Linke Landtagskandidatin verurteilt Räumung
Mit Unverständnis und Empörung hat Antje Behler, Landtagskandidatin der Linkspartei für den Wahlkreis Konstanz, auf die Räumung eines besetzten Hauses in der größten Stadt am See reagiert. Eine Gruppe meist jugendlicher AktivistInnen wollte das seit mehr als zehn Jahren leerstehende Gebäude in der Markgrafenstraße wieder bewohnbar machen. Am frühen Mittwochmorgen beendeten Einsatzkräfte der Landespolizei die Instandbesetzung. Behler kritisiert die von einem massiven Aufgebot durchgesetzte Räumung harsch.
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„Die Türen im Grafi10 standen tagsüber die ganze Zeit offen, die Polizei hätte also problemlos mit den Besetzer*innen den Dialog suchen können. Stattdessen haben Einsatzkräfte die Tür aufgebrochen, sind gewaltsam in das Haus eingedrungen und haben die Besetzer*innen aus dem Schlaf gerissen“, empört sich die Linke-Politikerin. Vollkommen unverhältnismäßig sei auch das massive Aufgebot von Einsatzkräften gegenüber den 14 Hausbesetzer*innen gewesen. Mindestens 40 Mannschaftsfahrzeuge hatten BeobachterInnen vor Ort gezählt. Scharf kritisierte die 24-jährige Landtagskandidatin zudem, dass BesetzerInnen, unter ihnen Minderjährige, offenbar mindestens drei Stunden lang ihr Recht verweigert wurde, telefonisch einen Anwalt zu kontaktieren. „Grundrechte gelten auch für HausbesetzerInnen“, betont Behler, „dass ihnen diese durch die Polizei verwehrt wurden, ist untragbar und Willkür!“
Für die in Konstanz wohnende Linke-Politikerin kommt die Hausbesetzung nicht von ungefähr. „In unserer Stadt haben wir seit Jahren mit massiver Wohnungsnot zu kämpfen. Gleichzeitig lassen Eigentümer ihre Immobilien leer stehen und damit nicht nur Gebäude verrotten, sie entziehen dem Wohnungsmarkt Raum, der dringend gebraucht wird“, erklärt Behler. Eigentum verpflichte aber und wer dieser Verpflichtung nicht nachkomme, verhalte sich „antisozial und unsolidarisch“. Die Hausbesetzung des Grafi10-Kollektivs habe sie als begrüßenswert empfunden, weil sie „sehr deutlich auf dieses eklatante Problem hingewiesen hat“. Mit Blick auf die Kommunalpolitik bekräftigt Antje Behler: „Damit in Zukunft Hausbesetzungen nicht mehr notwendig sind, muss die Stadt – und auch der zukünftige Oberbürgermeister – jetzt handeln. Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum und die konsequente Durchsetzung von Maßnahmen gegen leerstehende Immobilien. Leerstand geht uns alle an!“
MM/jüg (Foto: D. Schröder)
@ Lutz E. Krause
Weil sie es in einem anderen Artikel auch schon mal fragten, bei der gestrigen Gemeinderatssitzung wurde das Thema ausführlich dargestellt und soweit zeitlich möglich auch besprochen. Auch Fragen bspw. von Holger Reile wurden gestellt und zum Teil beantwortet. Ich kann nur empfehlen die entsprechenden Podcasts anzuschauen, für mich waren sie durchaus interessant.
Gewundert habe ich mich über die zahlreiche Begleitung der kleinen gut organisierten Demonstration: ein Polizist und ein Polizeiwagen voraus, 4 Polizeiwagen und 1 Mannschaftswagen hinterher. Davon blieben dann allerdings 2 „kleine“ sowie der große an der Kreuzung Gartenstraße stehen.
Die war weder bei unserer Demo zu Büdingen und sehr wahrscheinlich auch nicht bei jenen der FfF der Fall. Offenbar scheint von Menschen, die schwarz gekleidet sind, Gefahr auszugehen. Wie ich beobachten konnte, gab es jedoch von den begleitenden Polizisten der Demo kein „unangemessenes“ Verhalten. Zum „Vermummungsverbot“: Angesichts der Tatsache, dass wir weltweit seit Monaten mit Masken, Tüchern und allerlei fantasievollen „Schutzmaßnahmen“ unsere Gesichter verhüllen, finde ich das paradox.
Erneut: Dass durch das geplante HP Wohnen, 7600 Wohnungen auf Grund und Boden, der zudem dringend aufgrund des Klimaschutzes erhalten werden sollte, Wohnraum für jene entsteht, die sich mit geringem und durchschnittlichen Verdienst bzw. Renten nicht einmal 8 Euro pro Quadratmeter leisten können, kann doch wirklich keiner mehr glauben. Aktuell zeigt sich an allen Ecken und Enden(KN: Schwaketenbad), dass im Baugeschäft nichts mehr kalkulierbar ist, die Preise explodieren. Dass für Doppelhaushälften 3.000 Euro Miete bezahlt bzw. pro Minizimmer in einer 3-er WG 720 Euro hingeblättert werden, zeigt, dass Konstanz keine Stadt für „Alle“ ist.
