Landtagswahl-Debatte: Druck auf den Südkurier wächst
Nicht nur bei eingefleischten seemoz-LeserInnen hat die Entscheidung der hiesigen Tageszeitung, für eine Podiumsdiskussion nur KandidatInnen einzuladen, deren Parteien bereits im Landtag vertreten sind, also auch die AfD, für Empörung gesorgt. Somit bleiben die KandidatInnen von Linkspartei und Klimaliste außen vor. Wir haben bei den Bewerbern der anderen Parteien nachgefragt, was sie von diesem Vorgehen halten.
Petra Rietzler (SPD): „Es ist bei uns üblich, dass Gastgeber in eigener Verantwortung entscheiden, wen sie zu ihren Veranstaltungen einladen. Das gilt selbstverständlich auch im Wahlkampf und auch für öffentliche Veranstaltungen.
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Dennoch habe ich mich über die Gästeliste des Südkurier gewundert. Sicher kann man argumentieren, dass Kandidierende der im Landtag vertretenen Parteien eingeladen wurden und dass dies eine begründete Auswahl ist. Aber: Die Linke gehört seit Jahrzehnten dem Bundestag an, ist auf kommunaler Ebene und im Kreistag vertreten und ist Bestandteil unserer politischen Landschaft. Daher würde ich dem Südkurier empfehlen, keine Diskussion über den Teilnehmerkreis einer solchen Veranstaltung zu führen, sondern Antje Behler nachträglich eine Einladung zu senden. Übrigens: Vor fünf Jahren hatte der Südkurier die AfD eingeladen, obwohl sie weder in Bundes- noch Landtag vertreten war.“
Levin Eisenmann (CDU): „Es ist natürlich eine Entscheidung des Südkuriers, deshalb kann ich da wenig sagen. Für mich kann ich aber sagen, dass ich gerne auch mit der Linkspartei und mit der Klimaliste über gute Politik in Baden-Württemberg diskutiert hätte.“
Jürgen Keck (FDP): „Bezogen auf die Pressefreiheit kann der Südkurier ganz frei entscheiden, wen er warum zu einer solchen Podiumsdiskussion einlädt. Aus demokratischer Sicht: Die Vorbereitungen auf eine Wahl muss alle mit einbeziehen. Gerade bei einer solchen Veranstaltung hier im Wahlkreis gilt es, alle Kandidaten einzuladen, die für den Wahlkreis antreten.“
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Nese Erikli (Grüne): Trotz mehrfacher Nachfragen ging keine Stellungnahme bei uns ein.
Thorsten Otterbach (AfD): Bei diesem Landtagswahlkandidaten handelt es sich nachweislich um einen überzeugten Rassisten. Bis zur Wahl, so ist seiner Wahlkampfseite zu entnehmen, wolle er AfD- Sympathisanten mit selbstgezeichneten politischen Karikaturen unterhalten.
Auch aus hygienischen Gründen haben wir uns dafür entschieden, Herrn Otterbach nicht zu kontaktieren.
