Linke Liste stellt Antrag zur Wohnungspolitik
„Nur öffentliche Bauträger und Genossenschaften schaffen in Konstanz bezahlbaren Wohnraum, sie müssen Priorität gegenüber dem Markt haben“: So lautet eine der Kernaussagen, mit denen die Linke Liste Konstanz (LLK) ihren aktuellen Antrag zur Konstanzer Wohnungspolitik begründet. Sie fordert nicht weniger als eine Kehrtwende der bisherigen Politik – die LLK-Erklärung dazu im Wortlaut:
Die Linke Liste Konstanz (LLK) fordert einen Paradigmenwechsel in der städtischen Wohnungsbaupolitik. „Das Handlungsprogramm Wohnen hat seine zentralen Ziele verfehlt“, erklärt dazu LLK-Stadtrat Holger Reile. „Es sollte eigentlich den Wohnungsmarkt entspannen und die Preisentwicklung bei Wohnungsimmobilien und Mieten dämpfen.“ Angestrebt war laut Verwaltung eine „ausgewogene Wohnungsentwicklung“, die alle Bevölkerungsgruppen berücksichtigt, unabhängig von der Höhe ihrer Einkommen. Die jüngst veröffentlichten Untersuchungen von Empirica und Gewos belegen, dass das Programm diese Ziele nicht nur nicht erreicht, sondern im Gegenteil zu einer weiteren Verschärfung der Wohnungsproblematik geführt hat.
„Fast zwei Drittel der neuen Wohnungen liegen im Hochpreis-Bereich, was zusätzlich zum Preisauftrieb bei bestehendem Wohnraum beigetragen hat“, bilanziert Reile. Der sogenannte Sickereffekt, mit dem die Stadtverwaltung begründet hatte, dass auch Wohnungen im teuersten Segment gefördert werden, habe sich damit ins Gegenteil verkehrt.
In einem Antrag an den Gemeinderat schlägt die Fraktion deshalb nun ein Bündel verschiedener Maßnahmen vor, um den Bau bezahlbaren Wohnraums anzukurbeln und die Mietexplosion zu stoppen. So sollen etwa die Zielkorridore des Handlungsprogramms Wohnen neu festgesetzt und auf den sozialen und preisgedämpften Wohnungsbau eingegrenzt werden. Die LLK fordert verbindliche Mietobergrenzen für öffentlichen und preisgebundenen privaten Wohnungsbau. Zudem will sie die Bereitstellung zusätzlicher städtischer Mittel, um der Wohnungsbaugesellschaft Wobak ein stärkeres Engagement beim Bau von Wohnraum zu ermöglichen, den auch Gering- und Normalverdiener bezahlen können. Die Verwaltung soll darüber hinaus gezielt Fördermaßnahmen für genossenschaftlich organisierte Träger, Baugemeinschaften und andere alternative Wohnformen ausarbeiten. Auch die Verlängerung der Laufzeiten für die Mietpreisbindung und die Ausschöpfung aller Mittel zur Deckelung von Mieten ist Bestandteil des Forderungskatalogs der LLK.
„Eine Zwischenbilanz des Handlungsprogramms Wohnen zeigt: Nur öffentliche Bauträger und Genossenschaften schaffen in Konstanz bezahlbaren Wohnraum, sie müssen Priorität gegenüber dem Markt haben“, begründet Stadträtin Anke Schwede den LLK-Antrag. „Nur so kann die Stadt ihrer Aufgabe nachkommen, das Grundrecht auf Wohnen für ihre Einwohner zu sichern.“
Linke Liste Konstanz (LLK)
Der Vorstoß der „Linken Liste“ ist ein notwendiger Aufschrei. Wenn wir dieser Tage von hunderttausenden Wohnungslosen in Deutschland hören, dann sind solche Zahlen nicht weit entfernt, sondern beginnen vor unserer Haustüre mit fehlendem Wohnraum für die Bürger mit kleinem, aber eben mittlerweile auch mit mittlerem Einkommen. Bezahlbar scheint der Wohnraum tatsächlich nur noch für die, die sich auch in München, Frankfurt oder Berlin eine Wohnung suchen könnten. Denn mit solchen Größen muss sich Konstanz mittlerweile messen lassen.
