Liebesgrüße aus Bochum

Die quälend langwierigen Baumaßnahmen in der Konstanzer Schwaketenstraße schleppen sich ihrem Abschluss entgegen. Dem Oberbürgermeister Uli Burchardt bescherte das kurz vor Weihnachten einen Brief vom Geschäftsführer der „Vonovia Region Süd“, Frederic Neumann, den geplagten BewohnerInnen flatterten die Betriebskosten­abrechnungen für das Jahr 2019 ins Haus. Beide Dokumente sind geeignet, den Betroffenen die Zornesröte ins Gesicht zu treiben.

Arglistige Täuschung

Matthias Oehlschläger, Vonovia-Mieter und in der Initiative aktiv, die sich gegen die Zumutungen des Miethaies wehrt, will die Post aus Bochum nicht unkommentiert stehen lassen. Hier seine (leicht gekürzte und geringfügig redigierte) Stellungnahme.

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Das Schreiben des Vonovia Geschäftsführers an den OB ist in vielerlei Hinsicht so bemerkenswert wie inkorrekt. Er räumt darin ein, man wäre den eigenen Ansprüchen, was die Bauarbeiten in der Schwaketenstraße anbelangt, nicht immer gerecht geworden. Da stellt sich angesichts dieser katastrophalen Baustelle die Frage, wie gering der Anspruch der Vonovia wohl sein mag.

Herr Neumann glänzt überdies vor allem mit Unwissenheit über die aktuelle Situation vor Ort. So schreibt er, die neue Außenanlage werde erst bepflanzt, wenn es jahreszeitlich sinnvoll sei. Zu diesem Zeitpunkt war das aber schon längst geschehen. Ob die im Dezember gepflanzten Bäume, Sträucher und Bodendecker den Winter allerdings überleben, wird man dann im kommenden Frühjahr sehen.

Falsch sind zudem seine Angaben zu den Fertigstellungsterminen. So behauptet Neumann, die eigentlichen Modernisierungsmaßnahmen seien im Januar 2020 abgeschlossen worden. Die BewohnerInnen bezahlen aber, trotz weiter bestehender Baustelle, bereits seit November 2019 wieder die volle Miete; von Vonovia damals mit dem Ende der Modernisierung zu diesem Zeitpunkt begründet.

Umso mehr staunten sie, als ihr Vermieter im August 2020 in einem Schreiben verkündete: „Die Modernisierung wurde nun abgeschlossen und in der Zeit vom 27.08.2020 bis 02.09.2020 erfolgt eine letzte Grundreinigung der Häuser inklusive der Keller“.

Offensichtlich gibt es innerhalb des Vonovia Konzerns ganz unterschiedliche Auffassungen, wann die Modernisierungsmaßnahmen denn nun beendet wurden. Für die MieterInnen der Schwaketenstraße machte das aber ohnehin wenig Unterschied, hatten sie doch bis vor Weihnachten immer noch täglich mit Baulärm und Schmutz zu kämpfen.

Zudem behauptet der Geschäftsführer, die parallel vorgenommene Mängelbeseitigung sei Ende Juli 2020 abgeschlossen worden. Auch dies eine Falschaussagen: Viele BewohnerInnen warten bis heute auf die überfälligen Reparaturen in ihren Wohnungen. Ebenso laufen auch immer noch Mangelbeseitigungen in den Fluren und Allgemeinräumen und Kellern. So wurden beispielsweise die während des Einbaus der neuen Haustüren beschädigten Fliesen erst Ende Dezember nach mehr als einem Jahr erneuert.

Als Fazit zieht Herr Neumann, die Vonovia würde nun in der Schwaketenstraße qualitativ deutlich besseren und zukunftsfähigeren Wohnraum zu fairen Preisen anbieten. Für die MieterInnen liest sich das wie purer Hohn. Zum einen verlangt der Immobilienkonzern jetzt für die Wohnungen bei Neuvermietung eine Kaltmiete von über 14 Euro pro Quadratmeter.

Steigleitung ins Nichts.

Zum anderen ist die Liste qualitativer Verschlechterungen, die mit der sogenannten Modernisierung einhergehen, ellenlang.

  • So sind die neuen Fenster im Schnitt um 20 Prozent kleiner als zuvor und die Wohnungen entsprechend dunkler.
  • Pfusch beim Einbau durch unqualifizierte Firmen und die Verwendung von Fensterfalzlüftern sorgt für Zug. Einige MieterInnen kleben bei den gegenwärtigen Minustemperaturen die neuen Fenster mit Zeitungspapier ab, damit beim Heizen die Wärme nicht verpufft.
  • Die neuen Balkonbeläge hat man uneben angebracht, sodass sich jetzt, anders als vorher, bei Regen Wasser auf den Balkonen sammelt. Beim Aufbringen der Betonversiegelung wurden überdies teilweise die Abflüsse gleich mitversiegelt.
  • Neue Elektroleitungen in den Wohnungen verlegten die Modernisierer auf Putz in Kabelkanälen, teilweise klebten sie Kabel aber auch nur mit Silikon an die Wand. Dies entspricht dem technischen Stand der 1950er Jahre und hat mit Instandhaltung oder Modernisierung nichts zu tun.
  • In zwei Häusern wurde die neue Elektroverteilung in der Waschküche angebracht. Der eigens für die Schaltschränke gemauerte kleine Raum hat ein fragwürdiges Lüftungskonzept: Feuchtwarme Waschküchenluft wird durch einen Lüfter in den Elektroraum eingesogen und an anderer Stelle durch einen zweiten Lüfter wieder in die Waschküche befördert.
  • Auf den Vordächern bleibt bei Niederschlägen nun Wasser stehen, weil man den Abfluss an der höchsten statt der tiefsten Stelle angebracht hat. Waren die Vordächer vor der Modernisierung dicht, regnet es jetzt zuverlässig durch.