H.Reile (Bild: JoachimKohlerBremen, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
Die Stadt Konstanz verbot Ende Januar völlig zurecht ein AFD-Plakat mit rassistischer Hetze, das eine von Thorsten Otterbach gezeichnete „Karikatur“ enthält. Der Südkurier zeigt sich von seiner rechten Seite, hat offenbar keinerlei Problem damit diese rassistische Hetze massenhaft zu verbreiten. Das AFD-Plakat mit entsprechendem Artikel dazu befindet sich auf Seite 8 der 10-seitigen Wahlwerbe-Zeitung der AFD, die in der Mittwochsausgabe des SK eingelegt war. Es ist, auch aus Platzgründen hier, gar nicht nötig auf den restlichen Inhalt der AFD-Zeitung näher einzugehen, weil m. E. schon dieses eine Beispiel Bände spricht. Was kümmern den Südkurier demokratische Prinzipien und Konsense, wenn mit AFD-Werbung sich eine goldene Nase verdient werden kann. Aber doch, das sollte den Südkurier kümmern, in Zukunft kümmern müssen! Es ist zu hinterfragen welche Kriterien der SK ansetzt und ansetzen darf bzw. dürfen sollte in der Entscheidung welche Werbung eingelegt werden kann und welche nicht. Rassistische Hetze hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun! Die Genehmigungskriterien, die die Stadt Konstanz schon lange eingeführt hat für Plakatwerbung sollten ganz selbstverständlich auch Leitlinien für den SK sein in der Entscheidung welche Werbung er verbreitet und welche nicht. Dass man darüber heutzutage überhaupt noch reden muss ist das eigentlich Erstaunliche. Es reicht nicht aus, nein es ist absolut skandalös, wenn der SK in einer kleinen Spalte der Ausgabe mit der AFD-Werbung mitteilt, dass er für den Inhalt der Werbung nicht verantwortlich sei. Der SK ist verdammt noch mal verantwortlich für die Verbreitung des Inhalts und der rassistischen Hetze! Das war ein absolutes NO GO!! Und ich denke das sollte ein Nachspiel für den SK haben. Verbreitung rassistischer Hetze ist m.E. ein Tatbestand aufgrund dessen die Staatsanwaltschaft sich zu Ermittlungen aufgerufen sehen sollte.
https://www.spiegel.de/kultur/suedkurier-aufregung-um-beigelegte-afd-wahlzeitung-a-83a12037-54a2-4409-bdf5-977d50c6091b
Bitte nicht die Kommentare dazu lesen. Außer, ihr habt einen stabilen Magen.
..und Jan Boehmermann:
„Die rechtsextreme Fake-News-Beilage des @Suedkurier_News
heute – gestaltet wie eine redaktionelles Extrablatt.
Print ist nicht tot, sondern einfach nur bewusstlos…“
https://twitter.com/janboehm/status/1364524120839499777
Oh, Michael Lüntstroh trifft es noch besser: https://twitter.com/luenmich/status/1364474343892344833
LINKE wird nicht eingeladen, Werbung für die AfD wird gerne verteilt:
https://twitter.com/NinaRckln/status/1364521078429786112
Was ist denn beim Südkurier falsch?
Offenes Schreiben an den SÜDKURIER:
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der öffentlichen Berichterstattung war zu vernehmen, dass Sie die Kandidatenrunde des „Südkurier“ zur Landtagswahl 2021 in Baden-Württemberg ohne die Vertreter von Parteien ausrichten wollen, die derzeit nicht im Parlament vertreten sind, aber dennoch Chancen auf das Überspringen der 5 % – Hürde haben.
Zweifelsohne ist es nachvollziehbar, Kriterien festzulegen, welche die Parteien zur Podiumsdiskussion zulassen und dort Grenzen ziehen, wo das zu erwartende, geringe Wahlergebnis das repräsentative Bild der politischen Meinung einer Mehrheit verzerren würde. in diesem Fall erhielte ein Teilnehmer der Runde nämlich eine überproportionale Präsenz für seine relativ gesehen kleine Gewinnchance, was zu einem Ungleichgewicht und einer Bevorteilung von Kandidaten kleiner Gruppierungen führen würde.
Welche Maßstäbe sollten also angesetzt werden, um gerecht befinden zu können, wer an der Debatte des „Südkurier“ mitwirken darf? Sie argumentieren, lediglich Vertreter von Parteien einzuladen, die bereits im Landtag vertreten sind – und orientieren sich damit an den Gesprächsrunden der Spitzenkandidaten im Fernsehen. Folgt man dieser Logik, wäre es folgerichtig, beispielsweise DIE LINKE oder die „Klimaliste“ nicht zu Ihrer Veranstaltung hinzu zu bitten.
Ist es aber nicht Aufgabe der Medien, auf Stimmungen in der Bevölkerung zu reagieren und zu gewährleisten, dass Standpunkte von aktuellen Strömungen zu Wort kommen? Wenngleich der Zuspruch dieser Bewegungen noch nicht in den Zahlen messbar ist, die für einen Einzug in den Stuttgarter Landtag notwendig wären, scheint es aus meinem Verständnis sinnvoll und eine mediale Pflicht, denjenigen eine Stimme zu geben, deren Kernkompetenz in der Formulierung und Umsetzung von Forderungen liegt, welche eine die gesamte Gesellschaft betreffende Herausforderung der nächsten Jahrzehnte umreißen.
