Konziljubiläum: Keine Zeile für Hieronymus von Prag?
Am Donnerstag will man bei einer gemeinsamen Sitzung des Technischen- und Umweltausschusses, des Betriebsausschusses Konzilstadt Konstanz und des Kulturausschusses darüber entscheiden, wo die neue Hus-Skulptur aufgestellt werden soll. Hieronymus von Prag, ebenfalls während des Konstanzer Konzils als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt, könnte mal wieder leer ausgehen
In fünf Städten, vier davon haben einen engen Bezug zu Jan Hus, sollen Skulpturen aufgestellt werden, die an den böhmischen Reformator erinnern. So auch in Konstanz, wo Hus wegen seiner kirchenkritischen Thesen von einer mordlüsternen Bande vor rund 600 Jahren zum Tod durch das Feuer verurteilt wurde. Die Tschechoslowakische Hussitische Kirche hat der Stadt eine Hus-Skulptur als Geschenk angeboten, der Betriebsausschuss Konzilstadt nahm im April 2014 dankend an und stellte für den Transport und die Aufstellung 15 000 Euro bereit. Seitdem fragt man sich:
Wohin mit dem Teil?
Zuerst sollte das 2,80 Meter hohe und aus Sandstein verfertigte Kunstwerk auf die Schnelle im Palmenhauspark abgestellt werden. Doch es gab lautstarken Protest (seemoz berichtete) von Nutzern des dortigen Areals, die man einfach übergangen hatte. Also begaben sich die zuständigen Gremien auf die Suche nach einem anderen Standort: Konzil, Stadtgarten, Inselhotel und auch der Münsterplatz wurden als Möglichkeiten geprüft. Als Kriterien galten der historische Bezug, aber auch die öffentliche Zugänglichkeit.
Nun schlägt man den Ausschüssen vor, die Skulptur im kommenden Juli auf den Mittelstreifen der Oberen Laube gegenüber der Lutherkirche aufzustellen. Über den künstlerischen Wert des Geschenks gehen die Meinungen weit auseinander, denn manche fühlen sich an eine Sandruhr erinnert (siehe Teaserbild), die in Flammen steht. Auf einer Seite sollen die Jahreszahlen „1415“ und „2015“ zu lesen sein, auf der anderen der Name „Jan Hus“. Passt doch, meint wohl nicht nur Jubiläumsorganisatorin Ruth Baader, denn schließlich stünde das laufende Jahr unter dem Motto „Jan Hus- Jahr der Gerechtigkeit“.
Mordopfer zweiter Klasse?
Wenn schon von Gerechtigkeit die Rede ist, muss die Frage erlaubt sein, warum auf der Skulptur nur der Name von Hus angebracht werden soll, Hieronymus von Prag aber außen vor bleibt. Denn er war es, der seinem Freund Hus die kirchenkritischen Schriften von John Wyclif empfahl und ihn damit radikalisierte. Nach Ansicht vieler Experten wird die Rolle von Hieronymus von Prag – nicht nur bei der Entstehung des Hussitentums – weitgehend unterschätzt. Als er dem in Konstanz eingekerkerten Hus beistehen wollte, wurde er gefangen genommen, am 30. Mai 1416 verurteilt und dort verbrannt, wo auch Jan Hus am 6. Juli 1415 hingerichtet wurde. Grund genug also, ihm auf der Skulptur zumindest eine eigene Zeile zu widmen. Oder war Hieronymus von Prag in den Augen der neuzeitlichen Jubiläumsfolkloristen nur ein Opfer zweiter Klasse? Die Stadt Konstanz wäre gut beraten, diesen Vorwurf erst gar nicht aufkommen zu lassen.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: H. Reile
Weiterer Text zum Theam:
05.11.2014: Gesucht: Der richtige Standort für das Hus-Denkmal