Dies ist nur ein Auszug einer langen Liste von Mängeln und Verschlechterungen, die die angebliche Modernisierung den BewohnerInnen gebracht haben. Die Mieterinitiative Schwaketen hat dem Oberbürgermeister und den Gemeinderatsfraktion deswegen bereits eine Stellungnahme zum schönfärberischen Vonovia Schreiben geschickt. Sie enthält auch eine Einladung, sich die Situation vor Ort selbst anzuschauen. Es bleibt zu hoffen, dass der OB und die RätInnen dem Aufruf folgen.

Phantomleistungen

Verlässlich ist der Bochumer Immobilienkonzern indes, wenn es ums Abkassieren geht. Pünktlich zum Jahresende stellte Vonovia den BewohnerInnen die Betriebskostenabrechnungen für 2019 zu. Unbeeindruckt davon, dass aktuell noch eine mit Hilfe des Mieterbunds Bodensee angestrengte Klage gegen die Abrechnungen für die Jahre 2015 und 2016 anhängig ist, haben die Vonovia-Experten sich wieder viel einfallen lassen, um ihre Miet-Kunden um ihr Geld zu erleichtern.

Angefordert waren Müllgebührenbescheide, mitgeschickt wurde dieser Vollstreckungsauftrag.

Zwar können seit 2018 die Belege für die Abrechnungen online eingesehen und heruntergeladen werden, häufig fehlen diese Unterlagen aber schlicht – interessanterweise meist die der eigenen Tochterfirmen. So bleibt nur, sie doch wieder schriftlich bei der Vonovia anzufordern. Dabei unterlaufen der Vonovia dann immer mal wieder merkwürdige Fehler. 2018 etwa schlich sich in die Müllgebühren-Belege ein Amtshilfeersuchen der Stadt Konstanz an die Stadt Bochum über die Zwangsvollstreckung säumiger Müllgebühren bei der Vonovia ein.

Ein Jahr später erhielt ein Mieter statt der angefragten Belege für die Fernsehgebühren eine Liste aller Mietverträge der Schwaketenstraße 98–108. (Dabei werden die Fernsehgebühren an die Deutsche Multimedia Service GmbH gezahlt, ein Tochterunternehmen der Vonovia.)

Auf alle inkorrekten und fragwürdigen Punkte einzugehen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen; die Widersprüche der Mieterbund-Anwälte füllen bereits Aktenordner. Daher soll an dieser Stelle nur auf die bemerkenswerten Leistungen eingegangen werden, welche die Vonovia im Jahr 2019 vollbracht haben will.

So rechnet die Vonovia eine wöchentliche Kontrolle des Zustandes der Spielplätze und der Sauberkeit des Spielsandes ab. Dumm nur, dass es für die in Rede stehende Zeitspanne in der Anlage Schwaketenstraße 98–108 überhaupt keinen Spielplatz gab, man richtete ihn erst Ende 2020 ein.

Weiter will die Vonovia wöchentlich Müll- und Papierkörbe kontrolliert und bei Bedarf entleert haben. Auch die sind auf der Anlage gar nicht vorhanden. Zugleich wird das wöchentliche Entfernen von Unrat in Rechnung gestellt. Das gesamte Jahr 2019 über waren die Häuser eine komplette Baustelle, tonnenweise lag Unrat, Müll und Bauschutt in der Außenanlage herum.

Monatlich möchte die Vonovia die Brandschutztrockenleitung kontrolliert haben. Die Bauarbeiten für die Brandschutztrockenleitungen begannen aber erst Mitte 2019 und wurden erst nach und nach Ende 2019, Anfang 2020 abgeschlossen und durch die Feuerwehr abgenommen.

Man darf gespannt sein, ob und wenn ja sich die Vonovia zu diesen Phantomleistungen äußert.

Nachtrag: Im Zweifel pfeift Vonovia auch auf rechtliche Bestimmungen. Jüngstes Beispiel für einen Verstoß gegen die Ortssatzung: Nicht nur begann der vom Konzern beauftragte Dienstleister den Winterdienst am verschneiten 14. Januar erst gegen 8.30 Uhr statt wie vorgeschrieben um 7.00 Uhr; man verwendete auch nach Ortsrecht verbotenes Streusalz der Marke „Quick Tau“. Dabei hatte Vonovia auf eine Nachfrage der Mieterinitiative im Dezember beteuert, es werde kein Streusalz genutzt, „sondern das marktübliche Streugemisch VIAFORM Granular, welches leicht biologisch abbaubar und weder toxisch für Pflanzen, Tiere oder Wasserorganismen ist.“ Eine glatte Lüge, wie die von der Initiative aufgenommenen Bilder dokumentieren. Mehrere hundert Kilogramm des am 14.1. gestreuten, ökologisch schädlichen Taumittels lagern in der Tiefgarage des Vonovia-Gebäudekomplexes.

Matthias Oelschläger/red (Bilder: M. Oehlschläger)