Konzerne in die Verantwortung nehmen

Noch immer lassen internationale Konzerne Fabriken einstürzen (mit unzähligen Todesopfern) und GewerkschafterInnen ermorden, noch immer fackeln sie Regenwälder ab und zerstören ganze Regionen – und niemand zieht sie zur Rechenschaft. Das soll sich ändern. So läuft in der Schweiz eine Konzernverantwortungs­initiative, in Deutschland soll ein Lieferkettengesetz die schlimmsten Auswirkungen verhindern – und viele UNO-Staaten befürworten einen verbindlichen Vertrag über Wirtschaft und Menschenrechte. Aber was kann damit erreicht werden?

Die Volkshochschule Konstanz und das Konstanzer Bündnis für gerechten Welthandel laden ein zu der Veranstaltung: „Unternehmensrechte vor Menschenrechte? Wie Freihandelsabkommen demokratische Kontrolle abschaffen und Krankheiten, Armut und Hunger fördern“.

Wie kann es sein, dass die Rechte von Unternehmen im internationalen Rechtssystem Vorrang vor der Wahrung der Menschenrechte haben? Und dass Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte als „Handelshemmnisse“ gelten und nur durch freiwillige Leitprinzipien geschützt sind?

Immer mehr Freihandelsverträge der EU enthalten Sonderklagerechte für Konzerne vor privaten Schiedstribunalen. Die als „Investor State Dispute Settlement“ (ISDS) bezeichneten Klauseln erlauben es internationalen Konzernen, Staaten, Länder und Gemeinden zu verklagen, wenn sie ihre Profite gefährdet sehen. Das ist oft dann der Fall, wenn Parlamente Maßnahmen zum Schutz der Umwelt oder ihrer Bürger ergreifen. So haben global operierende Firmen bereits Staaten auf Schadensersatz verklagt, wenn diese (wie im Fall des Hamburger Kraftwerks Moorburg) die Luft- und Wasserverschmutzung regulieren wollten, ein Moratorium auf Fracking eingeführten, Minen stoppten (die Dörfer zerstört hätten), den Mindestlohn angehoben hatten oder gesundheitsgefährdende Arzneimittel vom Markt nehmen wollten.

Mitte Oktober haben deshalb zwei Konferenzen stattgefunden: In Wien tagte die UN-Kommission für internationales Handelsrecht und debattierte eine geplante Reform des ISDS-Systems. Und in Genf diskutierte eine Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats die Möglichkeiten eines verbindlichen Vertrags („Binding Treaty“), der Konzerne zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichten soll.

Was haben diese Konferenzen gebracht? Und worum geht es überhaupt? Derzeit erarbeitet die EU-Kommission ein Konzept, das die Einrichtung eines globalen Gerichtshofs vorsieht, der ausschließlich Konzernen und Investoren zugänglich sein soll. Sie sollen Staaten verklagen können. Selber aber stehlen sie sich oft aus der Verantwortung. Das geht, weil sich die Firmen oft hinter einer komplizierten und häufig undurchsichtigen Eigentümer- und Lieferkettenstruktur verstecken können. In den letzten Jahrzehnten konnten sich Multis immer öfter rechtliche Konsequenzen vermeiden, und zwar selbst dann, wenn sie direkt oder mittelbar Morde in Auftrag geben, Landstriche entvölkern, die Umwelt großflächig zerstören, Landgrabbing betreiben und sich SklavInnen halten. Sie werden selbst bei schwerwiegenden Menschenrechtsverstößen oder Umweltzerstörung selten bestraft.

Was wäre da zu tun? Die Referentin Anne Jung (Foto) berichtet von den dramatischen Folgen menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen und den Schäden für Umwelt und Gesundheit. Sie gibt Auskunft darüber, warum dies für die Unternehmen zumeist ohne Konsequenz bleibt und wie sich Veränderungen über Grenzen hinweg ermöglichen ließen. Anne Jung ist Gesundheitsreferentin und Kampagnenkoordinatorin bei der renommierten Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international.

Pit Wuhrer (Foto: privat)

Die Veranstaltung „Unternehmensrechte vor Menschenrechte?“ findet statt am Donnerstag, den 31. Oktober. Ort: Astoriasaal, Volkshochschule Konstanz, Katzgasse 7, Konstanz. Beginn: 19.30 Uhr. Eintritt: 7 Euro.