Landrat zeigt Einsicht: WLAN für Flüchtlinge
Was seemoz seit langem forderte und was im Kreistag mehrfach diskutiert wurde, wird jetzt umgesetzt: Der Landkreis Konstanz richtet in allen Gemeinschafts- und Notunterkünften WLAN ein. Dies deutete Landrat Hämmerle (Foto) bereits am vergangenen Montag auf einer Informationsveranstaltung an – jetzt wird aus der späten Einsicht plötzlich Realität. Doch so richtig großzügig zeigt sich Frank Hämmerle wieder nicht.
Plötzlich ist aus dem Landratsamt zu hören: „Der Stellenwert des WLAN für Asylsuchende ist hoch, da über das Internet Kontakt mit den Familien gehalten und auch Bildungsangebote in Anspruch genommen werden können.“ Das galt zwar schon vor Wochen, als das Thema von seemoz publik gemacht wurde, doch jetzt hat es auch den Landrat erreicht.
WLAN soll für drei Euro im Monat pro Gerätezugang angeboten werden. Um sich in das Netz einwählen zu können, erhalten die AsylbewerberInnen ein eigenes Passwort. Kostenfreies WLAN lehnt der Landrat jedoch weiterhin ab: „Dies wäre eine nicht vertretbare und vom Bundesverfassungsgericht untersagte Ungleichbehandlung von Asylbewerbern und Sozialleistungsbeziehern. Ausgangspunkt für die gleichbehandelnde Betrachtung sind die Einkünfte: Sowohl im Regelsatz der Sozialleistungen als auch im Regelsatz der Asylbewerber sind für den Zweck der Nachrichtenübermittlung annähernd identische Anteile enthalten. Einer alleinstehenden Person stehen dafür monatlich rund 35 Euro zur Verfügung.“
Nur: Eine solche „Gleichbehandlung“ kann schon deshalb nicht gelten, weil deutsche Hartz-IV-EmpfängerInnen nicht täglich Kontakt mit ihren Familien in Syrien brauchen. Eine kostenlose WLAN-Nutzung für alle Asylsuchenden ist deshalb die einzig richtig Lösung – womöglich gelingt es uns, auch diese Einsicht dem Landrat Hämmerle zu vermitteln.
Das Landratsamt ist bestrebt, die Lösung zeitnah umzusetzen. So wird zum Beispiel in der als Notunterkunft genutzten Sporthalle der Zeppelin-Gewerbe-Schule in Konstanz voraussichtlich bereits im Laufe der nächsten Woche WLAN zur Verfügung stehen. Nach und nach soll das dann auch in den anderen Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises eingerichtet werden.
PM/hpk
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Was für ein abstruser „Erfolg“ – Geflüchtete sollen 3 Euro monatlich für einen WLAN-Anschluss bezahlen, den sie mit Null Aufwand umsonst haben könnten. Schließlich hat das Landratsamt seit Monaten das Spendenangebot der IT Firma mdbw, kostenlos WLAN in den Flüchtlingsunterkünften zu installieren. Das Landratsamt müsste nichts weiter machen als dieses Spendenangebot einfach zuzulassen, statt von den Geflüchteten auch noch Geld zu kassieren für eine für sie existenziell wichtige Leistung. Diese Geschichte ist so ein peinlich-trauriger Schildbürgerstreich, der außerhalb Konstanz sicher seinesgleichen suchen muss.
Ich bin auch dafür, dass man „sich für seine Meinungsbildung Zeit nimmt“. Davon aber bei Herrn Hämmerles Entscheidung zu sprechen ist schon fragwürdig, da bekommt „Zeit ist relativ“ gleich eine ganz neue Bedeutung. Diese Forderung mit dem WLAN wird von Ehrenamtlichen auf Hinweise der Flüchtlinge schon seit mehreren Jahren, mindestens seit 2013, erhoben.
Eine Gleichberechtigung von Menschen ist überaus wünschenwert und wird gerne unterstützt. Hier aber trifft das leider von den Voraussetzungen nicht zu, da es (bedauerlicherweise) eine ganz andere Rechtsstellung der Personengruppen gibt. Die Probleme der Flüchtlinge waren gar nicht so sehr die Kosten, sondern dass sie es schlicht nicht durften. Dadurch, dass der Landkreis das Hausrecht in den Unterkünften hat, bestimmt er auch, ob ein Telefonanschluss erlaubt ist – Und bislang war die Antwort aus dem Landkreisamt immer ein striktes Nein, auch wenn mündige Bürger dies auf eigene Kosten einrichten wollten. Auch Flüchtlinge hätten sich übrigens gerne zusammengetan, es braucht ja nicht jeder einen eigenen Anschluss, sondern dadurch dass die räumlichen Verhältnisse eh sehr eng sind, reicht da ein WLAN-Router problemlos aus, um 50 Leute zu versorgen und entsprechend gering wären dann auch die Kosten.
Um es Vergleichbar zu machen, müssten also Hartz-IV-Bezieher auch das Jobcenter fragen müssen, ob Sie sich einen Telefonanschluss in der eigenen Wohnung legen lassen dürfen. So weit ist es glücklicherweise noch nicht gekommen.
Es handelt sich hier also nicht um eine Bevorzugung, sondern ist schlicht dem geschuldet, dass Flüchtlinge eine so schlechte rechtliche Stellung haben – Hartz-IV-Empfänger haben (glücklicherweise!) auch einen Anspruch auf mehr als 4,5m² Wohnraum, wie er für Flüchtlinge gilt.
Aus diesen Gründen waren auch die Begründungen des Landrats sachlich schlicht falsch. Es ist überhaupt kein „Ausspielen“, wenn freie Bürger beispielsweise einen Internetzugang in einer Gemeinschaftsunterkunft abschließen (und bezahlen) wollen (was bisher nicht erlaubt war), das ist schlicht ein Recht für mündige Bürger, woran man meiner Meinung nach völlig grundlos gehindert wurde.