@Dennis Riehle
Art und Umfang der Räumungsmaßnahme lassen fragen, ob sich ganz generell Ansehen und Respekt der Exekutive in den letzten Monaten zum Positiven entwickelt haben. Diese Frage darf klar verneint werden: Durch den Vollzug der getroffenen Corona-Massnahmen sind viel Bürger zum ersten Mal überhaupt mit der Exekutive in Berührung geraten, und dies in vielen Fällen auf äußerst negative Weise. Der ausgerufene Notstand bot Anlass, eine latente Stasi- und Blockwart-mentalität offen ausleben zu können, und dies im Namen vermeintlicher Volksgesundheit. Diese Mentalität ist – wie bei der rassistischen Tendenz – sicherlich nicht pauschal bei allen Sicherheitskräften vorhanden, jedoch in einem Umfang spürbar, dass nun die Politik fragt, wie das beschädigte Ansehen der Exekutive in der Bevölkerung wieder hergestellt werden kann. Wer in einem solchen gesellschaftlichen Umfeld eine Massnahme in dieser Art und Weise verordnet und ausführt, irgnoriert offensichtlich völlig diesen Zusammen-hang. Die beteiligte Staatsanwaltschaft und der verantwortliche ausführende Einsatzleiter haben daher durch diesen Einsatz den Exekutivorganen unseres Landes mit Sicherheit weiteren Schaden zugefügt und dies wegen eines Anlasses, bei dem es durch den gegebenen Umstand lediglich um die Durchführung eines in diesem Fall völlig abstrakten Recht ging. Ausbaden muss dies die Politik und jene Beamten, die sich vom Selbstverständnis her tatsächlich im Dienste der Bürger verstehen.
Eine Hausbesetzung ist ein bewusster Rechtsbruch als Protest. Ich gehe aber, nach allem was ich darüber gelesen habe, davon aus dass die dort Protestierenden nicht von dem teilweise gewalttätig – militanten Schlag sind wie ich sie aus Berlin-Neukölln oder Berlin-Friedrichshain der 1990-2000er kenne.
Daher gehe ich davon aus das die Entscheider für Art und Zeitpunkt der Polizeiaktion eine Eskalation provozieren wollten – die Besetzer haben glücklicherweise nicht geliefert.
Ich bin mir sicher dass selbige Räumung auch völlig entspannt im schönsten Sonnenschein hätte stattfinden können.
In meiner Jugend kann ich mich an alternative Hausbesetzer in Friedrichshain nur als liebenswerte junge Familien mit Kindern erinnern, welche Probleme hatten sich militante Berufschaoten vom Hals zu halten welche eigentlich nur auf Gewalt aus waren.
Aufgabe der Polizei wäre es IMHO genau diese Berufschaoten zu identifizieren und einzeln zu neutralisieren.
Auch in Berlin Friedrichshain gaben die wirklichen Hausbesetzer der Polizei den Tip wer dort die Gewegplatten auf die Dächer schleppte um diese als tödliche Wurfgeschosse auf die Polizei zu werfen.
So, wie es in dem Artikel beschrieben wird, wurden die jungen Leute im Schlaf überfallen, wie Schwerverbrecher. Das kann nicht der richtige Weg sein. Damit hat die Polizei sich einen Bärendienst erwiesen. Der persönliche Besuch des OB noch am Tag zuvor bei den Besetzern, steht in krassem Widerspruch zu einer solchen Aktion – außer, er hat sie vor der Räumung gewarnt.
Wie die Besetzer allerdings auf die Idee gekommen sind, ihre Aktion sei erfolgreich: „Wir sind gekommen um zu bleiben“, wirft die Frage nach den hier gerne zitierten geistigen Brandstiftern auf, die meines Wissens persönliche Erfahrung in Sachen Hausbesetzungen haben.
Ich stimme Antje Behler in einigen Punkten ihrer Stellungnahme zur Räumung des besetzten Hauses in Konstanz durchaus zu, muss allerdings an anderer Stelle die Frage aufkommen lassen, wie weit ziviler Ungehorsam gehen darf und ob es der „guten Sache“ dient, wenn dafür mögliche Straftaten begangen werden.
Ich habe großes Verständnis für das Anliegen der Hausbesetzer. Die Wohnraumsituation in Konstanz ist derart prekär, dass wir es uns nicht leisten können, Gebäude als Leerstand zweckzuentfremden. Allerdings frage ich mich, ob das Vorgehen der meist jungen Leute zielführen war. Natürlich setzen sie mit ihrem Engagement ein Zeichen dafür, dass Politik und Verwaltung endlich aufwachen und geltendes Recht durchsetzen. Allerdings gibt es in einer Demokratie nach meiner festen Überzeugung andere Mittel, um auf die zum Himmel schreienden Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen. Dass selbst Kinder für den Protest herangezogen werden, geht nach meinem Dafürhalten viel zu weit. Und auch, wenn es von linker Seite viel Unterstützung für die Aktion gibt, weiß ich nicht, ob man sich derart unreflektiert für ein sicherlich hehres Ziel instrumentalisieren lassen sollte.
Dass die Hausbesetzer von den Einsatzkräften offenbar als Schwerverbrecher betrachtet wurden und nach ihren Darstellungen nicht einmal die Möglichkeit hatten, zeitnah einen Anwalt zu kontaktieren, muss scharf kritisiert werden. Natürlich gelten Grundrechte auch für die, die sich eines eventuellen Vergehens schuldig gemacht haben. Deshalb muss man die Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes durchaus bezweifeln, was aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass das Ansinnen der Hausbesetzer mit Alternativen hätte erreicht werden sollen. Die spontane Demonstration in der Innenstadt hat gezeigt, dass Widerstand auch anders aussehen kann.