Konstanz: Kassensturz in Katastrophenzeiten
Es ist so langsam an der Zeit, an „nachher“ zu denken, deshalb wird sich der Konstanzer Gemeinderat in seiner morgigen öffentlichen Sitzung im Bofo mit der wirtschaftlichen Seite der Seuche befassen. Die Auswirkungen auf die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden sind erheblich, und die Verwaltung hat einen Stufenplan zur Entscheidung über Einsparungen vorgeschlagen, der zunehmend konkretisiert werden soll, je deutlicher die tatsächlichen haushaltstechnischen Folgen von Corona werden.
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Der Tagesordnungspunkt, der in der morgen um 16.00 Uhr im Bofo beginnenden Sitzung die größte Beachtung finden dürfte, ist TOP 3, „Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den städtischen Haushalt – Einsparvorschläge der städtischen Ämter und Einrichtungen (Stufe 1)“. Die Vorlage der Verwaltung verfolgt zwei Ziele: 1. Das künftige Vorgehen abzustimmen und damit auch einen groben ersten Zeitplan festzulegen. 2. Erste Einsparungen zu beraten.
Stufenplan
Bisher wurden eine partielle Haushaltssperre verhängt und die städtischen Ämter gebeten, Einsparvorschläge für ihren Bereich zu unterbreiten, letztere liegen inzwischen vor. Der nächste Schritt soll getan werden, sobald eine aktuelle Steuerschätzung vorliegt. Diese wird für Ende Mai erwartet und könnte unter Fachleuten blankes Entsetzen hervorrufen.
Kommunen wie die Stadt Konstanz sind auf hohe Gewerbesteuereinnahmen angewiesen, und für diese Steuer sind geschlossene Läden, verwaiste Produktionshallen und menschenleere Büros natürlich Gift. Auch die Einnahmen der Eigenbetriebe wie Theater, Philharmonie oder Bofo sind massiv eingebrochen, selbst auf der Fähre und in den Bussen herrscht gespenstische Ruhe, und kaum jemand kann sich noch erinnern, wie ein Tourist in Spendierhosen überhaupt aussieht. Der Stadt Konstanz könnten am Jahresende – bei einem Jahresetat in der Größenordnung von 300 Millionen Euro – 30 oder gar 50 Millionen fehlen, und das ist wahrlich kein Pappenstiel.
Mögliche Haushaltsmaßnahmen
Es gibt mehrere Arten prinzipiell verschiedener Einsparungen, an die die Stadtverwaltung derzeit denkt.
– Es gibt Vorhaben, für die Mittel im Haushalt 2020 stehen, die aber „aufgrund von Verzögerungen im Bauablauf nicht vollständig im Jahr 2020 benötigt werden. Diese Mittel werden im Haushaltsjahr 2020 (teilweise) gesperrt und sind in Folgejahren zwingend wieder einzuplanen.“ Dazu zählen vor allem bauliche Maßnahmen an Schulen wie der Geschwister-Scholl-Schule, der Gebhardschule und der GS Wollmatingen, aber auch die Sanierung des Bahnhofsplatzes oder die Verlegung des Grenzbachs am Döbele.
– Es gibt Vorhaben, die aus Sicht der Verwaltung „im Jahr 2020 weitergeplant und im Jahr 2021 umgesetzt bzw. begonnen werden“ sollten. Dazu zählen u.a. die Medienausstattung an Schulen, das Bürgerhaus in Dettingen oder die Rettungsbootsstation Seerhein. Auch damit ist zwar nicht wirklich Geld eingespart, aber die Haushaltslage für 2020 wird entspannt, und man kann auf bessere Zeiten hoffen (CDU: dafür beten).
– Andere Vorhaben sollen zwar jetzt geplant, aber über 2021 hinaus in den nächsten Haushalt oder noch weiter verschoben werden. Dazu zählen vor allem Baumaßnahmen am Rathaus, fürs Café Mondial, am Stadttheater, im Kinderhaus Paradies oder Sanierungen bzw. Verbesserungen für den Radverkehr und viele andere.
– Es gibt Vorhaben, die man gleich ganz bleiben lässt: 64.029,- Euro sollen an Stellplätzen hinter der Mehrzweckhalle eingespart werden.
Das alles gibt nur eine grobe Richtung vor. Was tatsächlich passiert, dürfte sich erst nach der Steuerschätzung abzeichnen. Außerdem ist das alles ohnehin Spökenkiekerei, denn niemand weiß, ob sich das Virus bald verzieht – oder einfach nur mal eine Pause eingelegt hat.
