Konstanz: Trotz Wohnraumnot stehen 230 Wohnplätze leer

Adresse: Gottfried-Keller-Straße 10-20 in Konstanz-Petershausen. Tatbestand: 230 ungenutzte Wohnplätze. Fakt: Wohnraum wird in einer wohnungsraumarmen Stadt wie Konstanz vergeudet. Frage: Wer ist verantwortlich? Antwort: Natürlich niemand. Und: Beamte schon gar nicht nicht: Fazit einer nicht einfachen Recherche.

Drei Häuserblocks stehen leer. Die einstmals vom Konstanzer Studentenwerk „Seezeit“ angemieteten Wohnungen im Stadtteil Petershausen gammeln seit Jahren vor sich hin. Jetzt sollen sie endlich renoviert und modernisiert  werden – aber nicht als Studentenbuden oder Sozialwohnungen, wie einstmals vorgesehen, sondern als kostendeckende Mietwohnungen. Mit mehr Komfort und  höheren Mieten.

Volker Kiefer, als Geschäftsführer von „Seezeit“ zehn Jahre lang Mieter der Blocks, bestätigt und bedauert die Entwicklung: „Wenn wir Mieter geblieben wären, hätten wir über einen Zeitraum von 10 oder 15 Jahren zwischen 1,5 und 2,5 Millionen Euro an Sanierungskosten übernehmen müssen“ Und weiter: „Über unsere Mietkalkulation hätten wir alle diese Kosten nicht umlegen können. Die Mieten hätten sich verdoppelt – das kriegen wir nicht hin“. Seine Hauptkritik: „Angefragt haben wir beim Bund auch, was wir bei einem Kauf der Häuser hinlegen müssten. Dann könnten wir nämlich langfristig planen und hätten eine völlig andere Kalkulation. Aber der Bund will nicht verkaufen“.

Der Mietvertrag lief Ende letzten Jahres aus – seitdem stehen die Wohnungen leer: „Stattdessen wird in der Hindenburgstraße ein zehnmal teureres Studentenwohnheim“ gebaut, kritisiert Dieter Bellmann, einer der Geschäftsführer der „Neuen Arbeit“, die selber einen Wohnblock in dem Areal unterhält. „Das ist ein Skandal im Konstanzer Wohnungsbau. Und der brauchte nun wirklich Auffrischung. Denn es fehlen Sozialwohnungen und bezahlbare Zimmer für die immer zahlreicheren Studenten.“

Sündenbock scheint die bundeseigene BImA zu sein, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, wie die einstige Bundesvermögensanstalt seit einer – nebenbei teuren, von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen – Neuorganisation seit 2005 heißt. Immer schon Vermieterin der Häuser, ist sie und damit der Bund, auch Nutzerin der Wohnblocks in Petershausen.

In deren Bezirksdirektion Freiburg freilich wird abgewiegelt: Erst der fünfte angesprochene Abteilungsleiter ist zu einer Aussage bereit: Dr. Axel Tausendpfund bekennt, dass „die Wohnungen einer gewinnbringenden Nutzung zugeführt werden müssen.“

Und das ist der Skandal: Bund und Land zahlen seit Jahren keine Zuschüsse zum sozialen Wohnungsbau mehr. „Ein Paradebeispiel für die Finanzwirtschaft der öffentlichen Hand“, nennt Dieter Bellmann das. „Statt bezahlbaren Wohnraum zu subventionieren, wird der Wohnungsmarkt neoliberalen Glaubenssätzen untergeordnet“,

Und Volker Kiefer meint: „Die Wohnungen waren in einem ganz lausigen Zustand. Alles – Elektrik, Heizung, keine Dämmung – einfach nichts. Das ganze Areal hatte sich ja vor einigen Jahren abgesenkt – wir hätten Kanäle graben müssen undsoweiter. Wir hätten uns einem Risiko ausgesetzt, das wir nicht tragen konnten.“

Bis die Blocks in der Gottfried-Keller-Straße hergerichtet sind, der Wohnraum dann wieder verfügbar ist, werden Monate vergehen. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres jedenfalls  wurde  kein Bauarbeiter gesehen.

Foto: hpk