Konziljubiläum: Augen zu und vorwärts

Am kommenden Donnerstag wird im Betriebsausschuss Konzil erneut über ein Projekt beraten, das für das bevorstehende Konziljubiläum (2014 – 2018) vorgesehen ist. „Your Eyes on me“, eine Videoinstallation, soll durchgepeitscht werden. Auch die Bedenken des Landesdatenschutzbeauftragten Jörg Klingbeil (seemoz berichtete ausführlich) stünden nicht gegen die „planmäßige Umsetzung der medialen Stadt-Raum-Intervention“, heißt es in einer Stellungnahme der VerantwortlichenAb Mai 2014 möchte Konstanz über den Zeitraum von fünf Wochen seinen Partnerstädten (Fontainebleau, Lodi, Tabor, Richmond upon Thames und Suzhou) näherkommen. In der Konstanzer Innenstadt sollen in „prominenten Schaufenstern“ insgesamt fünf Leinwände nebst Kamera installiert werden, die mit den jeweiligen Partnerstädten verbunden sind. Wer möchte, kann dann live und rund um die Uhr seine Grüße in die weite Welt schicken. Gesamtkosten: Mindestens 250 000 Euro. Konstanz wird mit 75 000 Euro zur Kasse gebeten, für den großen Rest hofft man auf Drittmittel – wobei man bis heute nicht weiß, woher die kommen sollen.

Ende Mai äußerte der Landesdatenschutzbeauftragte seine Bedenken, die seemoz exklusiv dokumentierte. Das wiederum ärgerte Oberbürgermeister Uli Burchardt, der erklärte, das käme davon, wenn ein Dokument „an die falsche Adresse gerät“. Nun gab Miriam Reimers, die sich das Kunstprojekt ausgedacht hat, eine Stellungnahme ab. Alle Einwände des Stuttgarter Datenschützers, so Reimers, „decken sich mit unseren eigenen datenschutzrechtlichen Einschätzungen“. Wer nicht in den Aufnahmebereich der Kameras geraten will, würde über Hinweisschilder und Markierungen auf dem Boden informiert. Sperrgitter, wie sie Jörg Klingbeil ins Gespräch brachte, müssten nicht sein. „Andere Maßnahmen“ seien denkbar und laut Reimers habe man diesbezüglich bereits Kontakt mit den Kommunikationsdesignern der HTWG aufgenommen, damit man den „datenschutzrechtlichen wie auch den ästhetischen Anforderungen des Projekts gerecht wird“. Weiterhin hält man daran fest, „den Blick über den Tellerrand zu wagen, uns mit anderen Lebenswelten und Lebensrealitäten konfrontieren und einladen, mit dem Anderen, dem Fremden, dem Ungewohnten in Kontakt zu treten“.

Das sind hohe Ansprüche, denen sich das äußerst kurzfristige und auch teure Vorhaben verpflichtet. 250 000 Euro für eine Kunstidee, die gerade mal fünf Wochen dauert und so gar nichts mit der vielbeschworenen Nachhaltigkeit zu tun hat. Und: Wie will man die Menschenmassen, die sich speziell zur Sommerszeit durch die Konstanzer Altstadt drängeln, und nicht wollen, dass sie von der Kamera erfassst werden, überhaupt vernünftig lenken? Welcher Ladenbesitzer mit großem Schaufenster in der Innenstadt tut sich das an? Wie setzt man die ebenso komplizierte Selbstverpflichtung um, „dass keine Geschäfts- oder Hauseingänge im Aufzeichnungsbereich liegen dürfen“?

Fragen über Fragen, denen sich der Betriebsausschuss konkret nicht stellen wird. Denn dort werden seit Jahren alle Projekte bejubelt, die dazu beitragen sollen, Ruhm und Ehre der größten Stadt am Bodensee zu mehren. Auf die Idee, ihre Kontrollfunktion auszuüben, kommt eine überwiegende Mehrheit dieses Ausschusses nicht. Auch die Projektbetreiber ficht die zunehmende Kritik nicht an, und so verkünden sie weiterhin lauthals, dass ihre Idee „erfolgreich“ umgesetzt würde und „dieses internationale, europapolitische, gesellschaftskritische Kunstprojekt“, einen „Riss in den Konstanzer Alltag“ brächte und gleichzeitig zeigen soll, „wie offen wir dem Fremden gegenüber eigentlich sind“. Die Frage in der Bürgerschaft scheint aber eher zu sein: Wie offen sind wir gegenüber abgehobenen Phantastereien, deren Sinn aus mehreren Gründen sich den meisten nicht erschließen mag?

Autor: H.Reile

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