Kreistag: Mehr Licht ins Dunkel
Das Interesse am Kreistag tendiert in der öffentlichen Wahrnehmung gegen Null. Dabei ist er parlamentarisches Organ von rund 280.000 BürgerInnen im Landkreis, das wichtige Weichen stellt, für das Bildungswesen und die Gesundheitsversorgung etwa oder beim Verkehr. An dem Schattendasein hat das Gremium zu einem guten Teil selbst schuld. Zu intransparent agieren häufig die 73 KreisrätInnen. In den Ausschüssen verhandelt man gar grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Einen jüngst gestellten Antrag, dies zu ändern, will Landrat Zeno Danner jetzt erst einmal vorberaten lassen – hinter verschlossenen Türen.
Kein Verständnis für diese Absicht zeigt die Fraktion der Linkspartei, die zusammen mit Grünen und SPD für den Antrag verantwortlich zeichnet. Ihre Mitteilung dazu im Wortlaut:
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Für die Kreistagssitzung am 27. Juli hatten Linke, Grüne und SPD einen Antrag eingereicht, dass künftig auch die Vorberatungen öffentlich stattfinden sollen. Während Kreistagssitzungen bis auf eng definierte Ausnahmen öffentlich sein müssen, ist dies den Landkreisen bei der Vorberatung in den Ausschüssen freigestellt. Der Antrag zielt darauf, prinzipiell Öffentlichkeit in der Geschäftsordnung festzulegen. Damit soll die Entscheidungsfindung des Kreisparlaments für die Bürger*innen transparenter und zugleich die Arbeit des Gremiums effektiver gemacht werden.
Ob der Antrag mehrheitsfähig ist, bleibt vorerst offen. Der Landrat hat ihn auf die nächste Sitzung im Oktober verschoben und zunächst eine Runde von Vorberatungen angesetzt – nicht-öffentlich, versteht sich. Dazu Sibylle Röth, Fraktionssprecherin der Linken: „Das ist bedauerlich, denn ich bin sicher, interessierte Bürger*innen hätten sich gerne über die Argumente informieren lassen, die für ihren Ausschluss in Vorberatungen sprechen. Nun droht die Entscheidungsfindung hinter verschlossenen Türen stattzufinden, so dass der Öffentlichkeit bei der Kreistagssitzung einmal mehr nur vollendete Tatsachen präsentiert werden“.
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Röth verweist auf den Verlauf der vergangenen Kreistagssitzung, um das Problem zu verdeutlichen. Nach etwa der Hälfte der öffentlichen Tagesordnungspunkte stellten die Freien Wähler den Antrag, aus Zeitgründen für den Rest der Sitzung auf Aussprachen zu verzichten. Begründung: Die ausstehenden Themen seien ja bereits vorberaten worden. „Damit geschah genau das, was unser Antrag verhindern soll“, kritisiert die Linke-Kreisrätin: „die inhaltliche Argumentation und die Abwägungsprozesse der Repräsentant*innen bleiben den Repräsentierten vorenthalten.“
Im Oktober wird sich zeigen, ob sich der Landkreis dafür entscheidet, weiter essenzielle Teile seiner Entscheidungsfindung der Öffentlichkeit vorzuenthalten oder stattdessen Transparenz Einzug halten lässt.
MM/jüg (Foto: D. Schröder)
BürgerInnen außen vor. Deshalb besteht oft am Kreistag kein Interesse. Ich meine eher die Wahrnehmung der Öffentlichkeit geht bei LandrätInnen, BürgermeisterInnen und GemeinderätInnen gegen Null. Es gibt sicher Unterschiede zwischen Konstanz und dem Bodenseekreis. Der Bodenseekreis, das war ehemals eine Kette von Städten und Gemeinden mit Kurqualität. Heute langt es vielfach nicht einmal für die Bezeichnung Erholungsort. Das Bildungswesen wie die Gesundheitsfürsorge leiden unter schweren Mängeln. Bildung kann ihren Stand nur durch einen hohen finanziellen Aufwand für Hausaufgabenhilfe aufrecht halten.
Die Gesundheitsversorgung gilt, mit Ausnahme ganz weniger Kurbetriebe, in der Regel als Home of MRSA wie kolportiert wird, in dem der Stent schon gesetzt ist, bevor der Name der Krankenkasse auch nur vollständig genannt werden kann. Der Verkehr bietet durch die Dominanz der B31 einen Anlass den Kreis möglichst schnell und laut zu durchfahren oder die Meersburg, Pfahlbauten oder Naturstrände für einen touristischen Tagesausflug zu nutzen.
