Kunst und Kultur, Corona und Kommerz
Was macht ein Fotograf, wenn sich seine Aufträge im Lockdown in Luft auflösen? Die Wochen der verordneten Ruhe gaben Patrick Pfeiffer endlich einmal die Gelegenheit, eigene Projekte zu entwickeln und sich künstlerisch und dokumentierend mit den Auswirkungen der Krise auf das Lebensumfeld auseinanderzusetzen. Er begann damit, leergefegte Straßen und Plätze in Konstanz zu konterfeien und mit ZeitgenossInnen zu sprechen. Es entstand ein anrührendes Porträt von Menschen in einer menschenleeren Stadt.
Ist die Krise, ist der häusliche Einschluss ein Gewinn oder Verlust? Was macht das etwa mit Menschen, die es gewohnt sind, viel zu reisen oder etwa ständig mit anderen zusammenzuarbeiten? Gewinnt eine Stadt ohne Autos, in der die Menschen auf den Straßen spazieren, in der sie gute Luft atmen und dem Vogelgezwitscher lauschen können, eine neue Lebensqualität?
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Menschen vor der Kamera
17 Millionen Menschen sind in Deutschland nach Agenturangaben aufgrund des Lockdowns und des Virus teilweise bis heute von finanziellen Engpässen betroffen, bis zu siebeneinhalb Millionen Menschen befanden sich in Kurzarbeit und sind es oft immer noch.
Es ist völlig klar, dass die Selbständigen und Kulturschaffenden nur einen kleinen Teil der arbeitenden Bevölkerung abbilden, und dennoch ist es mehr als wahrscheinlich, dass gerade sie noch viel länger und stärker als andere unter Arbeits- und Auftrittsverboten zu leiden haben werden. Ganze Branchen im Kultur- und Veranstaltungsbereich werden ohne zusätzliche staatliche Hilfsmaßnahmen, so sie überhaupt in Anspruch genommen werden dürfen, nicht überleben. Unsere Art und Weise, wie wir Kultur künftig erleben können, wird eine andere sein als vor Einführung der Kontaktbeschränkungen.
Patrick Pfeiffer hat Menschen, einige davon aus Konstanz, vor seine Kamera geholt und sie gebeten, ihren Eindruck und ihre Erfahrungen zu vermitteln. Diese Gespräche mit Künstler/Innen, Kulturschaffenden und Soloselbständigen wurden im Studio aufgezeichnet. Zum Konzept gehörte neben dem Studioportrait vor schwarzem Hintergrund auch die Wahl einer Location möglichst mit persönlichem Bezug zur/m Abgebildeten.
Wie wird ein (zwangsweise) Entschleunigung erlebt? Die Kurzinterviews werfen ein Schlaglicht auf Schicksale und Stimmungen Einzelner im April und Mai 2020, und die Auswahl der portraitierten Menschen ist nicht repräsentativ. Die eine Antwort auf die Viren gibt es nicht, denn die Blickwinkel sind sehr verschieden und natürlich auch von individuellen wirtschaftlichen Interessen geleitet.
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Wie geht’s (weiter)?
Eldar Saparayev etwa, Solocellist der Südwestdeutschen Philharmonie, verweist auf eine abgesagte Konzerttournee durch Asien. Seinem Herzen sind die Musik und der öffentliche Auftritt einfach eingeschrieben, alles andere ist bestenfalls zweite Wahl. Susanne Smajic hingegen erkennt (wie immer) auch in der Krise vor allem Möglichkeiten und Chancen und sieht ihre nach eigener Meinung „mehr oder weniger zeitlose“ Kunst durch die Seuche nicht bedroht. Andere wie Klavierbauer Frieder Hugle haben eine durchaus durchwachsene Perspektive auf den Lockdown: Natürlich leidet das Klaviergeschäft unter der Grenzschließung, die ihm Aufträge aus der Schweiz entzieht. Was Hugle als bekennender Stressbolzen verliert, gewinnt er durch Corona wohl als eingefleischter Familienmensch, und das macht Hoffnung. Bei ihm – wie auch einigen anderen der Gesprächspartner und den meisten von uns schimmert immer wieder eine Vorstellung durch: Dass die Nach-Corona-Welt „von etwas mehr Menschlichkeit gekrönt werden möge“, wie es Davor Ljubicic im Video formuliert.
Alle Interviewten eint eine gewisse Ratlosigkeit angesichts der Verwerfungen, die die Krise verursacht hat. Aber eben auch: Hoffnungslos schien niemand zu sein (zumindest nicht vor der Kamera) …
In diesem Sinne: Einfach mal reinschauen, denn es gibt doch wenig Schöneres zu sehen auf dieser Welt als vertraute Gesichter vor der Kamera.
MM/red (Bild: Patrick Pfeiffer, zur Verfügung gestellt vom Kulturamt der Stadt Konstanz)
Der Link zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=x6AjzowPmvY&feature=youtu.be
Menschen und Orte in der Krise, aufgenommen während des Lockdown in Konstanz, April/Mai 2020. Gefördert durch das Kulturamt der Stadt Konstanz.
Danke an den seemoz für die scharfsinnige Analyse meiner Projektarbeit!