Konstanz wird fahrradfreundlicher

Konstanz hat jüngst das ambitionierte Handlungsprogramm Radverkehr beschlos­sen, und dessen Umsetzung steht nun an. Ziel ist es, in den nächsten Jahren den Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr auf über 25% zu steigern. Zu den Maßnahmen gehören eine verständliche Beschilderung ebenso wie bessere Radwege, gefahrlose Kreuzungen und mehrere klar definierte Fahrradachsen durch die Stadt. Das alles soll letztlich in einem Fahrradstadtplan abgebildet werden.

Dass das Fahrrad mittlerweile ein allgemein anerkanntes Verkehrsmittel ist und längst nicht mehr nur als sozial demütigender Notbehelf für Menschen gilt, die sich ein Auto schlichtweg nicht leisten können, hat Folgen: Radwegsysteme wollen nicht minder akkurat als Autobahnnetze geplant werden. Genug zu tun also für die wackeren Verkehrsplaner*innen.

Die Stadt als Teil eines Netzes

Das Landesradwegenetz Baden-Württemberg, das seinerseits wiederum auch nationale und internationale Radwege erschließt, ist mittlerweile fertig geplant. Laut Sebastian Nadj, im Konstanzer Amt für Stadtplanung und Umwelt (ASU) für die strategische Verkehrsplanung zuständig, ermöglicht dies der Stadt nun, letzte Planungslücken auf Konstanzer Gebiet zu schließen. Kleinräumig sollen Gefahrenstellen beseitigt und großräumig fünf Durchfahrtsachsen geschaffen werden. Das heißt auch, dass jetzt, nachdem klar ist, wo städtische und Landesradwege zusammenfließen müssen, das „Beschilderungskataster aktualisiert werden kann“, wie es in prächtigstem Planerdeutsch heißt.

Wer regelmäßig etwa am Arbeitsamt vorbeiradelt, kennt das Problem, auf das die Obrigkeit mit Verbesserungen am Beschilderungskataster reagieren will: Verwirrte Menschen mittleren oder gehobenen Alters, wie zur Strafe in lächerlich enge Bikerklamotten gepresst, verstellen ratsuchend den Weg; die Männer starren verschwitzten Blicks auf eine knittrige Landkarte, die Frauen halten rundum Ausschau nach Beute oder Erleuchtung. Fragt der Einheimische aus purem Mitleid nach ihrem Begehr, zeichnen sie mit der Hand einen Halbkreis in die Luft und fragen in irgendeinem putzigen Dialekt, ob es hier denn bitteschön zur Reichenau gehe.

Sinnvolle Beschilderung

Ein Radverkehrsführung und -wegweisung wie im Bereich Arbeitsamt/Neuwerk ist einfach nur sadistisch, und damit soll demnächst Schluss sein. Das beste Gegenmittel hier und anderswo stellt eine allgemeinverständliche Beschilderung dar, die RadlerInnen zielstrebig aus der Stadt über die Fahrradbrücke zur Bahn und dann entlang der Gleise zur Reichenau und weiter geleitet.

Für Auswärtige wie Einheimische soll im ASU ein Fahrradstadtplan entstehen, der nicht nur Radwege durch das Konstanzer Gebiet weist, sondern auch wichtige Servicepunkte verzeichnet. Neben FahrradreparateurInnen können dies etwa Ladestellen für E-Bikes sein. Es ist schließlich nicht einzusehen, dass RadfahrerInnen fehlt, was für AutofahrerInnen selbstverständlich ist: Genügend Tankstellen sowie eine gut lesbare, leicht verständliche Beschilderung. (Als Hintergrundmusik zu diesem Satz passt am besten das Hohnlachen verzweifelter AutofahrerInnen.)

Bürgermeister Langensteiner-Schönborn rechnet für das Handlungsprogramm Radverkehr übrigens mit jährlichen Kosten von rund 300 000 € für die Stadt plus etwa 150 000 € an Fördergeldern aus anderen Töpfen. Oftmals fällt die Verbesserung der Radwege zudem mit weiteren Baumaßnahmen zusammen. So muss etwa der Rheinsteig ohnehin komplett neu asphaltiert werden, dabei wird der Radweg kostengünstig mit erneuert, und die Radwegkosten können auch noch separat bezuschusst werden. Verbesserungen wie ein vernünftiger Radweg von der Universität in die Stadt oder zwischen Geschwister-Scholl-Schule und Universität sollen als Investitionen in den Haushalt eingestellt werden, hier veranschlagt die Verwaltung beispielsweise rund 80 000 € für die Beleuchtung. Außerdem wird gerade an der nicht ganz einfachen Fortsetzung dieses Radweges von der Geschwister-Scholl-Schule in den Ortskern von Wollmatingen geplant. Auch wie es am Zähringer Platz weitergeht, ist noch Gegenstand kniffliger Überlegungen, wie sich die Bedürfnisse etwa von Schulkindern, Taxis, Feuerwehr und anderen VerkehrsteilnehmerInnen denn wohl unter einen Hut bringen lassen.

Konstanz ist Mitglied geworden

Nach längerem Hin und Her ist die Stadt Konstanz jetzt das 56. Mitglied in der AGFK-BW geworden, der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg. Laut Selbstauskunft handelt es sich dabei um ein „Netzwerk von über 50 Städten, Gemeinden und Landkreisen. Die AGFK-BW ist ein wichtiger Teil der Fahrradförderung des Landes. Das gemeinsame Anliegen ist es, mehr Menschen sicher aufs Rad zu bringen und ihnen die Freude am Radeln zu vermitteln. Dazu unterstützt die AGFK-BW ihre Mitglieder unter anderem bei der Öffentlichkeitsarbeit, im Handlungsfeld Mobilitätsmanagement, bei der Durchführung von Forschungsvorhaben und bei der Umsetzung konkreter Projekte.“

Wie hilfreich diese Mitgliedschaft tatsächlich sein wird, muss sich noch weisen. Der Entschluss, der AGFK-BW beizutreten, hatte im Vorfeld bei einigen GemeinderätInnen Zweifel ausgelöst, denn nicht jeder/m wurde sofort klar, dass dort für den Mitgliedsbeitrag außer frischer Propagandaluft und schönstem Marketingneusprech auch etwas Handgreifliches zu holen ist.

Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn erhofft sich als Mitglied der AGFK-BW mehr Fördermittel aus allen möglichen Töpfen sowie einen regen Erfahrungsaustausch. So wollen die Konstanzer sich etwa bei der AGFK-BW erkundigen, welche Erfahrungen andere Kommunen mit (vielleicht gar bewegungsabhängigen) Systemen zur Beleuchtung von Radwegen gemacht haben, wie sie für die Uni-Radwege im Gespräch sind. Das könnte die hauseigenen PlanerInnen deutlich entlasten, denn schließlich muss man, um vernünftige Radwege zu bauen, nicht in jeder Stadt das Rad eigens neu erfinden.

Harald Borges