Konstanz erklärt sich zum sicheren Hafen
In der gestrigen Gemeinderatssitzung wurde der Antrag der Linken Liste, sich der Erklärung von bisher 18 deutschen Städten zum „sicheren Hafen“ anzuschließen, kontrovers diskutiert und letztlich mit einer passablen Mehrheit angenommen. Damit ist ein wichtiges Signal zugunsten von Flüchtlingen und gegen rechts sowie gegen die europäische Abschottungspolitik gesetzt. Außerdem machten engagierte Kinder spektakulär auf die massive Vermüllung der Konstanzer Uferzonen aufmerksam.
Die Bilder sind nur zu bekannt: Menschen, die im Mittelmeer auf Schlauchbooten um ihr Leben kämpfen, aufgedunsene Körper von Ertrunkenen an Urlaubsstränden, notdürftig in Decken gehüllte, halb verdurstete Elendsgestalten. Dagegen setzt Europa zunehmend auf eine Abschottungspolitik, mit der es sich das Elend seiner Nachbarn vom Halse halten will.
Tausendfacher Tod
Anke Schwede (LLK) erinnerte in ihrer Begründung des Antrages, Konstanz zum sicheren Hafen zu erklären, daran, dass in diesem Jahr bereits über 1500 Menschen im Mittelmeer ertrunken sind und dass die SeenotretterInnen zunehmend kriminalisiert und Rettungsschiffe in Häfen abgewiesen werden. „Die Linke Liste Konstanz möchte mit dem vorliegenden Antrag ein Zeichen setzen, dass die Politik Menschen in Not nicht allein lässt und die Bühne nicht den Fremdenfeinden überlässt. Auch in der Stadt Konstanz findet sich eine Vielzahl von engagierten, begeisterten Menschen, die sich für Belange von Geflüchteten einsetzen und nicht zulassen wollen, dass diese aufgrund rechter Hetze marginalisiert werden.“
Die LLK hatte folglich beantragt:
1. Die Stadt Konstanz erklärt sich zum „sicheren Hafen“. Sie erklärt gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die unbedingte Bereitschaft, auch über die bundesrechtlichen Pflichten hinaus Bootsflüchtlinge aufzunehmen.
2. Die Stadt Konstanz schließt sich dem Appell der Stadtoberhäupter der Städte Düsseldorf, Köln und Bonn vom 26.07.2018 an.
Schwede wies darauf hin, dass sich diesem Aufruf mittlerweile 18 deutsche Kommunen angeschlossen haben, darunter auch Freiburg und Heidelberg, und dass sich der „Arbeitskreis Runder Tisch – Begleitung von Flüchtlingen in der Stadt Konstanz“ für diesen Appell ausgesprochen hat.
Der OB ist dagegen
Sehr skeptisch zeigte sich Oberbürgermeister Uli Burchardt. Er nannte diesen Appell ein Bekenntnis, das man als politisches Signal nur unterstützen könne, aber das alles sei ein reines Lippenbekenntnis. In Konstanz fehlen nach seinen Angaben 300 Plätze zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen, weshalb diese Menschen in anderen Gemeinden wohnen müssen, so dass Konstanz praktisch als sicherer Hafen für weitere Flüchtlinge ausfalle und niemanden aufnehmen könne. „Wir haben, als die Not am größten war, massenhaft Menschen untergebracht, und würden das in derselben Situation auch wieder tun, obwohl wir uns in einer der oder vielleicht der schwierigsten Lage aller Städte in ganz Deutschland befinden.“ Das hörte sich eher nach das Boot ist voll denn nach sicherem Hafen an.
Gegen Konstanz als sicheren Hafen sprach sich auch Alfred Reichle (SPD) aus, der dem Antrag zwar aus menschlicher Sicht zustimmen mochte, aber den Konstanzer Gemeinderat für nicht zuständig hielt. Nach seiner Ansicht ist die Flüchtlingspolitik Sache des Bundes. Dass er seine Parteigenossen in Berlin, die dort ja wacker mitregieren, von der Übernahme dieser Erklärung überzeugen wolle, sagte er allerdings nicht. Der Rest seiner Fraktion stimmte für den Antrag.
Persönliche Erfahrungen
Praktische Erfahrungen, was das Schicksal von Flüchtlingen anbelangt, führte Anne Mühlhäußer (FGL) ins Feld. „Wir Europäer haben Glück, hier geboren zu sein und in Frieden und Wohlstand leben zu können. Wir haben aber auch eine Verpflichtung den Armen gegenüber.“ Sie erzählte von einer syrischen Familie, die in Konstanz lebt und auf der Flucht über das Mittelmeer beinahe umgekommen ist. Sie arbeitet als Lehrerin mit einem der Kinder, das aber wegen seiner traumatischen Erlebnisse praktisch kaum beschulbar ist und vielleicht lebenslang mit diesen Erfahrungen zu kämpfen haben wird, weshalb sie sich dem Antrag der Linken anschloss.
Sichtlich bewegt war auch ihr Fraktionskollege Normen Küttner, der selbst im Rettungsdienst tätig ist. Er erinnerte daran, wie sehr man noch beim Thema Konzilsfeierlichkeiten das Hohelied von Europa gesungen habe, er als Rettungsdienstmitarbeiter aber schäme sich für Deutschland und Europa, wenn er sehe, wie Seenotretter inzwischen kriminalisiert würden.
Am Ende gab es 21 Ja-Stimmen für den Antrag der Linken Liste, unter anderem auch von der FDP und Teilen der FWK. Damit will sich, wie es im Antrag heißt, auch Konstanz gegen die vermeintlich herrschende Stimmung stellen, dass „Zäune und Mauern statt eines gerechten europäischen Verteilsystems die Not der Geflüchteten lösen können“. Am Ende siegte bei einer Mehrheit der Gemeinderätinnen und -räte also die Humanität.
Was man so findet, wenn man sucht
In der Bürgerfragestunde gab es einen überraschenden Auftritt. Ans Mikrofon traten vier Kinder, die mit entsprechenden Werkzeugen bewaffnet ein Stück Ufer geputzt haben. Ihre Funde – Zigarettenkippen, Kronkorken etc. – hatten sie in Plastiktüten mitgebracht, die sie dem OB überreichten. Sie konstatierten, dass sie auf wenig mehr als 100 Quadratmetern Uferfläche allein 4153 Zigarettenstummel aufgelesen hätten, was immerhin ausreichend sei, 800.000 Liter Trinkwasser unbrauchbar zu machen.
Ihre Frage, was denn gegen diese Vermüllung unternommen werden solle, brachte selbst den rhetorisch sonst so quicklebendigen Uli Burchardt in sichtliche Verlegenheit. Er erklärte, dass das natürlich alles sehr peinlich sei und dass das Wegwerfen von Kippen etc. dort gar nicht erlaubt ist. Man darf schon gespannt sein, ob der der nächsten Generation eines Tages eine zündendere Antwort einfällt.
O. Pugliese (Text & Foto)