Konstanzer Klimahaushalt nur ein Paketchen

(jüg) Vorschußlorbeeren gab’s reichlich, nach­dem Konstanz im Mai den Klimanotstand ausgerufen hatte – als erste Kommune der Republik. Große Erwartungen schürte nicht zuletzt OB Uli Burchardt, der sich von den Medien nur zu gerne das Etikett Klima-Visio­när umhängen ließ. Diesen Dienstag nun stand in Verbindung mit dem diesjährigen Nachtragshaushalt zum ersten Mal auch ein Klimahaushalt auf der Agenda des Gemeinde­rats. Von dem Ergebnis sind nicht nur die hiesigen Fridays-for-Future-AktivistInnen alles andere als begeistert. Ihre Medien­mit­teilung im Folgenden, dazu der Redebeitrag von LLK-Stadtrat Holger Reile zum Thema.

„Höchste Priorität sieht anders aus“

Fridays for Future demonstrierte mit einer Mahnwache vor dem Gemeinderat und begleitete auf diese Weise die Klimaentscheidungen der Stadt Konstanz, die ihrer Meinung nach nicht in Einklang mit der Klimanotstandsresolution stehen.

Im Mai diesen Jahres rief die Stadt Konstanz als erste deutsche Stadt den Klimanotstand aus und machte Klimaschutz damit zur Aufgabe höchster Priorität. Mit der Klimanotstandsresolution beschloss der Gemeinderat damals einstimmig, dass der Oberbürgermeister halbjährlich sowohl dem Gemeinderat als auch der Öffentlichkeit über den Fortschritt und die Probleme im Klimaschutz berichten solle. Nun verschob der Oberbürgermeister die Unterrichtung des Gemeinderates über den Stand der städtischen Klimaschutzmaßnahmen um drei Monate auf Ende Januar. Damit wird der Gemeinderat frühestens ein dreiviertel Jahr nach der Ausrufung des Klimanotstandes unterrichtet, für die Unterrichtung der breiten Öffentlichkeit steht noch gar kein Termin fest. Sebastian Vollmer von Fridays for Future Konstanz kritisiert dies scharf: „Der Oberbürgermeister setzt sich hier einfach so über einen einstimmigen Gemeinderatsbeschluss hinweg. Statt Klimaschutz zur Chefsache zu machen und offen und ehrlich über die Schwierigkeiten und Fortschritte zu sprechen, schweigt er einfach.“

Fortschritt und Schwierigkeiten im Klimaschutz konnten dennoch in der Gemeinderatssitzung am Dienstag beobachtet werden. Der Konstanzer Gemeinderat beschloss zusätzliche 3,3 Mio. € für die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen für das kommende Jahr. Viel zu wenig wenn es nach den jungen Klimaschützern geht. Sie kritisieren, dass immer noch mehr Geld in klimaschädliche Projekte investiert würde als in den Klimaschutz.

Tatsächlich entspricht die Summe etwa 1 % des Gesamthaushalts der Stadt für das kommende Jahr. Kauf und Sanierung des Bodenseeforums haben die Stadt 25 Mio € gekostet und der Unterhalt kostet jedes Jahr weitere 2 Mio €. Allein 2019 wurden über 30 Mio € für städtische Bauprojekte ausgegeben und selbst eine vergleichsweise kleine Maßnahme wie die Verlegung des Grenzbachs für das neue Parkhaus am Döbele soll 1,5 Mio Euro kosten.

Die Aktivisten kritisieren zudem die Wirksamkeit der beschlossenen Maßnahmen. So solle beispielsweise 20 % des zusätzlichen Geldes, das bereits zweckgebunden ist, in die Anschaffung eines digitalen Dokumentenmanagementsystems fließen. Eine Maßnahme welcher auch von der Stadt selbst die niedrigste Wirksamkeitsstufe bescheinigt wurde.

„Trotz Klimanotstand wird nun auch 2020 wieder mehr Geld für klimaschädliche Maßnahmen ausgeben als für den Erhalt unserer Zukunft. Höchste Priorität sieht anders aus“, fasst Japhet Breiholz von Fridays for Future Konstanz die Meinung seiner Mitstreiter*innen zusammen. Auch seien die aufgelisteten Maßnahmen seiner Meinung nach zu vage und zu unkonkret „Wir brauchen jetzt wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz. Zum Beispiel den Ausbau der Photovoltaik auf allen städtischen Gebäuden innerhalb eines Jahres, das wäre zumindest mal ein Anfang und würde sich über die nächsten Jahre auch noch selbst bezahlt machen.“

Neben der Verabschiedung des Klimapaketes beschloss der Gemeinderat die Aktion „Klimabäume für Konstanz“. Hierzu sollen auf privaten Grundstücken 1000 Bäume gepflanzt werden, da sie sich die Suche nach geeigneten Plätzen auf städtischem Grund als schwierig erweist. Die Schülerin Lara Scherzinger wundert sich darüber: „Es ist ja eine nette Idee Bäume auf Privatgrundstücken zu pflanzen, aber warum entsiegelt die Stadt nicht, wie von Fridays for Future gefordert, bis Ende nächsten Jahres 20% aller Parkplätze? So viele Autos werden nämlich weniger als 10.000 Kilometer im Jahr bewegt und können meist problemlos durch Carsharing oder den Bus ersetzt werden.Da würde viel Platz frei, der mit Bäumen bepflanzt werden könnte und unsere Stadt würde auch noch schöner“.