Gleichzeitig hindert niemand jemand daran, für einen Hartz-IV-Empfänger (oder -in) das gleiche zu tun.
Ich bin aber froh, dass Landrat Hämmerle seine irrige Meinung nun korrigiert hat und dies nun endlich erlaubt. Dass es 3 Euro kostet finde ich für die Flüchtlinge nicht besonders schlimm, die meisten die ich kenne zahlen das dann gerne. Ob das wirklich wirtschaftlich Sinn macht (man bedenke den ganzen Verwaltungsaufwand, man muss die Zahlungen ja auch entgegennehmen), steht aber auf einem anderen Blatt.
Lieber Herr Riehle,
mein Kommentar ist so ironisch wie die Diskussion über freies Internet als Teil der Grundversorgung spitzfindig ist. Der Sprung über den eigenen Schatten ist kurz: Die politische Entscheidung zugunsten des barrierefreien (= kostenlosen) Internetzugangs für Flüchtlinge velangt nur ein klein wenig Courage, eine Raketenwissenschaft muss man daraus nicht machen.
Beste Grüße
Bernd Sonneck
Lieber Herr Sonneck,
ich bin mir nicht ganz sicher, ob Ihr Kommentar als ironisch wahrzunehmen ist. Falls ja, würde mich interessieren, ob Sie kostenlosen Strom, Wasser und Öl beziehen? Das wäre toll! Wo bekomme ich das auch?
Und eigentlich gehe ich davon aus, dass in Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises der Landrat auch Hausrecht besitzt. Sind es nicht oftmals kreiseigene Schulen oder gekaufte Tennishallen?
Beste Grüße
Dennis Riehle
Wie bitte? Landrat lehnt kostenfreies WLAN ab? Was soll das!? Freier Internet-Zugang ist Teil der Grundversorgung, wie Leitungswasser, Strom und Heizung! Ein Vorschlag zur Lösung des Landrats, schnell umsetzbar und kostengünstig: Die Stadt Konstanz respektive ihre Stadtwerke montieren vor den Flüchtlingsunterkünften WLAN-Hotspots, und der Fisch ist geputzt. Das Hausrecht des Landrats endet an der Straßenkante.
Na also, geht doch. Schade, dass der Zugang nicht kostenfrei zur Verfügung gestellt wird und Landrat Hämmerle diesen zynisch anmutenden Vergleich mit denen, die auch viel zu wenig haben, anstellt. Flüchtlinge erhalten in Konstanz neben 190 Euro Taschengeld 139 Euro für die Verpflegung (Stand Januar 2014, bargeldlose Auszahlung). Da zählt jeder Euro, jeder Cent. Wirklich freies, kostenloses WLAN kann auf der Marktstätte, im Hafen und in der Rosgartenstraße genutzt werden – nicht nur von den vielen WeihnachtsmarktbesucherInnen.
http://linke-liste-konstanz.com/linke-und-llk-wlan-zugang-fuer-gefluechtete-ist-ein-gebot-der-humanitaet/
Man könnte durchaus kritisieren, dass unser Landrat mit seiner Entscheidung lange gebraucht hat. Allerdings ist es mir lieber, wenn ein Politiker sich für seine Meinungsbildung Zeit nimmt und sich überzeugen lässt, statt einem öffentlichen Druck unreflektiert nachzugeben (was heute leider oftmals Normalität ist).
Ich finde es schwierig, nun doch wieder zwischen (deutschen) Sozialhilfeempfängern und Leistungsbeziehern nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu unterscheiden, wie es die Redaktion durch ihre in die Pressemitteilung eingearbeitete Kommentierung tut. Das fördert das letztlich befürchtete „Ausspielen“ bedürftiger Menschen – egal, aus welchem Grund sie Leistungen erhalten.
Eine Gleichbehandlung kann durchaus gerechtfertigt werden, zumal es aus meiner Perspektive zunächst doch nachrangig ist, wofür die Mittel eingesetzt werden, die für „Nachrichtenübermittlung“ im Regelsatz enthalten sind. Denn sollen wir jetzt auch noch unterscheiden, ob ein Flüchtling nun Verwandte in der Heimatregion hat – oder nicht, wo diese Bekannten sich aufhalten, ob der Sozialhilfeempfänger mit deutscher Staatsangehhörigkeit vielleicht ebenso Verwandtschaft im Ausland nachweisen kann oder ob er seinerseits mit Angehörigen Verbindung halten will, die sich eben „nur“ – aber immerhin – im Norden der Bundesrepublik befinden und auch über das Netz kontaktiert werden sollen?
Gerechtigkeitsempfinden stellt sich wahrscheinlich immer nur dann ein, wenn möglichst individuelle Regelungen getroffen werden. Das kann unter der momentanen Situation aber keiner verlangen. Deshalb sind Pauschalen, die nicht unterscheiden, in welcher Höhe und wofür sie letztlich genutzt werden, eine faire Lösung.
Dass die Flüchtlinge in einer besonders schweren sozialen Notlage sind, hat das Landratsamt gewürdigt, indem für einen vergleichsweise niedrigen Kostenanteil von drei Euro der Zugang zum W-LAN ermöglicht wird – für einen privaten (deutschen) Haushalt, der Sozialleistungen bezieht, ist das Internet sicherlich kaum so günstig zu erreichen. Insofern findet bereits eine gewisse „Bevorzugung“ statt, die allerdings begründet werden kann – die aber gleichsam auch den Vorwurf im Bezug auf die angeblich „ungerechte“ Gleichbehandlung“ ausräumt.