Kurzstreckenticket: Protest hält an

Seitdem die Stadtwerke ein Kurzstrecken­ticket anbieten, das allerdings nur über Smart­phone gelöst werden kann, reißt die Kritik nicht ab. Fast täglich erreichen auch die Redaktion Protestschreiben, in denen die Stadtwerke aufgefordert werden, schnell­stens um­zu­den­ken. Hier die Beschwerde eines mobilitäts­ein­ge­schränkten Konstanzers, der seinem Ärger Luft gemacht hat und die Stutt­gar­ter Anti­dis­kri­mi­nie­rungsstelle auffordert, Maßnahmen gegen die Stadtwerke einzuleiten.


Antidiskriminierungsstelle des Landes
Baden-Württemberg
c/o Sozialministerium
Else-Josenhaus-Str. 6
70173 Stuttgart

Betr. : Diskriminierung durch die Stadtwerke Konstanz

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit dem 1.10.2019 bieten die Stadtwerke Konstanz ein Kurzstreckenticket für den öffentlichen Nahverkehr an – leider nur als App für Mobiltelefone, so dass ältere und behinderte Menschen sowie Menschen, die diesen blinkenden Unfug ablehnen, nicht in den Genuss dieses verbilligten Angebots kommen, siehe www.stadtwerke-Konstanz.de/handyticket. Darin erkenne ich eine massive Diskriminierung des o. g. Personenkreises.

Als Schwerbehinderter mit einem gelähmten linken Arm bin ich selbst betroffen. Um ein Handy bedienen zu können, brauche ich eine feste Unterlage und eine Sehhilfe. Jedenfalls kann ich das Gerät in einem schaukelnden und überfüllten Bus ohne Sitzplatz nicht bedienen, z. B. bei einer Kontrolle. Auch die Wartehäuschen sind wegen zig Mainautouristen aus der Schweiz meist total überfüllt, z. B. am Hauptbahnhof und am Zähringerplatz. Hinzu kommen Hunderte von Studierenden, die mit der gleichen Linie 4/13 nach Egg bzw. zur Uni wollen. Die Stadtwerke sind mit ihrem bescheidenen Angebot nicht einmal in der Lage, den Normalbetrieb zu bewältigen. Zudem gefährden sich die Fahrgäste selbst, wenn sie, ohne sich festzuhalten, während der Fahrt mit der blöden App herum daddeln. Man sollte diesen Dreck gleich ganz verbieten.

Viele ältere Nutzer werden sich extra ein Handy kaufen müssen, um einen Kurzstreckenfahrschein erwerben zu können. Warum kann man Kurzstreckentickets nicht auf den üblichen Wegen vertreiben? Sind die Entscheidungsträger in Konstanz von einer derartigen Ignoranz gezeichnet? Oder fehlt Ihnen ganz einfach ein Mindestmaß an gesundem Menschenverstand?

Darüber hinaus ist die Gesundheits- und Klimaschädlichkeit von Mobiltelefonen hinlänglich bekannt. Ich kann nicht verstehen, wie eine öffentliche Einrichtung wie die Stadtwerke in einer Stadt, die den Klimanotstand ausgerufen hat, dies quasi amtlich unterstützen darf und dazu noch Datenkraken wie Google in die Hände spielt, in dem die App über den Google Play Store vertrieben wird.

Ich bitte Sie daher, gegen die Stadtwerke, vertreten durch den Geschäftsführer, wegen des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot ein Bußgeld zu verhängen und diese miesen Geschäftspraktiken durch Androhung eines Zwangsgeldes zeitnah zu unterbinden. Da über diese App auch Normalfahrscheine angeboten werden, ist eine Umstellung des kompletten Ticketverkaufs zu befürchten, daher besteht Handlungsbedarf.

Mit freundlichem Gruß


red (Screenshot: www.stadtwerke-konstanz.de/handyticket)

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