Insgesamt zieht Fridays for Future Konstanz eine durchwachsene Bilanz der städtischen Bemühungen seit dem Klimanotstand. Aus Sicht der Jugendlichen ist erkennbar, dass die Stadt sich am Klimaschutz versucht und auch die Mittel dafür aufstockt. Auch die Schaffung zusätzlicher Stellen für Klimaschutz sei positiv zu bewerten. Das Vorhaben eine interne CO2-Bespreisung einzuführen sei grundsätzlich auch lobenswert, den Preis jedoch bei 14% der tatsächlichen Kosten anzusetzen sei nicht hinnehmbar und verlagere wieder mal alle kosten auf die Zukunft der Jugendlichen. In der Bilanz seien die Maßnahmen insgesamt zu vage und der sich zuspitzenden Klimakrise nicht angemessen. Das Ziel klimapositiv 2030 sei mit diesem Engagement wohl nicht zu erreichen.

Eher Nasenwasser als Meilenstein

Liebe Gäste, Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen, Kollegen,

aufgrund der fast schon schmerzensgeldpflichtigen übervollen Tagesordnung nur einige Anmerkungen zum sogenannten „Klimahaushalt“. Wir werden uns der Stimme enthalten, weil in Zeiten des dramatischen Klimawandels – den nur noch Verschwörungstheoretiker und unerschütterliche Ignoranten bezweifeln – konkretere und auch mutigere Schritte angebracht wären. Ein Meilenstein, Herr Oberbürgermeister, ist ihr Klimahaushalt keinesfalls. Für einen solchen hatten Sie übrigens acht Jahre Zeit.

Es ist ja nicht so, dass gar nichts passiert – das will ich gar nicht behaupten –, aber der uns vorgelegte Maßnahmenkatalog erinnert in seiner Gänze doch eher an das „Klimapaketchen“ der Bundesregierung – ist also alles andere als der große Wurf, den viele in unserer Stadtgesellschaft nach der Ausrufung des Klimanotstandes erwartet und auch erhofft haben. Diese Erwartungshaltung wurde im übrigen auch geschürt durch diverse – aber leider auch oft sehr unkritische – Presseberichte und öffentliche Auftritte des Oberbürgermeisters, der es halbwegs geschickt verstanden hat den Eindruck zu erwecken, hier bei uns entstünde umgehend ein blühendes Öko-Paradies. Dem ist mitnichten so. Wer beispielsweise in der Bürgerschaft die Hoffnung streut, die Bebauung im Büdingen-Park führe zu einem ökologischen Vorzeigeprojekt, der muss sich schon fragen lassen, wie es um seine eigentlichen Ziele bestellt ist. Und, Herr Burchardt, das Kommunikationskonzept hat übrigens den strengen Geruch eines vorgezogenen OB-Wahlkampfs.

Fünf Millionen Euro sollen nun für den Klimahaushalt in die Hand genommen werden. Mit Verlaub, damit dümpeln wir im Nasenwasserbereich und liefern bestenfalls einen kühlenden Tropfen auf den überhitzten Stein. Allein diese Summe brauchen wir jährlich, um eine längst fällige Verkehrswende einzuleiten , die immer noch ein Schattendasein führt. Stichworte: Autofreie Altstadt – Nulltarif beim ÖPNV, zumindest aber das 1-Euro-Ticket, maximal 365 Euro im Jahr, Umbau der Busflotte auf ökologisch-einwandfreie Antriebsarten uswusf. Maßnahmen also, die mit den vorgeschlagenen 5 Millionen nie und nimmer umzusetzen sind. Da hilft es uns auch nicht weiter, wenn – wie in diesem Papier vorgeschlagen – ein autofreier Sonntag zur Debatte steht. Das wird unser Verkehrsproblem nicht mal im Ansatz lösen und hat bestenfalls einen esoterischen Placebo-Charakter, um vom Wesentlichen abzulenken. Denn Fakt ist unserer Meinung nach: Um tatsächlich und glaubwürdig einen sozial-ökologischen Umbau anzugehen, müssen wir über ganz andere Summen reden und diese dann auch in die Hand nehmen.

Ein Letztes noch – auch wenn einer Mehrheit hier gleich der Kamm schwellen wird und zu Schnappatmung führt – Sie hatten in jüngster Vergangenheit kaum Probleme, in das Fass ohne Boden am Seerhein mittlerweile rund 25 Millionen Euro zu stopfen und sind mehrheitlich immer noch gewillt, weitere Millionen hinterher zu schieben. Ich überlasse es gerne Ihren Rechenkünsten, in den Weihnachtsferien bei Kerzenschein besinnlich darüber nachzudenken, was wir mit diesen Geldern alles hätten anfangen können. Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg.

Holger Reile, Linke Liste Konstanz

Aktueller Termin: Morgen, Freitag den 20.12., rufen FfF Konstanz und Klimastreik Thurgau zu einem grenzüberschreitenden Laternenumzug auf. Treffpunkt: 19 Uhr am Kreuzlinger Hafen. Von dort aus geht es dann Richtung Konstanz.

(Foto: Fridays for Future Konstanz)