Und ja, ich bin grundsätzlich für die Regelung des Marktes. Doch unser Wirtschaftssystem sagt auch aus, dass wir an den notwendigen Punkten Stellschrauben einbauen müssen. Sie verhindern, dass sich ein Boom aufbläht, dass ein Bedarf an hochpreisigen Luxuswohnungen die ausschließt, die ohnehin schon zu den Abgehängten einer High-Society-Gesellschaft gehören, in der der „Normalbürger“ nicht mehr mithalten kann. Das mag populistisch klingen, aber die Wahrnehmung trügt eben nicht: Neubürger haben kaum eine Chance, sich in Konstanz niederlassen zu können, wenn ihnen das nötige Kleingeld oder Kontakte fehlen, wenn sie nicht zu denen gehören, die für ein paar Tage im Monat ihr Zuhause bewohnen, um anschließend die Rollläden zu schließen und den Rest der Zeit auf Geschäftsreisen, Meetings, auf Vorstandssitzungen oder im Urlaub zu verbringen.
Es ist Aufgabe auch der kommunalen Politik, sich zu entscheiden, welches Bild einer Stadt Konstanz abgeben soll. Das der Schönen und Reichen? Oder das, in welchem wir bunt gemischt zusammenleben. Ob in Fragen der Herkunft oder des Geldbeutels, der sozialen Schicht oder des Berufes, der Bildung oder der Beziehungen – völlig unabhängig dieser Faktoren braucht es für jeden ein Dach über dem Kopf. Wenn ein Land sich derart in Wohlstand wälzt, dass es nicht einmal mehr merkt, wie Unzählige zurückgelassen werden und ihnen dieses elementare Grundrecht auf eine eigene Wohnung vorenthalten wird, dann ist die legendäre Schere zwischen Arm und Reich schon bis zum Äußersten geöffnet. Nein, ich fürchte keine sozialen Unruhen, aber ein Ausbluten des städtischen Lebens, wenn die Mischung fehlt, wenn eine Kommune nicht mehr die Realität abbildet, sondern nur noch einen gesellschaftlichen Ausschnitt widerspiegelt.
Die Vorschläge der „Linken Liste“ mögen wie ein harter Eingriff in die Wohnungspolitik wirken. Und doch sind sie notwendig, weil wir gelernt haben, dass die Praxis keine anderen Schritte zulässt. Das, was bislang ausprobiert wurde, verpufft wirkungslos. Soziale Marktwirtschaft braucht dort einen Cut, wo sie nicht zu funktionieren scheint. Egal, welcher politischen Richtung man angehört, die Bestandsaufnahme lässt sich nicht leugnen – und die Konsequenzen müssten für alle klar sein: Es bedarf nun eines dringenden Handelns, für das man nicht auf bundes- oder landespolitische Signale warten muss. Die Kommunalpolitik hat mehr in der Hand, als sie vielleicht zugeben will. Die Vorschläge der „Linken Liste“ zeigen es auf.
Und das ist keine Planwirtschaft, kein Sozialismus. Sondern die Korrektur einer sich entfesselnden Preisentwicklung, der man mit bisherigen Programmen nicht mehr Herr werden kann. Was die Einen als unzulässigen Eingriff in ein sich selbst (eben nicht mehr) regulierendes Korrelat von Nachfrage und Angebot sehen und stattdessen weiterhin auf eine nicht praktikable Politik der „ausgeglichenen“ Wohnungsentwicklung setzen, dem begegnen Andere nun mit einer vernünftigen und rationalen Antwort auf eine Frage, die ich mittlerweile fast täglich zu hören bekomme: „Kennen Sie eine bezahlbare Wohnung in Konstanz?“…