Linke Liste fordert Auflösung von Sammelunterkünften
Klare Kante zeigt die Linke Liste in der Diskussion um die umstrittene Absperrung des Atriums über Ostern. Die Ratslinken werfen den Verantwortlichen vor, beim Corona-Schutz mit zweierlei Maß zu messen und fordern, die Massenunterkünfte, in denen viele Geflüchtete eingepfercht sind, endlich aufzulösen – nicht nur der von ihnen ausgehenden Infektionsgefahr wegen. Die Medienmitteilung dazu im Wortlaut.
[the_ad id=’68671′]
Die Linke Liste Konstanz (LLK) begrüßt, dass die am Karfreitag von der Verwaltung angeordnete Abriegelung der Anschlussunterkunft Atrium in der Luisenstraße am Dienstag wieder aufgehoben wurde. Denn die durch die Corona-Pandemie nötigen besonderen Schutzmaßnahmen rechtfertigten unserer Überzeugung nach nicht, fast hundert Menschen ihrer Freiheit zu berauben, selbst wenn sich einzelne BewohnerInnen uneinsichtig zeigten. Für Verstöße gegen die Corona-Rechtsverordnung sollten die VerursacherInnen zur Rechenschaft gezogen werden, nicht die Gemeinschaft.
Die Abriegelung hat zudem den Eindruck entstehen lassen, dass die Verwaltung mit zweierlei Maß misst. Denn auch in Pflegeheimen, Krankenhäusern und vergleichbaren Einrichtungen wird bedauerlicherweise das Kontaktverbot nicht immer eingehalten. Internierungsmaßnahmen haben die Verantwortlichen deswegen nicht veranlasst, unserer Meinung nach zu Recht. Solche Zurückhaltung scheint im Rathaus indes nicht für Menschen zu gelten, die – Schutz vor Krieg, Gewalt und Elend suchend – teils seit Jahren unter einer reichen Stadt unwürdigen Bedingungen in Massenunterkünften wie dem Atrium leben müssen.
Die Verwaltung hat die Absperrung mit dem Gesundheitsschutz der Konstanzer Bevölkerung begründet. Wer es damit ernst meint, muss endlich darangehen, Unterkünfte wie das Atrium aufzulösen und seine BewohnerInnen dezentral unterzubringen. Denn in den Sammelunterkünften für Geflüchtete gibt es keinen Platz, um sich aus dem Weg zu gehen. In der Regel müssen sich mehrere Menschen ein Zimmer teilen, Küchen, Bäder und Toiletten werden gemeinschaftlich genutzt. Ein wirklicher Infektionsschutz ist so nicht möglich. Das dürfen wir nicht hinnehmen, denn auch Geflüchtete gehören zur Konstanzer Bevölkerung und müssen die Möglichkeit haben, sich schützen zu können. Nur so können auch potenzielle Infektionsketten unterbrochen werden, die von solchen Unterkünften ausgehen.
Die LLK fordert seit langem die Auflösung der Massenunterkünfte, denn diese Einrichtungen sind – unabhängig von Corona – menschenunwürdig. Auch wir wissen, dass dies angesichts herrschender Wohnungsknappheit keine leichte Aufgabe ist. Die Stadt muss sich allerdings vorwerfen lassen, sich ihr viel zu zögerlich angenommen zu haben. Spätestens jetzt aber ist Handeln unumgänglich, denn auch Geflüchtete haben ein Recht auf Schutz vor Corona. Ein erster Schritt könnte sein, die Menschen in leerstehenden Hotelzimmern und Ferienwohnungen unterzubringen. Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.
Linke Liste Konstanz (LLK)
MM/red
Zweifelsohne wäre es im Augenblick organisatorisch schwierig, angesichts der ohnehin prekären Lage am Wohnungsmarkt die Sammelunterkünfte aufzulösen. Dennoch braucht es nicht nur aufgrund der „Covid-19“-Pandemie endlich Visionen, wie wir schutzsuchende Menschen in unserem Land würdig integrieren und nicht von der Gesellschaft separieren. Nachdem wir seit Jahren um das Problem wissen, ist es tatsächlich ein Versäumnis der Stadt, hier nicht endlich gehandelt zu haben. Der Aufruf der „Linken Liste“ ist nicht nur Erinnerung. Viel mehr mahnt er uns in Zeiten einer nie dagewesenen Krise, nicht nur unsere alltäglichen Probleme in den Mittelpunkt zu stellen und an uns selbst zu denken. Menschen, die durch traumatische Erlebnisse geprägt sind, werden neuerlich gestraft, indem man ihnen eine isolationsfreie Unterbringung verwehrt. Während „Corona“ heißt es „Zusammenhalt“ – doch das gilt für alle. Migranten sind keine Menschen zweiter Klasse. Sie gehören in unsere Gemeinschaft. Und so müssen sie behandelt werden. Es ist schade, dass sich diese Selbstverständlichkeit auch nach Jahren der Erfahrung mit Asylsuchenden bei vielen Verantwortlichen aufgrund von Vorurteilen, Ressentiments und unbegründeten Ängsten noch immer nicht verfangen hat.