Lärm-Alarm in Radolfzell
Nicht nur Konstanz ächzt unter immer mehr Verkehr, erhöhten Abgaswerten und steigendem Lärmpegel. Auch in Radolfzell werden die Klagen lauter. Die Stadtverwaltung will nun einen „Lärmaktionsplan“ auf den Weg bringen, wie Thomas Nöken vom Fachbereich Umwelt, Planen und Bauen bei einer Informationsveranstaltung den BürgerInnen erklärte. Das ist längst überfällig, meint unsere Kommentatorin.
Endlich eine öffentliche Sitzung in Radolfzell über einen der schlimmsten Stress-Faktoren in unserem Alltag: LÄRM: Eher skeptisch machte die anwesenden Diskutanten die vermeintlich verständnisvolle, jedoch eigentlich kaum beruhigende Anekdote des Baudezernenten Thomas Nöken, dass er auf dem Schulweg mit seinem Sohn auf der Konstanzer Straße kaum sein eigenes Wort verstehen konnte, weil es dort ja so laut sei. Nun, immerhin muss er mit seiner Familie an dieser extrem befahrenen Straße ja nicht leben. Nicht zu schweigen von den sichtbar von jahrelangem Lärmterror gezeichneten AnwohnerInnen der Haselbrunnstraße und dem entsetzlich lauten Neubaugebiet „Kasernenhöfe“, sowie akustisch überstrapazierten Menschen an den Durchgangsstraßen in den Ortsteilen Markelfingen und Böhringen, die vergangenen Montagabend im Rathaussaal endlich mal vor einem größeren Publikum Details aus ihrem qualvollen Alltag mitteilen durften.
Im Vergleich zu deren tagtäglichem Leiden erschien mir die traurige Unmöglichkeit für mich, meinen Balkon wegen des Krachs von der Schützenstraßen-Brücke zu nutzen, ja vergleichsweise noch harmlos. Die Frage bleibt: Warum erst jetzt übernimmt die Gemeinde Radolfzell die Verantwortung für die konkreten Einschränkungen der Lebensqualität ihrer BürgerInnen durch das seit Jahren steigernde Verkehrsaufkommen? Ist denn unser persönliches Wohl und Wehe schicksalhaft nur noch dem superlativen Profit-Streben von Konzernen zu opfern? „Halbherzige Lösungen sollten vermieden werden, wir brauchen Kundenmagnete“, meinte Thomas Nöken im Mai 2015 in einer Gemeinderatssitzung, um ignorant wie ein neoliberaler Manager der Konkurrenz aus Singen und Konstanz mit Wachstum um jeden Preis Gewinnmargen entgegenzusetzen.
Als ob unsere Infrastruktur nicht zuerst dem gemütlichen und möglichst gesunden Leben der Radolfzeller selber zu dienen hätte! „Der Verkehr muss störungsfrei fließen“, hören wir immer wieder. Aber: Es darf nicht sein, dass Herr Nöken betont burschikos auftritt und allen Ernstes meint, die steuerzahlenden EinwohnerInnen auf weitere Jahre vertrösten zu können, Nein, einige behördliche Maßnahmen könnten sehr wohl umgehend in für alle entlastende Regelungen in die Tat umgesetzt werden. Die städtischen Gremien sollten ihrer Verantwortung gerecht werden und den Leidensdruck vieler RadolfzellerInnen bitte endlich ernst nehmen. Schließlich geht es auch hier um Bereiche der Daseinsvorsorge als staatliche Aufgabe. Flankierend sei daran erinnert, dass die deutschen BürgerInnen seit geraumer Zeit auf das „Informationsfreiheitsgesetz“ zurückgreifen können, welches ihnen sogar einklagbar erlaubt, alle möglichen Hintergrundinformationen jederzeit einzusehen, um sehr praktische Forderungen aus diesem Wissen beanspruchen zu können.
Schädliche Emissionen – das bedeutet im zerstörerischen Turbokapitalismus ja ein weites Feld. Auch die fossilen Schadstoffe vergiften uns und die Natur. Insofern treibt manchen Bürger ja auch die bange Frage um, wieweit das regelmäßige Lüften – also die Fenster weit aufreißen, um die ach so frische Luft in die Wohnung strömen zu lassen – sich auf Dauer nicht eher gesundheitsschädlich auswirkt. Am wunderbaren Erfolg der „Deutschen Umwelthilfe“, vor über 40 Jahren hier in Radolfzell gegründet und inzwischen bundesweit aktiv, die den maßlosen Betrug der Autoindustrie mit den uns alle gefährdenden Abgasgiften aufgeklärt hat, und weiter an diesem Thema dran bleibt, lässt sich ermessen, wie gut es tut, sich gemeinsam zu wehren.
Marianne Bäumler