Andererseits halte ich es für bedenkenswert, im pluralistischen Sinne vollends unerlässlich und dem Verständnis der Demokratie gerechtfertigt, den Blick nicht auf Parteien allein zu richten, deren Abgeordnete als gewählte Volksvertreter im Plenum Verantwortung übernehmen. Gerade in dieser Zeit merken wir deutlich, dass Mandatare nicht selten von der außerparlamentarischen Opposition auf Probleme und ihre Lösungen hingewiesen werden. Deshalb scheint es mir zwingend, auch jene Parteien zu berücksichtigen, die von der Straße aus wesentlich an Gesetzgebungsprozessen Anteil haben und daher die Gelegenheit bekommen sollten, ihre Überlegungen dem Wahlvolk darlegen zu können. Immerhin benachteiligt unser Wahlsystem kleinere Parteien nicht nur in der Corona-Pandemie ganz praktisch, weshalb es in einer ausgewachsenen, offen-freiheitlich gestalteten und partizipierenden Demokratie die journalistische Ethik sein muss, diese Schlechterstellung durch mediale Aufmerksamkeit besonders auszugleichen.
Abschließend halte ich es für generell fragwürdig, warum aus dem demokratischen Spektrum der Parteien nicht wenigstens die Kräfte auf Ihrer Veranstaltung abgebildet werden sollen, die in Bundes-, Landtagen, Gemeinde- und Kreisräten seit jeher tragende Funktionen übernehmen und damit vielerorts parlamentarische Fachkunde gesammelt haben. Selbst wenn DIE LINKE im „Ländle“ bislang keine Möglichkeit hatte, im Landtag ihre Politik zu Gehör zu bringen, gehört sie sogar aus den Augen politischer Gegner zur etablierten Parteienlandschaft, weshalb man ihr auf Grundlage der Chancengerechtigkeit die Teilnahme an Ihrer Vorstellungsrunde gewähren sollte – nicht aus Barmherzigkeit, sondern in der Moral der „4. Gewalt“, eine möglichst große Bandbreite politischer Haltungen darzubieten.
Letztlich halte ich in der Abwägung der Frage, ob DIE LINKE und die „Klimaliste“ einbezogen werden sollen, die Verhältnismäßigkeit in zweierlei Hinsicht gewahrt: Sie sind beide derart in der Bevölkerung repräsentiert, dass niemand behaupten kann, den Parteien würde eine ungerechtfertigte Plattform zur Präsentation gegeben, der ihnen anteilsmäßig nach den zu erwartenden Wählerstimmen nicht zustünde. Andererseits muss Gleichheit gelten: Wenn nach meiner Erinnerung in einer ähnlich gelagerten Situation aus den vergangenen Wahlen die AfD eine Einladung zu Ihrer Veranstaltung erhielt, sollte auch dieses Mal gefragt werden, ob die Zugehörigkeit zum Parlament oder der potenzielle Einfluss einer Partei in der Meinungsbildung der Bürger zum Maßstab für die Auswahl der Spitzenkandidaten in Ihrer Runde werden sollte.
Ich halte Ihr bisheriges Vorgehen, die „Klimaliste“ und DIE LINKE aus der Podiumsdiskussion herauszuhalten, nicht nur für inkonsequent, sondern im Verweis auf Ihre früheren Entscheidungen für ungerecht. Letztlich erhoffe ich mir anhand meiner Argumentation, dass Sie in Demut vor unserer politischen Vielfältigkeit nochmals überlegen, ob Sie Ihren Lesern und allen Interessierten ein Spektrum an Parteien präsentieren möchten, das eine umfassende Mehrheit der in Deutschland vertretenen und gleichsam in allen Bevölkerungsschichten verankerten Meinungen abbildet. Ich ermutige Sie zu diesem Schritt, um den selbsternannten Ruf der Unabhängigkeit Ihrer Zeitung aufrechterhalten zu können.
Herzliche Grüße
Dennis Riehle