Konstanzer Gemeinderat: Das programmierte Chaos
Die Verwirrung schon vor der heutigen Gemeinderatssitzung – Beginn: 16 Uhr, Ratssaal – ist vorhersehbar. Nicht nur, dass die übervolle Tagesordnung mit 42 Punkten allein im öffentlichen Teil jedem die Schweißperlen auf die Stirn treibt; nicht nur, dass Florian Riem als Kronzeuge des Philharmonie-Desasters auftritt, das ohnehin für Nervenflattern allerorten sorgt – nein, jetzt sorgen noch Querschüsse einzelner Stadträte für wohl verdiente Unruhe
Wieder einmal sind es Eberhard Roth (UFG) und Holger Reile (LLK), Querdenker von rechts und von links, die sich als Ruhestörer betätigen. Der eine will zusätzliche Zeugen laden lassen, um Themen mit Sachverstand diskutieren zu können – der andere will ein heikles Thema öffentlich diskutieren lassen, um die Verschwendung von Steuergeldern zu stoppen. Doch der Reihe nach:
Professor Roth (s. Foto), Fachmann im Gemeinderat für alle Fragen rund um das Klinikum, kündigte bereits gestern in einer mail an den Oberbürgermeister an, dass seine Unabhängige Fraktionsgemeinschaft (UFG) in der GR-Sitzung den Antrag stellen werde, den TOP 40 („Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz gGmbH – Wirtschaftsplan 2013 incl. Mittelfristiger Finanzplanung“) gleich nach der Philharmonie-Debatte zu beraten. Aus der Begründung: ‚…werden offenbar beschlossene, wesentliche Maßnahmen zum Medizinkonzept des Gesundheitsverbundes mitgeteilt, die von hohem Interesse für die Bevölkerung unserer Stadt sind ‚. Außerdem fordert die UFG, dass die Krankenhaus-Geschäftsführer Fischer und Ott sowie der ärztliche Direktor und Chefarzt der Urologie, Dr. Zantl, an der Diskussion im Gemeinderat teilnehmen sollten.
Und wenn Roth schon mal bei der Ladung von Zeugen und/oder Experten ist, setzt er noch einen drauf und beantragt die Einladung von Claus Boldt für die Philharmonie-Debatte. Aus der Begründung dazu: „Herr Boldt trägt als zuständiger Dezernent und Vorgesetzter von Herrn Riem Mitverantwortung für die finanziellen Verluste, die in den Jahren 2011 und 2012 entstanden sind. Seine Anwesenheit erscheint auch deshalb zwingend, weil Herr Riem im Gemeinderat eine Erklärung abgeben will“.
Holger Reile von der Linken Liste indes stört noch anderes: Ihn ärgert, dass über einen nochmaligen Zuschuss für den Waldorf-Kindergarten einmal mehr nur in nicht öffentlicher Sitzung entschieden werden soll. Er wird deshalb wohl beantragen, die Diskussion in die öffentliche Sitzung zu verlegen. Immerhin wurde auch über die erstmalige 280 000-Euro-Subvention für dieses Projekt schon vor zwei Jahren öffentlich gestritten; außerdem hält Reile, den man als Sekten-Experten kennt, solche Steuergelder-Zuschüsse an Antroposophen schon aus säkularen Gründen für fragwürdig. Und das ganz unabhängig davon, ob hier ein Fall von fahrlässiger Misswirtschaft – und, nebenbei, einmal mehr von fehlender Rechnungskontrolle durch städtische Stellen – vorliegt.
Gleichgültig, ob sich Reile und Roth mit ihren Anträgen durchsetzen werden (bei der Unlust zur Unbotmäßigkeit im Konstanzer Gemeinderat ist das eher unwahrscheinlich) – das Chaos ist auch ohne diese Anträge vorprogrammiert. Für Überfüllung des ohnehin überhitzten Ratssaals jedenfalls ist gesorgt.
Autor: hpk
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