Die Versuchung
Es ist absehbar, dass massiv gespart werden soll, und das könnte die Verwaltung natürlich in Versuchung führen, freiwillige soziale Maßnahmen zu kassieren, die den Bürgerlichen eh seit jeher ein Dorn im Auge sind. Es ist deutlich absehbar, dass die Pandemie den ärmeren Teil der Bevölkerung durch Kurzarbeit oder Jobverlust erheblich stärker treffen wird als die Bessergestellten, die über Rücklagen verfügen, als Immobilienbesitzer Miete kassieren oder es eh nicht nötig haben, sich über Geld Gedanken zu machen. Dass die derzeitige Situation insbesondere für Obdachlose eine Katastrophe ist, erschließt sich von selbst, ebenso wie dass die Obdachlosenzahlen steigen werden.
Das heißt, dass die Städte und Gemeinden Unterstützung von Land und Bund brauchen, die ihnen zwar gern Aufgaben zuweisen, sie finanziell aber an der kurzen Leine halten.
Das haben auch PolitikerInnen verstanden. DIE LINKE Baden-Württemberg etwa fordert einen Schutzschirm für Kommunen: „Die bislang zugesagte Soforthilfe des Landes ist unzureichend, weil die Kommunen nach der Corona-Krise mit einem öffentlichen Konjunkturprogramm, das die örtliche und regionale Wirtschaft und das Handwerk besonders berücksichtigt, zum wichtigen Träger des Wiederaufbaus werden müssen.“
Kommunen stärken
Bund und Land, und diese Forderung ist auch aus anderen politischen Lagern zu hören, müssen die Kommunen unterstützen, bis die Lage sich wieder normalisiert hat. Die Linken haben eine Art „Handlungsprogramm Corona“ entwickelt, das vor allem vermeiden soll, dass die sozial Schwächeren am Ende direkt oder indirekt die Zeche bezahlen müssen. Zu ihren Forderungen zählen die Hilfe für Obdachlose und Menschen mit Niedrigeinkommen ebenso wie die Versorgung sämtlicher BürgerInnen mit Wasser und Strom, selbst wenn sie die gerade nicht bezahlen können. Auch die Tafeln – so beschämend diese Art der mildtätigen Armenspeisung auch sein mag – sollen mit kommunaler Unterstützung wieder geöffnet und das Gesundheitswesen in öffentlicher Hand gestärkt werden. Kommunaler Wohnraum soll zudem sozialverträglich vergeben werden, Geflüchtete sollen statt in Massenunterkünften in Hotels und Pensionen untergebracht werden – und natürlich sollen Kurzarbeitende in öffentlichen Betrieben eine Aufstockung erhalten.
Dass andere politische Gruppierungen andere Schwerpunkte setzen und beispielsweise statt sozialer Maßnahmen lieber die Autohersteller subventionieren wollen, damit deren Dividenden nicht einbrechen, versteht sich von selbst. Die Bundes-FDP formuliert auf ihrer Homepage ein „Akut-Programm für die Wirtschaft“, das der „arbeitenden Mitte und den Betrieben“ zugute kommen soll; sie ist ausdrücklich gegen eine zusätzliche Besteuerung für Reiche und Superreiche, da es gelte, wirtschaftliche „Substanz“ auf- statt abzubauen. Aus liberaler Sicht sind Freiheit und Verantwortung die besten Gegenmittel gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Wer auf Gott vertraut und feste um sich haut, hat nicht auf Sand gebaut, soll das wohl heißen. Apropos Gott: Die CDU hebt auf ihrer Homepage derzeit neben ihrer Besonnen- und Entschlossenheit im Kampf gegen das Virus ganz besonders die Einrichtung einer jüdischen Militärseelsorge hervor.
Damit wird eines deutlich: Es gibt auch momentan sehr verschiedene Krisen, je nach Kontostand und Klassenzugehörigkeit. Bleibt also wachsam.
O. Pugliese (Bild: Bin im Garten / CC BY-SA)
Podcasts der Sitzung gibt es bereits morgen ab 17 Uhr hier.
Die Tagesordnung findet sich hier.
Alle Kommunalpolitiker, die sich aus Verblendung oder Duckmäusertum den völlig unverhältnismäßigem „lockdown“ – Maßnahmen angeschlossen haben, sind mitschuldig an deren Folgen.
Wirtschaft geht nur mit Vertrauen in die Zukunft.
Das Gefährliche ist nun der Investitionsschock in Industrie und Handel, der aufgrund des Vertrauensbruchs ausgelöst wurde.
Der Herbst wird es zeigen.
Es wird brutal.