Konstanzer Kriminalstatistik: Keine Panik

Die Kriminalstatistik stößt immer wieder auf großes öffentliches Interesse. Der Leiter der Konstanzer Polizei, Dirk Hoffmann, stellte die Zahlen für 2017 in einer öffentlichen Sitzung des Gemeinderates vor. Das Ergebnis kann auch aufgrund der Entwicklungen in Bund und Land nicht überraschen, denn die Fallzahlen gingen trotz der verbreiteten multimedialen Angstmache in vielen Bereichen leicht zurück. Nicht zuletzt liefert die Statistik auch belastbare Fakten gegen rechte Lügen.

Dirk Hoffmann, seines Zeichens Leiter des Polizeireviers Konstanz, präsentierte der Öffentlichkeit im Gemeinderat eine Übersicht über die Polizeistatistik der Konstanzer Polizei und setzte diese Zahlen in Beziehung zu Entwicklungen im Landkreis und im gesamten Land Baden-Württemberg. Danach sind in den letzten fünf Jahren die Fallzahlen im Land leicht gesunken und auch in Konstanz mit 7278 etwa stabil geblieben. Die Aufklärungsquote in der Konzilstadt ist auf 64,9 Prozent gestiegen, und es wurden 3717 Tatverdächtige ermittelt. Geflüchtete, Asylsuchende und andere Ausländer wurden vor allem wegen ausländerrechtlicher Tatbestände wie unerlaubten Grenzübertritts angezeigt. Es gab in diesem Personenkreis lediglich 179 „normale“ Fälle (wie etwa Ladendiebstahl) ohne ausländerrechtlichen Hintergrund.

Weniger Diebstähle

Ein Thema, das vor allem ältere Menschen schreckt, ist aus der öffentlichen Debatte am Bodensee weitgehend verschwunden. In Konstanz wurden 2017 nur noch 53 versuchte Wohnungseinbrüche registriert, von denen etwa 50 Prozent erfolgreich waren. Damit gibt es in Konstanz also nur etwa alle zwei Wochen einen gelungenen Wohnungseinbruch. Diebstahl in Konstanz ging auf 1665 Fälle zurück (-9 Prozent in fünf Jahren), es wurden 835 Betrugsfälle (-19,9 Prozent) sowie 629 Roheitsdelikte (-7,1 Prozent) angezeigt. Unter letzteren gab es 267 Fälle von Aggression im öffentlichen Raum (-4,3 Prozent), bei denen oft Alkohol im Spiel war.

Der Polizei wurden 51 Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bekannt, davon wurden vier Geflüchteten zugeschrieben, darunter einer im öffentlichen Raum, der eine größere Aufmerksamkeit erfahren habe als die anderen 50 Fälle zusammen. Hoffmann betonte, es habe über die Jahre keinerlei Zunahme sexueller Gewalt durch Menschen ohne deutschen Pass gegeben. Die weitaus allermeisten Fälle sexueller Gewalt geschehen weiterhin im häuslichen Umfeld, und Jan Welsch (SPD) konstatierte: „Es gibt für Frauen nichts Gefährlicheres, als mit einem Mann zusammenzuleben.“ Inwieweit sich das Anzeigeverhalten von Opfern im Lauf der Jahre – auch durch die #MeToo-Debatte – verändert hat, kann die Polizei nicht angeben.

Insgesamt nimmt der Respekt gegenüber Ordnungs- und Hilfsdiensten immer mehr ab. Es gab 56 Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte, und nicht nur an Fasnacht hat es selbst die Feuerwehr bei ihren Einsätzen schwer. Hier zeichnet sich eine Tendenz zur gesellschaftlichen Verrohung ab, wie sie auch in den verstörenden Berichten etwa über die aktive Behinderung von Unfalleinsätzen bundesweit dokumentiert ist.

Das Jointle auf dem Schulhof

Einen breiten Raum der Debatte nahm die Betäubungsmittelkriminalität ein, denn die Zahl der Fälle hat sich deutlich auf 805 Fälle erhöht. Allerdings haben Polizei und Zoll in diesem Bereich auch verstärkt ermittelt. Rund 75 Prozent dieser Fälle stehen im Zusammenhang mit Cannabis, 25 Prozent mit allen anderen Drogenarten. Etwa 80 Prozent der Fälle betreffen den Besitz und 20 Prozent den Handel mit Drogen. Die Polizei nennt Cannabis eine Einstiegsdroge, weshalb ein besonderes obrigkeitliches Augenmerk den Schulhöfen gelte.

