Leben schützen, nicht Patente
Dürfen für Profite Menschenleben riskiert werden? Im Kern beschäftigte sich der Bundestag jüngst genau mit dieser Frage und kam zu einer eindeutigen Antwort: Ja, denn es gibt ein höheres Gut. Der Schutz von Patenten müsse auch in Zeiten einer globalen Pandemie Bestand haben. Sibylle Röth, hiesige Bundestagskandidatin der Linken, findet das verantwortungslos: „Der Schutz menschlichen Lebens muss immer Vorrang haben.“
Deshalb brauche es eine Freigabe von Impfpatenten für eine möglichst schnelle und umfassende Durchimpfung, ist Röth überzeugt. Nur so könne die Gefährdung von Leben und Gesundheit unzähliger Menschen und der Zusammenbruch bereits labiler Gesundheitssysteme vermieden werden. Sie verweist auf die Gewinne der Pharmaunternehmen, die ihre Forschungsausgaben schon jetzt ausgleichen. „Der Handel mit Vakzinen verspricht zu einem lukrativen Geschäft zu werden, wie die entsprechenden Börsenkurse der Unternehmen zeigen.“ Allein letzten Samstag habe die EU für geschätzte 35 Milliarden Euro Impfstoffe bei BioNTech/Pfizer bestellt. Überdies sei der deutsche Staat selbst der zweitgrößte Investor in die Entwicklung bestimmter Vakzine gewesen. Die Impfstoffe seien somit zu großen Teilen ein Ergebnis öffentlichen Finanzierung ohne unternehmerisches Risiko. Allein Deutschland fördere die Forschung mit 750 Millionen Euro.
Eine breite Phalanx von Staaten der südlichen Hemisphäre, federführend Südafrika und Indien, fordert, die Patente zeitlich begrenzt freizugeben. Organisationen wie die WHO, die WTO und die Ärzte ohne Grenzen drängen seit Längerem ebenfalls auf die Freigabe der Patente. Dass sich gegen diesen Vorstoß ausgerechnet die westlichen Länder sträuben, in denen die gewinnträchtigen Produktionsstätten liegen, überrascht Röth nicht. Es zeuge indes „von einer durch und durch unfairen Politik, darauf zu hoffen, die Exportwirtschaft stoße sich an dem Verkauf der Vakzine gesund“, so die Linke. Es sei nicht hinnehmbar, durch Herstellungsmonopole und nationale Überversorgung westlicher Industriestaaten ärmere Länder auszuschließen.
Das derzeit in Medien wie dem Südkurier gegen eine Freigabe vorgebrachte Argument, durch Überversorgung in Deutschland könnten doch Impfmittel für Länder des Südens als Geschenk abfallen, lässt Röth nicht gelten. Es folge einer antiquierten Logik der Frühen Moderne, die soziale Sicherheit der Armen mit Almosen verwechselt. „Das Leben von Menschen darf nicht zur Verfügungsmasse von Konzernen werden und Gesundheitsvorsorge nicht zur von privilegierten Europäern zugestandenen Gnade“, betont sie, „das sollte historischer Erfahrungen wegen zu einem Prinzip gerade deutscher Politik geworden sein“. Kritik übt die Linke-Kandidatin deshalb auch am Konstanzer Bundestagsabgeordneten Andreas Jung, der gegen die Freigabe votierte. „Um eine Pandemie langfristig in den Griff zu bekommen ist es dringend geboten, sich nicht von wirtschaftlichen Interessen leiten zu lassen, sondern im Geist internationaler Solidarität alles Machbare zu unternehmen.“
MM/jüg (Bild: Angelo Esslinger auf Pixabay)