Als die KreisrätInnen Bodensee, Lindau, Sigmaringen und Radolfzell gegen den Willen einer Vielzahl von GastgeberInnen die sogenannte Echt Bodensee Card (EBC) klammheimlich einführten und eine eigene „Dachorganisation“ die Deutsche Bodensee Tourismus GmbH dazu gründeten, war es mit der Ruhe am nördlichen Seeufer lange Jahre vorbei. Laut und entschlossen forderten Einheimische und die Vereinigung Echt Bodensee Card Nein Danke, später Gastgeber Uhldingen Mühlhofen e.V., eine Korrektur der verfehlten Politik. Bis heute.
Das Millionenvorhaben DBT liegt nach zwei verschlissenen Geschäftsführern, der Insolvenz eines Partnerunternehmens, mehreren gegen Bürgermeister gewonnenen Prozessen, in sieben Verlustjahren hoch verschuldet im Dauerkoma. Die heutige Geschäftsführerin und frühere Leiterin der Tourist Information Immenstaad, lässt weder auf Innovationen noch auf ein erfolgreiches Marketing hoffen. Derweil setzen die GesellschafterInnen und LandrätInnen geschickt „CDU-BürgermeisterInnen“oder LeiterInnen von Tourist Informationen auf vakante Posten und hoffen, dass der Schlendrian noch möglichst lange aufrecht erhalten werden kann.
Der Kreis ist durch Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie oder Tourismus dominiert, was mit einer masochistischen Grundhaltung einhergeht. Immerhin gab es in den vergangenen Jahren wenige Aufbrüche und Besuche bei Kreisratssitzungen zu besonderen Themen wobei als Rederecht für BürgerInnen ein, zwei Minuten zugestanden wurde oder eine Frage. Die Teilhabe endete jedes mal an einer geschlossenen Einheitsfront der bürgerlichen Parteienlandschaft, die deutlich klar machte „Ihr habt uns gewählt, ihr müsst mit unseren Beschlüssen leben.“ Wozu also eine lange teure Anfahrt (ÖPNV ab Sipplingen 15,10 Euro Hin- und Rückfahrt) auf sich nehmen, um eine Frage zu stellen, schlecht informiert Heim zu fahren oder wiederholt zu hören: „ Nichts geht mehr, alles im Hinterzimmer beschlossen?“ Dazu kommt eine zunehmend aggressive Grundhaltung von etablierten Politikern, die SPD funktioniert seit Jahren wie ein Hilfsmotor der CDU und die Grünen scheinen trotz fortgeschrittenen Alters über die demokratisch-theoretische Grundausbildung nicht hinausgekommen zu sein.
Die Linke ist in Friedrichshafen feststellbar, jedoch beschränkt sich deren Internetaktivität auf das Einstellen von einem bis zwei Beiträgen jährlich, während die rechte A*D Konkurrenz inzwischen mit der Herausgabe einer eigenen Zeitung „droht“, und auch das muss man ihr leider zugestehen, dass sie ein sehr übersichtlich, gut gestaltetes Internetportal betreibt, das denen der CDU, FDP oder SPD recht nahe kommt.
Vielleicht könnte man bei der Linken den Versuch wagen BürgerInnen oder freie, lokale Medien in die Berichterstattung einzubinden, wie auch Beiträge aus dem Konstanzer Raum zu übernehmen.
Die politische Teilhabe ist ansonsten recht teuer und für ärmere Kreisbewohner mittlerweile unbezahlbar. Ob das den Zugang zu Medien, den ÖPNV oder die meist in Gaststätten stattfindenden Versammlungen betrifft. Eine fortschreitende Begleiterscheinung ist, dass „ehrenamtliche“ Tätigkeiten immer weniger übernommen werden (können), sei es aus Geldmangel (weil mehr Zusatzjobs nötig sind) aus Frustration weil eine echte BürgerInnenbeteiligung schlicht nicht Zustande kommt oder weil Airbnb-VermieterInnen sowie ZeitwohnungsbesitzerInnen an Gemeinschaftsaktivitäten nicht teilnehmen.