Normen Küttner (FGL) warf ein, meistens handele es sich dabei wohl um ein harmloses Jointle, denn 95 Prozent der Verfahren würden als Bagatelldelikte eingestellt. Angesichts der Debatte um die Freigabe von Cannabis stehe der Ermittlungsaufwand in einem deutlichen Missverhältnis zum Ergebnis. Ewald Weisschedel (FWK), seines Zeichens Arzt, konstatierte, dass aus seiner Sicht Cannabis viel ungefährlicher als Alkohol sei, Alkohol aber in der Kriminalstatistik gar nicht ausgewiesen werde. Und Till Seiler (FGL) meinte, Cannabis sei um nichts schlimmer als der tatkräftige Konsum von Alkoholika, den sich einige Mitglieder des Rates auf der legendären Haltnau-Sitzung gegönnt hätten.

Anne Mühlhäußer (FGL), die als Lehrerin über einschlägige Erfahrungen verfügt, berichtete hingegen, dass der Gebrauch von Cannabis unter SchülerInnen aller Schulformen deutlich zunehme, ein Joint gelte bei den Heranwachsenden inzwischen als normal und gefährde in manchen Fällen sogar deren schulischen Erfolg.

Radfahrer lassen Disziplin vermissen

Einen weiteren Schwerpunkt der polizeilichen Arbeit macht die Verkehrsüberwachung aus. So kontrolliert die Polizei jetzt bei Unfällen auch, inwieweit das Handyverbot am Steuer eingehalten wurde. Polizeilicherseits wird die mangelnde Verkehrsdisziplin von Radfahrern gerügt, die – allerdings auch aufgrund der zunehmenden Radverkehrsdichte – zu immer mehr Unfällen etwa durch Fahren gegen die Fahrtrichtung führt. Die Anregung von Roland Wallisch (FGL), künftig nicht nur fehlendes Licht an Fahrrädern zu beanstanden, sondern auch blendende LED-Lampen an Fahrradhelmen, ist aus Sicht der Polizei schwer zu verwirklichen.

Dirk Hoffmann beschrieb den seit April eingesetzten Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) als Erfolgsmodell und betonte, dass sich die Polizei seitdem nicht von bestimmten Aufgaben zurückgezogen habe, sondern eng mit dem KOD zusammenarbeite, den sie als Ergänzung ihrer Arbeit zu schätzen wisse. Anja Risse, die Leiterin des Bürgeramtes, fügte hinzu, man habe jetzt die Sollstärke von fünf Kollegen erreicht. Diese seien besonders geschult worden und patrouillierten besonders auf drei Standardrouten, und zwar gezielt am frühen Abend, am Wochenende und an Feiertagen. Diese Kollegen seien besonders ausgebildet worden und hätten bisher keine Verwarnungen ausgesprochen, sondern nur den Dialog etwa mit Einweg-Grillern gesucht und mit anderen Ämtern zusammengearbeitet. Sie konstatierte – Überraschung! – eine positive Resonanz etwa der Anwohner des Heroséparks auf den KOD.

Keine Panik

Gabriele Weiner (JFK) brachte die Kriminalstatistik auf den Punkt: In Sachen Kriminalität wird viel (auch ausländerfeindliche und rassistische) Panikmache betrieben, dabei lebe man hier in Konstanz sehr sicher. Die Presse – auch die lokale Tageszeitung – stelle vieles hochdramatisch dar, und für etliche Menschen seien Flüchtlinge trotz ihrer schwierigen Situation und unauffälligen Kriminalitätsrate ohnehin an allem schuld.

Anselm Venedey (FWK) brachte dann noch eine höchst vernünftige Forderung aufs Tapet, die leider etwas verpuffte: Die Polizei möge diese Statistik doch bitte für alle KonstanzerInnen im Amtsblatt abdrucken lassen, statt sie nur mündlich vorzustellen.

Bis zum Finale im Einsatz

Venedey nannte außerdem mit Blick auf die WM jeden Autokorso weniger einen Gewinn. Das nahm Dirk Hoffmann zum Anlass, sich als Fußballanhänger zu outen, auch wenn – insbesondere deutsche – Siege zu deutlicher Mehrarbeit führen können. Die Polizei jedenfalls plante nach seinen Angaben noch am Dienstag bis zu einem WM-Finale mit deutscher Beteiligung. Wie wir seit gestern wissen, war die Mannschaft schlechter als die Polizei eigentlich erlaubt.

O. Pugliese