. Irgendjemand muss ja die erforderlichen baulichen und verkehrtechnischen Maßnahmen umsetzen, die die Planer und Entwickler planen und entwickeln. Nur weil eine Wärmepumpe auf den Planungspapier steht, steht sich noch nicht vor dem Haus und pumpt….
Herr Krause,
was das Kernthema des Artikels angeht, sehe ich das genau wie Sie.
Was aber die Verteilung des „eingesparten“ Geldes angeht, soll bitte ganz genau hingeschaut werden, wem eine bessere Bezahlung zufließen soll: bei Busfahrer oder KOD ist das sicher sinnvoll. Für den gesamten Verwaltungsapparat bezweifle ich die Sinnhaftigkeit von Gehaltserhöhungen erheblich. Ich habe kürzlich gelesen, dass der Verwaltungsapparat der Stadt Konstanz mit ca. 85.000 Einwohner, eine Stadt mit ca. 120.000 Einwohner verwalten könnte. Ob das tatsächlich stimmt, kann ich objektiv und fachlich nicht beurteilen, aber subjektiv gesehen bin ich von der Aussage überzeugt – in diese Richtung gehen jedenfalls meine persönlichen Erfahrungen mit der Stadtverwaltung. Manchmal hilft länger und mehr arbeiten!
@ Dr. Peter Krause
sehr gut !
Ein Klimabürgermeister plus das entsprechende Dezernat kosten Geld – mein Geld. Die Frage ist: Was bekomme ich als Bürger für das Geld?
Vor dem Hintergrund, dass zumindest gefühlt nahezu jeder in der städtischen Politik für den Klimaschutz ist, allen voran der Oberbürgermeister, sehe ich keinen Mehrwert in einem solchen neuen Posten: Das Problembewusstsein dürfte wohl hinreichend vorhanden sein.
Vorschlag: Das „eingesparte“ Geld nehmen und die Kollegen und Kolleginnen in den technischen Betrieben (z.B. Busfahrer) besser bezahlen und neue Leute einstellen, die dann (Achtung! überspitze Formulierung!!) die konkrete und handfeste tagtägliche Arbeit (auch für Klimaschutz/Nachhaltigkeit) machen.
kein guter Artikel der LLK ! Der gestrige Artikel der SPD war deutlich besser !