Konstanzer Wohnungsnot: Das verschleppte Problem

Tausende suchen nach bezahlbarem Wohnraum und die Dringlichkeitsliste wird immer länger. Bei Wohnungsbesichtigungen stapeln sich die Interessierten und die Preise werden ständig nach oben getrieben. Anstatt die letzten freien Flächen wie Döbele oder Vincentius-Areal ausnahmslos für sozialen Wohnungsbau zu reservieren, denkt man dort vorrangig an Parkhäuser oder Veranstaltungstempel. Das Ende der Fahnenstange ist nun erreicht. Dazu ein Kommentar von Dennis Riehle

Konstanz hat Möglichkeiten geschaffen, im Zweifel bezahlbaren Wohnraum auf den
Weg zu bringen. Doch leider kommt das „Konstanzer Modell“ einerseits nur
beschränkt und verspätet zum Zug, andererseits öffnet sich eine Kluft, bei der
vor allem Menschen, die über vergleichbar geringes Einkommen verfügen,
gleichzeitig aber keinen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein aus dem
Bezug von Sozialleistungen besitzen, von all den Maßnahmen nicht profitieren.

Immer wieder wird neu auf Studien, Untersuchungen und Erhebungen gewartet, auf
Bedarfsanalysen und demografische Prognosen verwiesen – die Verschleppung der
politischen Verantwortung zieht sich mittlerweile durch mehrere
Legislaturperioden hindurch. Und obwohl selbst die Bürgerbefragungen offenbaren,
dass die Wohnsituation zu den drängendsten Problemen dieser Stadt gehört,
vermisst man seit jeher konkrete Projekte und das mutige Aussprechen einer
Tatsache, durch die Konstanz nun bundesweit einen traurigen Rekord hält.

Konstanz liegt umgrenzt von See, Schweiz und Naturschutz. Das ist keine frische
Nachricht – und trotzdem überrascht es immer wieder, dass diese Erkenntnis von
nahezu jedem Oberbürgermeister erst neu entdeckt werden muss. Eine Notwendigkeit
zur langfristigen Planung war absehbar, die zu erwartenden Studierenden- und
Seniorenzahlen haben die vielfach erstellten Bevölkerungssurveys schon vor
Jahren prophezeit.

Wesentlich begründet ist die Naivität der Verantwortlichen durch das aus den
Fugen geratene Wahrnehmungsgefühl für die Sorgen und Nöte der Unter- und unteren
sowie mittleren Mittelschicht. Konstanz ist offenbar für viele Funktionäre eine
Stadt der Wohlhabenden, in der sich ein Gemeinderat mit Themen beschäftigen
kann, über die man sich in anderen Regionen freuen würde. Hier ist man verwöhnt
durch die Luxusprobleme, die in Wahrheit aber nur ein schamhafter Ausdruck
dessen sind, dass man sich großen Bevölkerungsteilen bislang zu wenig zugewendet
hat.

Denn von der Wohnungsnot sind nicht nur die vermeintlich als „Arme“
abgestempelten Bürger betroffen, über die eine elitäre Mehrheit verdutzt hinweg
sieht. Viel eher ist das Drängen nach mehr Wohnraum aus dem Mund von
kinderreichen Familien, von regelmäßig verdienenden Arbeitern, liquiden
Studenten oder gar Fachkräften zu hören, denen man wahrlich nicht nachsagen
kann, dass ihnen ansonsten die Lobbyisten fehlen würden. Die zugespitzte
Klientelpolitik ist Nachweis von Versagen und Hilflosigkeit gleichermaßen – und
mittlerweile ist man soweit in die Sackgasse vorgedrungen, dass der Rückweg
Jahrzehnte dauern könnte.