Lindau: Bürgerentscheid als Dauereinrichtung?

20120311-230023.jpgZweiter Bürgerentscheid in drei Monaten: Am 18.3. sollen die Bürgerinnen und Bürger von Lindau erneut über die Zukunft ihres Inselbahnhofs abstimmen. Der bei der letzten OB-Wahl dann doch nicht angetretene CSU-Kandidat Rainer Rothfuß hat eine neuerliche Volksbefragung erzwungen. seemoz sprach mit Karl Schweizer, Sprecher der Aktionsgemeinschaft Inselbahnhof, über Absichten und Aussichten dieses Bürgerentscheids.

Die Bürgerinitiative „Hauptbahnhof Reutin mit Bahnstation Insel“ um Rainer Rothfuß tritt mit Aussagen an die Lindauer Öffentlichkeit, die Sie kritisieren.

Schon der Name dieser BI beinhaltet eine bewusste Fehlinformation. Die Pläne dieser Bürgerinitiative sehen für Lindaus Stadtzentrum auf der Insel keine Bahnstation vor, wie ihr Name suggerieren soll, sondern nur noch einen minimalistischen Bahnhaltepunkt im Bereich der früheren Hauptpost. Diese BI redet davon, auf dem Bahndamm nur ein Gleis zu belassen und die dadurch frei werdende Fläche von Aeschach aus für einen zusätzlichen Weg für Fußgänger und Radfahrer zur Insel zu eröffnen. Dies ist unseres Erachtens realitätsfremd.

Interessierte Lindauer Kreise haben in den vergangenen Jahren immer wieder betont, dass sie auf dem Bahndamm mit weniger Bahngleisen eine weitere Straßenzufahrt zur Insel errichten wollen.

Dies aber wäre das Gegenteil einer zukunftsfähigen Verkehrsgestaltung in unserer Stadt.
Auch betont die BI immer wieder, dass dieser zusätzliche Weg über den Bahndamm einen weiteren Rettungsweg ermöglichen würde. Der schon vorhandene Rad- und Fußgängerbereich auf dem Lindauer Eisenbahndamm hat aber bereits heute ganz offiziell die Zusatzfunktion eines Rettungsweges zur und von der Insel und bewies in den vergangenen Jahren immer wieder seine Funktionstüchtigkeit.

Die BI stellt immer wieder in Aussicht, dass nach ihren Plänen auch eine zweite Schienenanbindung von Aeschach zur Insel jene von Reutin aus ergänzen könnte.

Hier widerspricht sie sich in eklatanter Weise selbst, bzw. dem Text des von ihr propagierten Bürgerentscheides am 18. März 2012. Ihr allein gültiger Abstimmungstext lautet wörtlich: „Sind Sie dafür, dass die Stadt Lindau die entsprechenden Maßnahmen für einen Hauptbahnhof in Reutin und eine eingleisige Schienenanbindung der Insel ergreift?“ Damit wäre dann für zwei Jahre verbindlich festgeschrieben, dass eine zweigleisige Inselanbindung nicht mehr möglich ist und Lindau nichts in diesem Sinne unternehmen dürfte. Eine sinnvolle Anbindung einer kommenden Bodensee-S-Bahn zum touristischen, kulturellen und gesellschaftlichen Zentrum unserer Stadt, der Insel, ist dann nicht mehr möglich. Zukunftsfähige Verkehrskonzepte sehen anders aus.

Was ist vom Konzept der Rhein-Sieg-Eisenbahn GmbH (RSE) in Lindau für eine preisgünstige Anbindung eines Hauptbahnhofes in Reutin zur Insel zu halten?

Die private RSE ist in Fachkreisen für ihre dünne Eigenkapitaldecke bekannt und kann deshalb zwar den Zugbetrieb auf einem Gleis von Reutin auf die Insel finanzieren, nicht aber Kauf und Unterhalt der Strecke samt Lindauer Bahndamm. Stadt und Landkreis Lindau müssten also in diesem Falle der privaten RSE finanziell andauernd unter die Arme greifen, um damit einen kümmerlichen, dyskfunktionalen Rest einer ehemals vorbildlichen Schienenverkehrsstruktur zum bisherigen Bürger-Hauptbahnhof Lindau aufrecht erhalten zu können. Auch genießen die Beschäftigten der RSE bisher keinerlei Schutz ihrer Arbeitsbedingungen auf Mindestniveau in Form eines Tarifvertrages mit der Eisenbahn- und Verkehrs-Gewerkschaft Deutschlands.

Das Gebäude des Lindauer Hauptbahnhofes auf der Insel wurde zwischenzeitlich nach vielen Jahren des Wartens in das verlängerte Programm der Deutschen Bahn AG zur Renovierung ihrer wichtigen Bahnhöfe aufgenommen. Dies signalisiert eine Anerkennung der Bedeutung des jetzigen Lindauer Bürgerbahnhofes.

Genau: Und die Mehrheit der abstimmenden Lindauerinnen und Lindauer hat sich beim Bürgerentscheid am 11. Dezember 2011 mit deutlichem demokratischem Votum und Überschreiten des erforderlichen Mindestquorums bereits für den Bahnhof und für eine bessere, die „Kombilösung“, entschieden. Die Bürgerinitiative um Herrn Rothfuß will dies so nicht anerkennen. Die Aktionsgemeinschaft Inselbahnhof bittet die Lindauerinnen und Lindauer, sich deshalb am 18. März 2012 mit einem klaren Nein gegen die minderwertige Variante der BI „Hauptbahnhof Reutin“ auszusprechen.

Dennoch: Volksabstimmungen als Ausdruck des Wählerwillens bleiben unabdingbar?

Natürlich. Nur als Dauereinrichtung, um einstmals gefällte Entscheidungen zu kippen, taugen sie nicht.

Autor: PM/hpk

 

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