Konstanzer Busse jetzt sogar im Tarif-Stau
Beweglichkeit sollte das Erkennungsmerkmal für Verkehrsbetriebe sein – für den Busbetrieb der Konstanzer Stadtwerke gilt das offensichtlich nicht. Zum wiederholten Male hat der Aufsichtsrat jetzt die Einführung eines Kurzstreckentarifs abgelehnt. Die Begründung liest sich abenteuerlich
Was in nahezu jeder Stadt nicht nur in Deutschland möglich ist – in Konstanz klappt das nicht: Eine Staffelung der Ticketpreise. Dass also jemand, der im Stadtverkehr nur drei Haltestellen nutzt, weniger zahlt als der Fahrgast, der in die Außenbezirke oder einmal rund um die Altstadt viel weitere Strecken fährt. Kurzstreckentarif nennen das die Verkehrsfachleute und haben das in wohl jedem Bus- oder Straßenbahnbetrieb dieser Welt eingeführt. Nur in Konstanz nicht.
Wie macht man einen Zuschussbetrieb attraktiver?
Der Aufsichtsrat, mehrheitlich mit Stadtparlamentariern besetzt, die in Sonntagsreden das Loblied vom attraktiven Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) singen, versagen den städtischen Bussen diesen Kundendienst. Gleichzeitig aber jammern sie wie auch die verantwortlichen Stadtwerke-Manager bei jeder unpassenden Gelegenheit über den Zuschussbetrieb „Stadtverkehr“, der ständig Fahrgäste verliere und von anderen Zweigen des Verkehrskonzerns subventioniert werden müsse. Und dann werden einmal mehr die Fahrpreise erhöht…
Zur Begründung für die Ablehnung eines Kurzstreckentarifs, den nicht nur die Linke Liste Konstanz gefordert hatte, fällt Norbert Reuter, seit Anfang des Jahres neuer Co-Geschäftsführer bei den Stadtwerken, nur ein: „Mit dem Mehrfahrtenblock haben wir bereits jetzt ein Produkt, das in der üblichen Preisspanne von Kurzstreckentickets liegt“. Beim Kauf eines Mehrfahrtenblocks mit 20 Tickets zu 37 Euro liege der Preis bei 1,85 Euro pro Fahrt. Auf die Idee, dass Fahrgäste sich schneller mal spontan für eine Busfahrt mit nur wenigen Haltestellen entscheiden könnten, wenn das Angebot preisgünstiger wäre, kommt Herr Reuter nicht. Und überhaupt, wissen die Stadtwerke-Manager: „Die Nachteile eines Kurzstreckentarifs überwiegen“.
Wer hat Angst vor Schwarzfahrern?
So sei eine Differenzierung zwischen Stadtfahrten und Fahrten in die Region erforderlich. Na und? Das haben andere Fahrplan-Planer anderswo auch hinbekommen. Auch würden mehr Kontrollen wegen versuchten „Ticket-Missbrauchs“ nötig – dabei weiß jeder, dass „Schwarzfahren“ in keinem Verkehrsbetrieb ein betriebswirtschaftliches Problem ist. Dann aber lässt Dr. Reuter die Polit-Katze aus dem Tarifsack:
„Unser Fokus muss weiterhin auf unseren Stammkunden liegen, die unsere Stadtbusse regelmäßig nutzen und die deshalb auch von den höchsten Rabattierungen profitieren“, so der selbst ernannte Tarifexperte. Wie will man so neue Kunden-Zielgruppen gewinnen? Und ist es nicht eher so, dass die bürgerliche Aufsichtsratsmehrheit ihre bürgerliche Klientel in Litzelstetten und Dettingen vor höheren Fahrpreisen bewahren will? Und dass der städtische Arbeitnehmer oder Schüler, der täglich auf die Passage angewiesen ist, dieser Mehrheit geradezu schnuppe ist?
Neuerungen im Linienverkehr
Journalistenpflicht ist aber auch, über andere, dieses Mal kundenfreundliche Entscheidungen des Aufsichtsrats zu berichten: So soll die Linie 6 häufiger als bisher bis zum ZfP Reichenau fahren und auch die „Studenten-Linie 9“ soll zumindest während der Vorlesungszeit im 10-Minuten-Takt verkehren. Übrigens gehen beide Neuerungen auf Fahrgast-Proteste zurück und beide Änderungen sollen erst im Dezember eingeführt werden. Soviel einmal mehr zur Beweglichkeit der Stadtwerke Konstanz, Abteilung Busbetrieb.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: hpk
„Gleichzeitig aber jammern sie wie auch die verantwortlichen Stadtwerke-Manager bei jeder unpassenden Gelegenheit über den Zuschussbetrieb „Stadtverkehr“, …“.
Passt das zu den glänzenden Zuwachsraten der Stadtwerke Konstanz? Auf der Pressekonferenz des Konzerns – leider ja nicht mehr Eigenbetrieb seit dem Jahr 2000 – vor einigen Tagen wurde der Rekord-Umsatz in 2013 mit 178,7 Millionen Euro beziffert, „alle (sic!) Geschäftsbereiche und Tochtergesellschaften trugen mit höheren Umsätzen im Vergleich zum Vorjahr entscheidend dazu bei“, so die Geschäftsführer.
Da fragt man sich schon, warum ein Kurzticket nicht möglich sein soll und die Buspreise Anfang des Jahres gestiegen sind.
Auch wäre es endlich an der Zeit, dass alle SozialpassinhaberInnen und deren Kinder kostenfrei den ÖPNV nutzen können, dem reichen Konstanz stünde diese soziale Geste gut zu Gesicht. Das langfristige Ziel der Linken Liste Konstanz ist bekanntermaßen, den freien Nahverkehr für alle Konstanzer BürgerInnen umzusetzen. In der estnischen Hauptstadt Tallinn gilt dies seit Anfang 2013. Mit erfreulichen Auswirkungen: Busse und Straßenbahnen sind zu mindestens zehn Prozent mehr ausgelastet, der Autoverkehr im Zentrum und gesamten Stadtgebiet reduzierte sich im Gegenzug um diesen Anteil und der CO2-Ausstoß wurde auch um einiges vermindert. Vorher hatte sich eine Dreiviertelmehrheit der Tallinner Bürgerschaft für den kostenfreien ÖPNV ausgesprochen. Fortschrittlich und mutig, finde ich.